Marcus Scholz

16. März 2020

Gerade einmal acht Medienvertreter hatten es nach Frankfurt geschafft, um dort im Anschluss an das Treffen der 36 Profiklubs mit den Verantwortungsträgern der DFL der Pressekonferenz mit DFL-Boss Christian Seifert beizuwohnen. Sie stellten die Fragen und hörten, dass die Profiklubs der Empfehlung der DFL, den Ligabetrieb bis 2. April ruhen zu lassen, folgen würden. Und das sogar einstimmig. Somit fällt nach dem 26. Spieltag auch der 27. Spieltag, der zwischen dem 20. und 22. März angesetzt war, aus. Wegen der anschließenden Länderspielpause ruht der Ligabetrieb bis 2. April.

Ob danach der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden kann, soll in der Woche ab dem 30. März auf einer weiteren Sitzung mit allen 36 Profiklubs (für den HSV waren die Vorstände Jonas Boldt und Bernd Hoffmann vor Ort) entschieden werden. Um hier wiederum einen reibungslosen Entscheidungsablauf garantieren zu können, beschloss die DFL einen „Notfall-Paragrafen“, der sicherstellen soll, dass die DFL beschlussfähig bleibt, auch wenn Vereins-Vertreter im Zuge der Corona-Krise nicht mehr reisen dürfen.

Keine Entscheidung - viel Rauch um nichts?

So scheint es. Zumindest blieb die DFL-Tagung erwartungsgemäß ohne klare Entscheidung - lediglich ein (nicht einmal neuer) Arbeitstitel wurde vergeben: „Alles versuchen, auch wenn es unwahrscheinlich erscheint“. Wann der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden kann, hängt laut DFL-Boss Christian Seifert aber auch von der Uefa ab, die sich am morgigen Dienstag trifft, um über das weitere Vorgehen in der Champions- der Europa League sowie der EURO 2020 zu beraten und zu entscheiden. Auch das war vorher bekannt. Fraglich ist für mich, weshalb die DFL ihr Treffen nicht auf den Tag nach der Uefa-Sitzung gelegt hat. Zumal bei der EM weiterhin eine Verschiebung im Raum steht. Zudem gab Seifert selbst zu Protokoll: „Dann wird deutlicher, welche Optionen wir noch hätten, um eine Saison zu Ende zu bringen.“ Ergo: Viel Rauch um nichts.

Klarheit gab es heute in Sachen Geisterspiele. Die seien unumgänglich, wenn man die Saison in irgendeiner Form noch regulär zu Ende bekommen wolle. Geisterspiele seien kurzfristig die einzige Überlebenschance. Seifert: „Deshalb bitte ich um Verständnis und Unterstützung, dass wir darüber nachdenken müssen.“ Zumal bekannt ist, dass ein längerfristiger Ausfall des Liga-Spielbetriebes etliche Vereine durch das Wegbrechen von TV- und Zuschauereinnahmen sowie der Sponsorengelder in existenzielle Nöte bringen würde.

Mit anderen Worten: Die Finanzen entscheiden

Denn wenn eines von Seifert heute klar gemacht wurde, dann, dass der Fußball in seiner jetzigen Form vor allen Dingen ein Business ist. Nichts Neues, werden jetzt viele sagen. Aber nur die wenigsten können sich mit den Konsequenzen dieser Erkenntnis anfreunden. Denn sobald man diesen Umstand anerkennt, löst man sich automatisch von der Romantik der Kurve. Dann muss man dem Entschluss der DFL und seiner Mitglieder von heute folgen und anerkennen, dass der Versuch einer Fortsetzung mit allen legalen und die Öffentlichkeit nicht gefährdenden Nebenwirkungen angenommen werden muss, auch wenn es dem Fußball der letzten 57 Jahre vorübergehend die Atmosphäre entzieht. Stichwort Geisterspiele.

