Marcus Scholz

27. März 2020

Eigentlich soll dieser Blog sehr kurz werden. Es gibt nach nunmehr zehn Tagen Aufsichtsratssitzungen und Vorstandsstreitigkeiten kaum noch etwas Unerwähntes. Am morgigen Sonnabend bei der außerordentlichen Aufsichtsratssitzung soll es ab 11 Uhr im Volksparkstadion dementsprechend noch einmal darum gehen, die vorgetragenen Vorwürfe von Finanzvorstand Frank Wettstein und Jonas Boldt gegen Vorstandsboss Bernd Hoffmann zu analysieren und aus den am Mittwoch geführten Einzelgesprächen mit den Vorständen ein Ergebnis abzuleiten. Dass dabei noch die zarte Hoffnung besteht, man könne mit einem verbalen Donnerwetter alle drei Vorstände noch einmal auf eine gemeinsame Spur bringen - sie ist genauso ehrenwert wie offenbar aussichtslos. Denn dafür waren die Vorwürfe von Boldt und Wettstein in Richtung Hoffmann wiederholt zu massiv.  Kompetenzübergriffe, Indiskretionen und Vertrauensbrüche stehen im Raum. Und der Aufsichtsrat ist jetzt dran, sie zu bewerten und in eine Konsequenz münden zu lassen. Auf jeden Fall aber wird es eine richtungsweisende Entscheidung.

Denn es geht bei der Entscheidung um weit mehr als „mit Bernd Hoffmann“ oder „ohne Bernd Hoffmann“. Es geht darum, dass der Aufsichtsrat seinem Vorstand aufzeigt, welche Kultur er erwartet. Soll heißen: Entweder die Kontrolleure setzen auf den einen starken Mann an der Spitze - dann müssen sie Hoffmann zwingend stützen und ihn mit der entsprechend übergeordneten Entscheidungsgewalt ausstatten. Oder aber sie setzen weiter auf Teamarbeit auf Vorstandsebene. Dann müssen sie sich von Hoffmann trennen. Fakt ist: Der Aufsichtsrat muss mit der zu fällenden Entscheidung dem HSV für die nächsten Jahre einen Weg ebnen, der derartige Streitigkeiten so gut es möglich ist ausschließt. Es kann und darf nicht passierten, dass es sich beim HSV nur um eine einzelne Person dreht und dass dieser Streit den HSV sogar in Gänze lahmlegt. Solange der HSV diese Rahmenbedingungen aber nicht hergestellt hat, läuft er - unabhängig ob mit Hoffmann oder sonstwem an der Vorstandsspitze - weiter Gefahr, derzeit schädlichen Streit zuzulassen.

HSV muss sich eine Vorstandskultur erarbeiten 

Wie genau man diesen Weg einschlägt? Schwer zu sagen. Oft habe ich zuletzt von der einen starken und allen übergeordneten Person gesprochen, da mir der Glaube an dauerhafte, echte Loyalität auf Vorstandsebene in einem Millionengeschäft wie dem Fußball insbesondere beim HSV schon längst abhanden gekommen ist. Aber diese eine Person müsste angenommen und respektiert werden. So unumstritten wiederum ist - sofern er nicht Günther Netzer heißt - wahrscheinlich niemand. Von daher behaupte ich, dass der HSV hier in zwei Schritten denken und handeln muss: Zuerst muss er ein Vorstandsteam finden, in dem sich der Vorstandsvorsitzende über einen langen Zeitraum durch gute, kluge und starke Entscheidungen derart profiliert, dass er sich das nachhaltige Vertrauen aller beim HSV erarbeitet. Soll heißen: Die eine, starke Persönlichkeit muss sich beim HSV über Jahre durch sein starkes Wirken erst noch entwickeln. Eine Sofort-Lösung gibt es hier nicht.

 

Und ja, Bernd Hoffmann hat definitiv die Stärke, auch gegen den Strom zu schwimmen. Manche werfen ihm diese Art allerdings als Eigensinn vor, zumal er 2011 an genau diesem Eigensinn gescheitert war, wie er selbst zugegeben hat. Der größte Trugschluss aber war 2018, dass man mit Bernd Hoffmann unvorbelastet einen Neuanfang starten könne. Mit 12 Stimmen mehr so knapp wie noch nie zum Präsidenten gewählt, war Hoffmann von Beginn an höchst umstritten. Und es war klar, dass das so bleiben würde. Trotzdem er bei seiner Wahl zum Präsidenten verkündet hatte, nicht als Vorstandsvorsitzender arbeiten zu wollen, wurde er kein Vierteljahr später genau das. Er sorgte so für Bestätigung bei seinen Kritikern, die Hoffmann diesen Weg zur Macht schon vor seiner Präsidentschaftswahl als Motivation unterstellt hatten.

Hoffmanns Führungsstil darf nicht überraschen

Daher, jetzt über Hoffmanns Art zu führen überrascht zu sein, ist nicht anderes als das Eingeständnis, die Lage 2018 grundlegend falsch eingeschätzt zu haben. Diesen Vorwurf müssen sich alle machen lassen.  Vor allem aber die Aufsichtsräte, die ihn kurz nach seiner Wahl zum Präsidenten in den Vorstand hochzogen. Wobei es selbstverständlich hier wie überall besser ist, gemachte Fehler zu korrigieren, als unbedingt daran festzuhalten, bis es letztlich zu spät ist. Hier müssen die Kontrolleure morgen für sich eine Antwort finden. Sie müssen eine eindeutige, nachhaltige Antwort finden, die weit über die Frage hinaus geht: Pro oder contra Hoffmann. Denn darum allein geht es schon lange nicht mehr. Morgen geht es neben der Bewertung des Zerwürfnisses im aktuellen Vorstand vielmehr auch darum, dass sich der HSV eindeutig festlegt, welchen Weg der Führung er für die Zukunft beim HSV will.

In diesem Sinne, bis morgen. Da melde ich mich nach der Aufsichtsratssitzung wieder. Ich bin gespannt.

Bleibt gesund!

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