Lars Pegelow

19. Oktober 2017

Wie gestern angekündigt, ist Lars heute nach längerer Auszeit wieder der Blog-Autor. Er übernimmt auch nicht nur heute, sondern wird Euch auch morgen alle wichtigen Nachrichten des Tages rund um den HSV vor dem Duell mit dem FC Bayern an dieser Stelle liefern. Los gehts:

 

Der Auftritt des FC Bayern in der Champions League gegen Celtic Glasgow war nicht gerade vielversprechend. Und zwar für den HSV, denn die Münchner präsentieren sich in den ersten Tagen von Jupp Heynckes wieder deutlich stabiler als zuvor. 5:0 gegen den SC Freiburg, dann das 3:0 gegen die Schotten – es hätte schlechter laufen können den Rekordmeister nach dem Trainerwechsel. Ist es alles nur eine Frage der Höhe der Niederlage am Sonnabend für die Hamburger im Volksparkstadion, hat der HSV quasi nichts zu verlieren? „Es gibt immer etwas zu verlieren“, sagt HSV-Trainer Markus Gisdol. „Und ich wehre mich dagegen, wenn man sagt, dass man keine Chance hat. Du hast immer eine Chance!“ Wenn auch eine kleine, das ist klar. Der HSV ist meilenweit von der Verfassung aus dem Jahr 2009 entfernt, als im Januar und September jeweils ein 1:0-Sieg gegen den Südrivalen herausgesprungen ist.

 

Markus Gisdol hat heute ziemlich deutlich gesagt, dass im Grunde in dieser Saison vom HSV nichts Berauschendes mehr zu erwarten ist. Zugegeben, nach fünf Niederlage in den letzten sechs Spielen ist diese Einschätzung nicht besonders abenteuerlich. Aber wahrscheinlich ist es immer wieder notwendig, auf den Status Quo der Hamburger Leistungsfähigkeit hinzuweisen, um die gezeigten Leistungen auch richtig einzuordnen. Markus Gisdol scheint jedenfalls keine Wunder von seiner Mannschaft erwarten zu wollen, sondern vor allem harte Arbeit, mit der eine Überraschung drin sein könnte. Und natürlich wird das Hauptaugenmerk auf der Deckungsarbeit liegen. Was sich gestern bereits andeutete, wurde heute im Training manifestiert: Der HSV mauert sich gegen die Bayern ein.

 

 

Mavraj, Papadopoulos, van Drongelen – das ist das zentrale Trio in der Defensive des HSV. So ließ Gisdol auch heute trainieren. Eingerahmt wird dieses Trio an den Seiten von Dennis Diekmeier und Gotoku Sakai. Der Japaner hat im Trainingsspielchen zwar auch im zentralen Mittelfeld gespielt, doch die linke Bahn ist für ihn – trotz akuter Formschwäche – wahrscheinlicher. Albin Ekdal und Gideon Jung sollen im defensiven Mittelfeld das Abwehr-Bollwerk des HSV abrunden. Mit dieser Taktik konnte manch anderer Bundesligist die Bayern nerven, jetzt versucht es also offenbar auch der HSV. Auf die Frage auf der Pressekonferenz, ob über links Ito oder diesmal Kostic stürmen würde, gab Markus Gisdol keine eindeutige Antwort. Seit dem Training ist klar, dass es heißen kann: Weder Ito noch Kostic. Andre Hahn über halbrechts, Aaron Hunt über halblinks, Bobby Wood im Sturm – das könnte das Team sein.

 

„Natürlich muss Vieles passen. Aber wir haben auch andere Mannschaften am Rand gehabt, ihnen Punkte wegzunehmen. Wenn wir die Bayern bearbeiten, so wir uns das vorstellen, dann hast du immer eine Chance.“ Das sagt Markus Gisdol vor dem Duell mit den scheinbar übermächtigen Bayern. Wobei sich gegen die Münchner noch mehr als gegen jeden anderen Bundesligisten die Frage stellt, wer die Tore für den HSV schießen soll. Bobby Wood soll es vorn allein richten – das scheint wieder klar zu sein. Aber was ist mit Bobby Wood los? Erst einen Treffer konnte er in dieser Saison erzielen. Er ackert vorn rum, das ist unbenommen, aber als Mittelstürmer pro Spiel im Schnitt nur eine einzige Szene zu haben, ist dann doch reichlich dürftig.

 

Dabei müsste sich der US-Amerikaner in seiner zweiten Saison beim HSV einiges vorgenommen haben. Mit ziemlichem Brimborium hatte der Verein den Vertrag mit Wood zu erhöhten Bezügen vorzeitig verlängert. Die Erwartungen, die sich daraus ergeben haben, konnte Wood bislang nicht erfüllen. „Man darf nicht nur seine Torquote sehen“, verteidigt ihn Markus Gisdol. „Bobby ist immer in Bewegung, vielleicht leidet darunter etwas seine Zielstrebigkeit.“ Höfliche Formuliert, diese Auffassung kann man haben. Zuletzt gesehen in Mainz, als sich Wood zunächst eine sehr gute Chance erarbeitet hat, den Ball dann aber freistehend über Rene Adlers Tor gejagt hat.

 

Welche Alternativen hat Markus Gisdol vorn? Eigentlich überzeugt keine so recht. Sven Schipplock hat sich bei seiner Einwechslung in Mainz als Aktivposten gezeigt, doch sein einziger Startelfeinsatz in dieser Saison bei der Auswärtsniederlage in Hannover war alles andere als begeisternd. Gleiches gilt für Bakery Jatta. Luca Waldschmidt ist zur Zeit außen vor und Andre Hahn wird auf der rechten Seite benötigt. „Alle sind gefordert, Bobby zu unterstützen“, erwartet deswegen Markus Gisdol. Ob dieser Appell gegen die Bayern nun gerade Früchte tragen wird?

