Marcus Scholz

19. April 2020

Morgen ist noch mal frei. Für die Spieler. Und während die Sportminister Deutschlands über etwaige Lockerungen für den Breiten- und Amateursport konferieren, haben die Trainer und die HSV-Offiziellen eine Menge zu tun. Kaderplanung in Zeiten der Coronakrise - es gibt leichteres. Zudem stehen diese Woche weitere Termine mit DFL und Bundesregierung an. Okay, Letztgenanntes wiederum für die DFL im Auftrag der 36 Bundesligaklubs. Aber vom Ergebnis dieses Gespräches könnte maßgeblich abhängen, ob und wann die Saison für den HSV fortgesetzt werden darf. Vor allem aber wird es darum gehen, dass etliche Klubs (auch Werder Bremen soll akut insolvenzgefährdet sein) wirtschaftlich gerettet werden könnten. Mit Geisterspielen - so viel steht fest. „Uns geht es vor allem darum, dass wir nicht von der Couch aus eine Saison beenden wollen“, hat mir Tom Mickel heute noch einmal gesagt. Der Keeper, der heute seinen 31. Ehrentag feiert, hat uns im Videochat einmal einen Einblick in das Training unter Sonderbedingungen gegeben und dabei noch einmal deutlich gemacht, dass man zwar schon mit Kleinigkeiten in diesen Zeiten zufrieden sei und diese Sonderbedingungen sehr zu schätzen wisse - aber eben auch, dass der Fußball in Wettkampfform fehlt.

Und ja, das tut er. Er ist aus meiner Sicht weiterhin sozial nicht als primär einzustufen, aber er fehlt. Und er wird weiter heiß diskutiert, wie wir gestern an dieser Stelle ausführlich besprochen haben. Was dabei nicht zum Ausdruck kam, ist, dass eine Fortsetzung mit Geisterspielen auch sportlich Auswirkungen haben wird, die zu Diskussionen führen werden. Natürlich sei es ein Vorteil, wenn man die eigenen Zuschauer hinter sich habe, so Mickel, der als Beispiel Dynamo Dresden nahm. Und ich bleibe einfach mal exemplarisch für viele Teams bei den Sachsen, da es sich gerade anbietet. Schaut man sich die Tabelle an, erkennt man, dass es für Dresden um alles geht. Tabellenplatz 18, nur 24 Punkte, knallharter Abstiegskampf bei vier Punkten Rückstand auf den rettenden 15. Tabellenplatz. „Die Stimmung da ist brutal“, weiß Mickel aus eigener Erfahrung. Der Umstand, dass man diese Saison eventuell im Geisterspiel in Dresden antritt, wertet er nicht als Nachteil für den HSV - sondern als Vorteil.

Geisterspiele: Vorteil für spielstärkere Mannschaften?

Ebenfalls auffällig: Ganze 17 der 24 Punkte holten die Dresdener zuhause. Durchschnittlich mehr als die anderen Teams im Abstiegskampf. Bei einem Fassungsvermögen von 32.000 Zuschauern kamen im Schnitt etwas mehr als 27.000 zu jedem Heimspiel. Zum Vergleich: Wehen Wiesbaden (5280 Zuschauer im Schnitt), Karlsruhe (13.158 Zuschauer) und Bochum (17.334) kämpfen mit deutlich weniger Unterstützung. Zahlenmäßig wie lautstärketechnisch. „Es würde etwas ganz anderes werden in Geisterspielen“, sagt Mickel. Und auch ich glaube, dass die Geisterspiele für die spielstärkeren Teams im Zweifel eher einen Vorteil darstellen. Sie spielen plötzlich nicht mehr wie der HSV vor dauerhaft ausverkauften Stadien gegen Fans an, die ihr vermeintlich unterlegenes Heimteam nach vorn brüllen. Allerdings wird es auch für die vermeintlich spielstärkeren Teams eine Herausforderung, sich immer wieder hochzufahren. „Die Atmosphäre gegen einen kann man auch sehr gut zur Eigenmotivation nutzen“, so Mickel.

 

Es wird auf jeden Fall interessant, wenn sich die 36 Profiklubs das nächste Mal via Videokonferenz zusammenschalten, um über den Ablauf zu sprechen. Anzunehmen ist hierbei, dass man letztlich auf Schadensminimierung im finanziellen Bereich setzt und sportliche Aspekte in Kauf nimmt. Letztlich müssen alle mit einer Situation umgehen, die gänzlich unbekannt ist. Noch spannender aber wird, ob dieser Akt der Solidarität, unter welchem letztlich alle 36 Profiklubs einem abgestimmten Fortsetzung zustimmen wollen/werden, auch im Anschluss hält. Die Frage wird sein, ob hier wie in allen anderen Ligen nachträglich Klagewellen derer drohen, die nicht das erwünschte Ergebnis erzielen und sich aus irgendeinem Grund benachteiligt oder zumindest um einen Vorteil (s. Dynamo Dresden) gebracht fühlen. Es bleibt auf jeden Fall spannend.

Rautenperle-Leser widersprechen „Fanszene Deutschland"

In unserer „Frage der Woche“ hatten wir zuletzt die Geisterspiele thematisiert. Ob sie Fluch oder Segen würden. Und 85 Prozent haben sich für Geisterspiele als Lösung für den Fußball ausgesprochen. Ein deutliches Ergebnis, das der Meinung der Fanszene Deutschland (siehe dazu auch Kommentar unten) widerspricht.

Aber das nur in aller Kürze, weil wir heute das Glück hatten, an seinem Geburtstag mit Tom Mickel einen Profi aus dem Team zu Gast gehabt zu haben, der mal aus der Sicht der Profis über die aktuelle Situation spricht. In diesem Sinne, bis morgen. Da melde ich mich wieder um 7.30 Uhr pünktlich mit dem MorningCall bei Euch. Genießt den sonnigen Abend - und bleibt gesund!

Scholle

 

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.