Marcus Scholz

24. September 2020

Der Helm macht schon was aus. Optisch macht es den sympathisch wirkenden 30-Jährigen tatsächlich deutlich gefährlicher, wenn man ihn in voller Montur auf dem Platz sieht. Jetzt, aber, in kurzer Hose, weißen Sportsocken und Badelatschen unterhalb seiner alles andere als beängstigend muskulösen Beine wirkt Klaus Gjasula erstaunlich harmlos. Vom knüppelharten Rüpel auf dem Platz ist rein gar nichts zu erkennen. „Irgendwann macht es klick“, verrät der defensive Mittelfeldspieler des HSV, der mit 17 Gelben Karten in der abgelaufenen Saison einen unrühmlichen Rekord in der Bundesliga aufstellte. „Eigentlich immer dann, sobald ich den Platz betrete.“

Beim HSV hat er das in zwei Pflichtspielen erlebt – mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Dem bitteren Pokal-Aus beim 1:4 in Dresden folgte ein guter 2:1-Erfolg über Bundesligaabsteiger Fortuna Düsseldorf. „Ich will noch besser werden“, so Gjasula über die ersten beiden Pflichtspiele für den HSV, in denen er immer eine Zeitlang brauchte, um in Wallung zu kommen. Zudem waren es zwei Spiele über 90 Minuten - und keine Gelbe Karte. Erstaunlicherweise.

Gjasula will nicht mehr so viele Gelbe kassieren

Oder? „Ich habe  mir vorgenommen, mich zu bessern“, so Gjasula, der in den 20 Minuten Interview heute gefühlt 20-mal das Wort Respekt betont. Man müsse immer Respekt haben. Vor jedem. Zumindest würde er danach leben. Auch, wenn das auf dem Platz eben manchmal anders rüberkommt. Auch in den ersten beiden Spielen gab es von dem Spätstarter in Sachen Profifußballer Szenen, die mit einer Verwarnung hätten bedacht werden müssen. Aber er bekam sie nicht. Gjasula: „Ich will an meinem Spiel nicht viel verändern. Aber ich will lernen, nicht so viele Gelbe Karten einzufangen. Eine einstellige Zahl wäre ein Erfolg.“

Erfolgreich war auch die Konstellation mit Amadou Onana als Doppelsechs. „Amadou ist ein junger Bursche und ich versuche, ihm so gut es geht zu helfen. Er spielt sehr reif, wir haben uns super ergänzt“, so Gjasula, der von Trainer Daniel Thioune auffällig oft als Gesprächspartner ausgewählt wird. Und das, obgleich der Albaner mich in den Spielen noch nicht überzeugen konnte. Sportlich ist er für mich noch nicht gänzlich angekommen. Dennoch hat der frisch zum Vizekapitän gekürte Neuzugang schon jetzt eine wichtige Rolle innerhalb der Mannschaft. Ähnlich wie er es zuletzt beim SC Paderborn innehatte, wo er sogar als Kapitän auflief.

Es sei schon ein besonderes Spiele, definitiv kein normales, sagt Gjasula über seinen Exklub, bei dem er als HSV-Spieler am kommenden Montag zu Gast sein wird. Die Zeit beim Erstligaabsteiger sei einfach zu schön gewesen, die Erfahrung zu wertvoll, als dass er das Kapitel einfach abhaken wolle. Eher das Gegenteil sei der Fall, so Gjasula respektvoll seinem Ex-Arbeitgeber („Es wird schwieriger als Düsseldorf. Ein richtiger Gratmesser für uns“) gegenüber, mit dem er sich trotz gegenseitig höchster Wertschätzung nicht auf einen neuen Vertrag einigen konnte.

 

Am Montag nun geht es gegen seine Ex-Kameraden. Und auch von dort kam ein Lob sondergleichen:  „Auf Klaus halte ich große Stücke. Ein Musterprofi, als Spieler und Mensch herausragend“, sagte der Paderborner Coach Steffen Baumgart über den 30-Jährigen. „Klaus ist als Spieler und Mensch sehr wertvoll, ein Musterprofi!  Er ist immer präsent in einer Mannschaft, führt sie. Dabei ist er nie unnötig laut. Er geht im Training voran.“ Und das nicht nur als Stammspieler: „Klaus hilft jeder Mannschaft. Nicht nur als Stammspieler. Das haben wir ganz besonders in unserer Aufstiegs-Saison erlebt. Er machte zwar nur 24 Spiele, weil Philipp Klement und Sebastian Vasiliadis besser waren. Dennoch war er ein wichtiger Ansprechpartner für mich. Es gab nicht einmal ein Murren von ihm, sondern immer ein Lächeln.“

Verantwortung, Teamgeist - viel Lob für Gjasula

Apropos Baumgart: Der äußerte zuletzt auch Verständnis für die Reaktion von Toni Leistner, dessen 5-Spiele-Sperre heute vor dem DFB-Sportgericht mündlich verhandelt wurde. „Der Fall wird aus meiner Sicht nicht vernünftig eingeordnet. Was vielen immer noch nicht klar ist: Was Toni Leistner über sich ergehen lassen musste, hatte ein Ausmaß angenommen, das nicht zu entschuldigen ist“, hatte Baumgart den HSV-Verteidiger in Schutz genommen – und das DFB-Sportgericht folgte dem heute.