 

Immerhin: Das Stadion ist mittlerweile so gut wie ausverkauft. Nur noch ein paar VIP-Karten sind zu haben, so dass dann am Sonnabend sicher 57.000 Zuschauer in der Arena sein werden. Im Zuschauerdurchschnitt hat sich das gefühlt abnehmende Interesse der Hamburger Fußball-Anhänger noch nicht dramatisch verdeutlicht. Etwa 51.800 Zuschauer kamen im Durchschnitt ins Stadion in dieser Saison. In den Vorjahren lag der Schnitt meist zwischen 52.000 und 54.000. Allerdings: Mit Bremen, Dortmund, Leipzig und nun den Bayern sind eine Reihe potentieller Top-Spiele nach dem 9. Spieltag bereits durch, und der kalte Winter kommt erst noch. Der HSV muss ein Auge haben auf diese Entwicklung.

 

Ein ganz besonderes Auge haben Fans und Verantwortliche, genau wie die Mitspieler, auf Tatsuya Ito. Der Japaner hat mit einem unbeschwerten Auftritt (gegen Bremen) und einer ordentlichen Leistung (in Mainz) überrascht. Ebenso überraschend waren die körperlichen Probleme des Japaners, für den jeweils nach 50 Minuten „daddeldu“ war. Begründung des Trainers: Ito sei nach langer Knieverletzung noch im Aufbau, habe auch in der U 21 körperliche Probleme gehabt. Was allerdings nur teilweise stimmt. In sieben Regionalliga-Partien in dieser Saison spielte Ito vier Mal über 90 Minuten zum Einsatz. Darunter die drei Spiele unmittelbar vor seinem Bundesliga-Debüt gegen Werder Bremen. So gesehen werden die Verantwortlichen sehr wohl negativ überrascht gewesen sein, wie schwer sich Ito im Moment tut. Vielleicht hilft es Ito, wenn er einmal als Joker käme. Da könnte er mit seiner schwer zu verteidigenden Spielweise ja eventuell sogar die Bayern vor Probleme stellen, wenn seine Kollegen vom HSV die Partie einigermaßen lang offen halten können.

 

Dennoch kann es passieren, dass der HSV verliert. Und auch, dass die unangenehmen Aufgaben anschließend bei der Hertha und gegen den VfB Stuttgart hochstilisiert werden zu entscheidenden Partien für die Zukunft von Markus Gisdol – dieses Szenario ist absolut vorstellbar. Gestern hatte Sportchef Jens Todt dazu klar Stellung bezogen, ebenso wie Vorstands-Chef Heribert Bruchhagen heute im „kicker“. Tenor: Es gibt keine Trainerdiskussion.

 

Markus Gisdol reagierte auf diese Rückendeckung heute selbstbewusst: „Die Aussagen wundern mich nicht. Wir arbeiten vom ersten Tag an eng zusammen, so wie jetzt. Wir haben ein großes Vertrauensverhältnis aufgebaut. Insgesamt ist es – vielleicht – eine ungewohnte Situation in Hamburg. Das war glaube ich, in der Vergangenheit manchmal anders. Aber es tut allen Beteiligten gut.“ Insbesondere dem Trainer, denn Rückendeckung von oben, die glaubhaft vorgetragen wird, stärkt auch das Standing des Coaches in der Mannschaft. Dauerhaft wird es allerdings ohnehin nur durch Punkte in der Bundesliga gestärkt.

 

Dabei hilft die realistische Selbsteinschätzung. „Die Herausforderung tut sich in dieser Saison vielleicht etwas höher auf, als wir es uns gewünscht hätten“, sagte Markus Gisdol. Mit anderen Worten: Dass die Hamburger nach jetzt acht Spielen erneut mit dem Rücken zur Wand stehen würden – insbesondere nach dem Saisonstart mit zwei Siegen -, hatte der Verein nicht erwartet. Gisdol sagt aber: „Ich bin überzeugt, dass wir da gut durchkommen. Wir sind sehr eng und sehr geschlossen, das gibt uns Stärke und Gelassenheit und das Bewusstsein, dass wir die Situation meistern.“ Zur ehrlichen Einschätzung gehört allerdings auch, dass nicht etwa die vergangenen, erfolglosen Wochen der Ausreißer (nach unten) waren, sondern die ersten beiden siegreichen Wochen (nach oben). Die Vorbereitung lief nicht rund, es gab Transfermisstöne und unangenehme Verletzungen, Kühne-Interview und Finanz-Diskussionen. Alles in allem Zutaten für eine Bundesliga-Mannschaft, die Probleme bekommen könnte. So wie es jetzt eingetreten ist. Und dagegen gilt es sich nun zu stemmen.

 

Gisdol weiter: „Wir hatten immer Respekt vor der Situation. Du musst ja Tatsachen in die Augen schauen. Die Situation ist eng. Dass wir uns immer in diesem Bereich befinden, im hinteren Mittelfeld, vielleicht auch hinten reinrutsche können, das war klar. Wenn wir uns lösen können, umso schöner. Aber vielleicht müssen wir einen Zwischenschritt einlegen.“ Einen Zwischenschritt in dieser Saison, ehe nachhaltig Besserung einsetzt und der HSV Transferwünsche nicht mehr unerledigt liegen lassen kann. Wir kennen das ja.

 

Die Bayern haben die Champions League hinter sich und eine Leipzig-Doppelschlag-Woche (Pokal und Liga) vor sich. „Auf uns wartet eine schwierige Aufgabe“, meint Markus Gisdol. Kann mal wohl sagen.

 

Lars

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.