Marcus Scholz

9. Mai 2020

Der HSV hat sein erstes Spiel seit der Coronapause absolviert - wenn auch nur per internem Test elf gegen elf im Volksparkstadion. Aber endlich wurde wieder der Wettkampfmodus gelebt - eine Art Generalprobe vor dem ersten Spieltag der Saisonfortsetzung am kommenden Sonntag bei der SpVgg Greuther Fürth. Insofern ist der HSV sportlich auf dem Weg zurück Richtung Normalität - wenn man die Fortsetzung mit Geisterspielen denn so nennen darf. Ich persönlich freue mich auf Fußball, aber mit mehr als nur einem Magengrummeln. Wobei dieses Gefühl nicht allein auf den Moment abzielt, sondern vor allem auf die Zeit danach. Denn ich bin mir sicher, dass der Fußball in seiner jetzigen Struktur früher oder später scheitern wird oder sich komplett in die Hand von finanzstarken Investoren gibt. Auf der anderen Seite muss ich anerkennen, dass alle mehr oder weniger denkbaren Gegenmaßnahmen einfach nicht realistisch sind. Der Fußball befindet sich in einer Sackgasse - nur aufgeben mag ich einfach nicht. Diese Haltung hat bei der/dem einen oder anderen offenbar dazu geführt, dass sie/er meine Haltung nicht gänzlich nachvollziehen konnte. Als Beispiel hierfür habe ich den Blogpost von „Letorge“ genommen, um anhand dessen noch einmal zu erläutern, warum ich glaube, dass der Fußball gar keine Wahl hat, als eine 180-Grad-Drehung hinzulegen. Der Versuch einer Antwort als Erklärung:

 

Wow, Scholle werde doch mal bitte konkreter was soll uns so eine Formulierung sagen "Hier hat der Darwinismus in seiner hässlichsten Gestalt schon größtmöglichen Schaden angerichtet"? Wenn das Prinzip des Wettkampfes in der Bundesliga darwinistisch darauf ausgelegt ist, dass die Großen (starken) stets die Kleinen (Schwachen) fressen, dann werden wir das Rad der Überteuerung in der Bundesliga in einem Bereich auch nur im Ansatz zurückdrehen können. Und noch mal ganz deutlich: Ich glaube angesichts der letzten Erfahrungen nicht daran, dass das überhaupt realistisch ist. Aber der Versuch ist unvermeidbar, wenn man die Tendenz hin zu Eigentümer-geführte Klubs umkehren will, da die finanziellen Grenzen schon lange überschritten sind. Die Corona-Krise hat doch noch einmal per Brennglas verdeutlicht, dass eben nicht alle Klubs in der Lage sind, Rücklagen zu bilden. Zumindest nicht, ohne die eigene sportliche Wettbewerbsfähigkeit zu riskieren. Und dabei spreche ich nicht nur von den SC Freiburgs, Wehen Wiesbadens und Sandhausens dieser Welt - sondern auch vor so traditionsreichen Klubs wie den HSV, Werder Bremen und Co., die allesamt in den letzten Jahren vor allem finanziell ins Straucheln geraten sind. Teilweise standen/stehen sie aktuell vor Zahlungsunfähigkeiten, die nur durch die  Saisonfortsetzung und die Auszahlung der TV-Millionen vermieden werden können. Ergo: Nachhaltigkeit geht hier nicht nur zu Lasten des aktuellen Aufrüstens, sondern es geht immer bis an die Grenze der Zahlungsunfähigkiet - und darüber hinaus