Leistner muss demnach wegen einer Tätlichkeit gegen einen Zuschauer nach vorangegangener sportwidriger Handlung sowie eines Verstoßes gegen das DFB/DFL-Hygienekonzept vier Partien - jeweils zwei in der Meisterschaft und im DFB-Pokal - zuschauen. Zunächst war Leistner für fünf Spiele, von denen drei direkt zu verbüßen gewesen wären und zwei bis zum 18. September 2021 zur Bewährung ausgesetzt waren, gesperrt worden. Zudem wurde die zunächst verhängte Geldstrafe in Höhe von 8000 Euro auf 6000 Euro reduziert.

Einspruch: Leistners Strafe vom DFB abgemildert

„Normalerweise werden Übergriffe von Spielern auf Zuschauer härter bestraft. In diesem Fall griffen aber einige Milderungsgründe, vor allem die Tatsache, dass der Spieler bisher sportgerichtlich nicht in Erscheinung getreten ist und er in hohem Maße provoziert wurde, beziehungsweise glaubte, provoziert worden zu sein“, begründete der Vorsitzende Richter Hans E. Lorenz nach der mündlichen Verhandlung am Donnerstag in Frankfurt die Milderung. Für eine noch deutlichere Reduzierung der Strafe sei kein Raum geblieben, „weil von dem Urteil auch eine abschreckende Wirkung ausgehen muss“.

 

Eine erstaunlich empathische Herangehensweise, wie ich finde. Aber ein, die es von meiner Seite zu loben gilt. Denn straffrei darf Leistners Übergriff nicht bleiben. Völlig unabhängig vom Vorausgegangenen darf Unrecht nicht mit Unrecht vergolten werden. Insofern hat der DFB hier vieles richtig gemacht, wobei man die Sperre auch komplett auf den jeweiligen Wettbewerb hätte auslegen können. Dennoch war Leistner zufrieden: „Mir war es wichtig, persönlich gehört zu werden. Die Strafe jetzt akzeptiere ich“, so der 30-jährige gebürtige Dresdner. Damit ist das Urteil rechtskräftig.

Mit anderen Worten: Am Montag in Paderborn muss Leistner noch zugucken. Ebenso wie voraussichtlich Josha Vagnoman, dessen Knöchelblessur als Verletzung am Sprunggelenk diagnostiziert wurde. Wie schlimm es ist und wie lange der Rechtsverteidiger ausfällt, ist noch offen. Sein Einsatz am Montag ist aber eher unwahrscheinlich, während Ewerton zum einen schon sportlich höchstwahrscheinlich nicht nominiert worden wäre – zum anderen nach seinem ersten Einsatz gestern bei der U21 (verlor 2:3 bei Eintracht Norderstedt) jetzt auch erneut verletzt ausfällt.

Ewerton und Vagnoman fallen verletzt aus

Bitter für Vagnoman. Bitter für Ewerton. Aber während Ewertons Ausfall schon fast eingepreist ist, hat Jan Gyamerah zuletzt sein Comeback gegeben und gut gespielt. Oder um es in Gjasulas Worten zu sagen: „Ich glaube, wir haben zuletzt gezeigt, wozu wir imstande sind. Unser Kader ist breit und stark genug. Es liegt immer an jedem selbst, in jedem Spiel das Beste rauszuholen.“ Worte, die ich dem Albaner abnehme.

Gjasula verkörpert, was vor ihm schon Spieler wie Hollerbach, Olic und Co. erfolgreich praktiziert haben: Professionele Einstellung. Er weiß, dass er kein Feinfuß ist und vieles am Ball nicht so gut kann wie andere. Deshalb versucht er es auch gar nicht erst großartig sondern beschränkt sich auf das, was er kann. Oder wie es sein Extrainer Baumgart formuliert: „Klaus weiß, was er kann und was nicht. Das geht vielen Spielern ab. Sie glauben, dass sie alles können. Das ist bei Klaus anders – absolut vorbildlich.“

Gjasula's Gelbrekord

 

 

In diesem Sinne, bis morgen. Da ist trainingsfrei. Dennoch melde ich mich selbstverständlich pünktlich um 7.30 Uhr wieder mit dem MorningCall bei Euch.

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