.großtmöglicher Schaden, wo denn? Die Frage verstehe ich tatsächlich nicht. Angesichts der letzten Wochen, in denen die Existenz des deutschen Profifußballs komplett auf dem Spiel stand, ist doch zu erkennen, dass diese Form des Wettbewerbes ebenso krank und instabil wie kaum mehr zurückzudrehen ist. Oder siehst Du das anders? Die Vereine, die nach oben wollen, gehen inzwischen „all in“ und hoffen auf den Sprung an die großen Töpfe, die die DFL und der DFB den großen Klubs vorbehält. Und das immer mit dem Risiko, dass sie die Kosten auf dem Weg zum Erfolg auffressen, bevor sie an die TV-Millionen kommen. Gerade in dieser Coronakrise ist noch einmal deutlich geworden, wie wenig Wert DFB und noch weniger DFL auf die unteren Ligen legen. Anstatt den Wettbewerb in Deutschland gerecht zu fördern und bei Verteilungen eben auch an die kleinen Klubs zu denken, werden die Reichen reicher, die Armen ärmer. Das zieht sich übrigens von der Jugend bis zum den Profis. Denn auch in der Jugend werden finanzielle Hürden aufgebaut, die es kleinen Vereinen selten ermöglichen, den sportlichen Erfolg auszuleben. Und dadurch zentrieren sich die Talente immer mehr auf die wenigen Großen in diesem „Business“. Ich bin mir tatsächlich sicher, dass die DFL und der DFB kein Interesse daran haben, die Breitensportvereine im Leistungsbereich zu haben. Und ich bin mir sicher, dass das Interesse der DFL auf den Glanz der jeweiligen Klubs samt deren Fan-Potenzial ausgerichtet ist. Die DFL sieht alles aus Vermarktersicht. Und daraus macht sie ehrlich gesagt auch kein Geheimnis.

Meinst du dies populistische Personenbashing ob Kalou oder Baumann, hilft irgendwie weiter. Es geht doch um systematische Probleme im Profifußball und nicht um Personen. Da bin ich komplett bei Dir. Und ich stelle hier gern auch noch mal meinen Kommentar von vor zwei Wochen rein, um Dir zu zeigen, dass ich das Gesamtkonstrukt meine, wenn ich mit Einzelbeispielen wie Kalou, Baumann, Rummenigge, Watzke oder anderen Mitstreitern komme. Wenn Du das populistisch nennst, okay. Ich nenne das Grundhaltung, die ich an Beispielen nur exemplarisch skizziere. Und die werde ich weiter vertreten. Denn ich bin mir sicher, dass ein Kalou mit dieser Art kein Einzelfall ist - sondern nur der Einzige, der so doof war, das zu veröffentlichen. Und auch Baumann, dessen Gejammer für mich an Dreistigkeit ob der Gesamtsituation nicht zu ertragen ist, wird nicht allein bleiben. Spätestens dann, wenn Vereine gefährliche Tendenzen bei sich ausmachen, werden sie versuchen, sich irgendwie Vorteile zu verschaffen, um die sportliche Entwicklung auszugleichen. Sowohl oben als auch unten in der Tabelle. Und das werde ich weiter genau so benennen. Auch, wenn ich mir damit beim HSV im Vorstand oder anderswo keine Freunde mache.

 

Wo liegen denn konkret deiner Meinung nach die Probleme im Profifußball und was soll sich ändern? Die Probleme sind von Klub zu Klub zu betrachten, logisch. Der HSV beispielsweise hatte in den letzten Jahren mehr Geld zur Verfügung als beispielsweise der SC Freiburg, Mainz oder andere Erstligisten, die gesund funktionieren. Hier wurde einfach grausam gewirtschaftet, in die eigene Tasche gearbeitet und verantwortungslos eingekauft. Wäre Geld = Erfolg die Gleichung, müsste der HSV erstklassig spielen und dabei auch noch im oberen Drittel spielen - und nicht in der Zweiten Liga. Ergo: Jeder muss zuallererst vor der eigenen Haustüre kehren. Aber dabei darf man eben auch nicht vergessen, dass der Profifußball insgesamt ein anderes Kernproblem hat. Er hat eine Preisschiene erreicht, die dazu führt, dass alle Vereine am Limit leben - bis auf die ganz wenigen Topklubs, die sich immer weiter absetzen. Diese Entwicklung wird einen Teil der kleinen Vereine die Existenz zerstören - und ich befürchte auf lange Sicht, dass sie dazu führen wird, dass es für Investoren immer leichter wird, mit großen Scheinen zu locken und Klubs zu übernehmen.

Zu Deiner Frage, was man dagegen unternehmen kann: Eine Reaktion hierauf kann nur funktionieren, wenn sie von ganz oben bis nach ganz unten gilt. Soll heißen: Es muss von der Fifa über die Uefa bis in die einzelnen Verbände Regelungen geben, die Ablösesummen abriegeln, Gehaltsobergrenzen einführen oder wenigstens einen Finanz-Schlüssel aus Einnahmen und Ausgaben schaffen. Problem hierbei sind - und das werden sie auch bleiben - Inhaber-geführte Klubs, deren Inhaber jedes Jahr zig Millionen reinwerfen. Wer zum Beispiel kann einem Kühne verbieten, im kommenden Jahr statt vier Millionen Euro rund 20 Millionen Euro pro Jahr für den Stadionnamen zu zahlen? Wer kann es ihm verbieten, dem HSV ein Darlehen in Milliardenhöhe zu geben (mal komplett übertrieben formuliert)? Niemand. Bis jetzt. Und obwohl ich wirklich überhaupt nicht daran glaube, dass es realistisch ist, das umzusetzen: Vielleicht wäre das alles auszuhebeln, wenn man Gehalts- und Ablöse-Obergrenzen einführt.

 

Ist es damit getan auf die extremen Gehälter und Ablösesummen zu verweisen und diese anzuprangern? Man sollte dann auch erwähnen dass die Gehälter vom Gesamtbudget einen immer geringeren Anteil haben in den letzten Jahren. Das halte ich für ein Gerücht. Die Gehälter der Profis steigen immer weiter - wenn auch gerade mal nicht beim HSV. Aber wer die Neuer-Diskussion mitbekommen hat, der wird spätestens jetzt erahnen können, in welchen Gehalts-Sphären sich die deutschen und noch mehr die europäischen Topklubs befinden. Dennoch ist es natürlich nicht allein damit getan, die hohen Gehälter und Ablösesummen anzuprangern. Aber sie waren und sind der zentrale Punkt in den Ausgaben der Klubs. Von daher sollte - nein: muss man dort ansetzen.

Ist es realistisch zu fordern die Vereine sollen sich nicht mehr in Abhängigkeit mit den TV-Einnahmen begeben wenn diese doch Haupteinnahmequellen sind. Nein, so natürlich nicht. Aber wenn all die Punkte (oder zumindest die wesentlichen), die ich in den obigen Antworten genannt habe, umgesetzt würden, bestünde Hoffnung. Hoffnung auch darauf, dass die TV-Anstalten plötzlich gar nicht mehr so viel bezahlen müssten und öffentlich-rechtliche Sender wieder mitbieten könnten. Das würde die DFL nicht gut finden, da sie auf Provisionsbasis zentral vermarktet. Aber der allgemeine Fan könnte wieder Fußball gucken und das öffentliche Interesse  in Form von Zuschauerquoten würde steigen. Das wiederum würde den Klubs auf dem Werbemarkt (mehr Sichtung der Werbung = höhere Einnahmen) neue Möglichkeiten verschaffen, sich selbst zu vermarkten und Sicherheiten anzulegen für die nächste Pandemie (die es hoffentlich nicht gibt).

 

Ich sehe viele Dinge auch kritisch nur diese populistische Herangehensweise ist mir zuwider, klingt bestimmt in vielen Ohren gut da vollmundig Formuliert. Ich respektiere Deine Meinung wirklich, ich kann diese aber in diesem Fall absolut nicht teilen. Ich finde meine Herangehensweise nicht populistisch, freue mich aber darüber, wenn sie viele teilen. Aber selbst wenn nicht - ist das noch immer meine Meinung, von der ich hoffe, sie zumindest Dir heute hier in dieser Antwort ausreichend ausführlich und nachvollziehbar erläutert zu haben.

In diesem Sinne, bis morgen. Euch allen noch einen richtig schönen Abend! Und vor allem: bleibt gesund!

Scholle

 

*****UPDATE 20.05 Uhr: Dynamo Dresden muss Spiel in Hannover wegen neuer Corona-Erkrankungen absagen****

Das Kartenhaus Saisonfortsetzung ist eine Woche vor Aufnahme der Spiele mächtig ins Schlingern geraten. Wie die SG Dynamo Dresden mitteilt, sind bei Tests zwei weitere Spieler positiv auf das Corna-Virus COVID-19 getestet worden. Daraufhin erließ die Stadt Dresden, dass die komplette Mannschaft für die nächsten 14 Tage in Quarantäne und das Spiel am kommenden Wochenende in Hannover abgesagt werden muss. Die Pressemitteilung der Dresdner im Wortlaut HIER

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