Ich habe mich gestern mit einem privaten Tweet nicht wirklich beliebt gemacht bei einigen HSV-Anhängern, da ich die Haltung von Ultra-Feind Nummer eins Dietmar Hopp gegenüber US-Präsident Trump gelobt habe. Ich habe den Nichtverkauf seiner Firma an die USA in einen Kontext gestellt zu den Anfeindungen. Denn ironischerweise könnte es Hopps Firma CureVac sein, die mit dem Impfstoff und dem Nichtverkauf desselbigen letztlich eine Fortsetzung des Bundesligafußballs zumindest beschleunigt und einen Teil der Vereine rettet, auf deren Tribünen Fadenkreuze mit seinem Konterfei neu sehen waren. Reaktion: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Kann man so sehen  - ich sehe es anders…

Den Klubs drohen massenhaft Entlassungen

Ich kann niemanden verteufeln, um mich auf der anderen Seite über seine Hilfe zu freuen. Aber okay, ich wollte mit diesem Beispiel eigentlich nur unterstützend beschreiben, wie sich der Fußball von heute unwiderruflich kommerzialisiert hat. Abgesehen von den fünf, sechs Topklubs kann kein Profiklub von sich behaupten, nicht auf die TV-Millionen angewiesen zu sein. Alle haben hinter diesen Einnahmen Schicksale von ligenweit geschätzt 60.000 Mitarbeitern, denen Entlassungen drohen, wenn diese Einnahmen wegfallen. Schon deshalb kann ich mich dem allgemeinen DFL-Gebashe nicht anschließen. Zumindest erachte ich die schonungslose Offenlegung des Kommerzgedankens von Seifert heute im Zusammenhang mit der Entscheidung, alles für eine Fortsetzung der Saison zu versuchen, als unschön und jede Romantik zerstörend - aber eben auch als ehrlich.

Und nur so kann der Fußball in der alten Form überleben, wenn sich die Corona-Krise weiter zuspitzt. Mögliche Staatshilfen für die 36 Profiklubs waten heute in Frankfurt noch kein Thema. Seifert: „Es geht zunächst darum, dass sich die Klubs einen Überblick verschaffen, wie es im Falle von wirtschaftlichen Extremszenarien ausschaut. Sie müssen den Überblick bekommen, wie lange sie ohne Spiele durchhalten", sagte Seifert. Die Ergebnisse dürften dann bei der nächsten Sitzung (mit dem Hintergrund der Uefa-Entscheidung) Ende März/Anfang April mit einfließen und sicherlich weitere Entscheidungen maßgeblich beeinflussen.

Thema Boldt/Hoffmann beschäftigt Aufsichtsrat

Auch seitens des HSV, der zuletzt betont hatte, dass man wirtschaftlich keine Liquiditätslücke befürchte, trotz knapp 20 Millionen fehlender Einnahmen. Intern werden morgen alle Verantwortlichen zzgl. Mannschaft zusammenkommen und das weitere Vorgehen besprechen. Für morgen wird eine Sondergenehmigung erwartet, trainieren zu dürfen. Offen ist aber, ob das schon morgen passiert.

Zudem trifft sich der Aufsichtsrat am Donnerstag und wird neben den aktuellen Themen rund um die Saisonfortsetzung, die DFL und Corona vor allem auch ein internes Thema auf der Agenda haben: Den Streit zwischen Vorstandsboss Bernd Hoffmann mit seinen Vorstandskollegen Jonas Boldt und Frank Wettstein, den mein Kollege Christian Hoch letzte Woche anlässlich des Abendblatt-Artikels aufgenommen hatte - und dafür tatsächlich hier von vielen Leserinnen und Lesern abgestraft wurde. Denn auch hier scheinen noch immer sehr viele alle unangenehmen Wahrheiten lieber leugnen zu wollen, als sich damit auseinanderzusetzen.

Fakt aber ist, dass  sich dieser interne Zwist seit Monaten zugespitzt hat und sich inzwischen sogar bis in den Aufsichtsrat und das Vereinspräsidium trägt. Wie 2009 hat sich intern längst der Kampf der Hoffmann-Befürworter mit den Hoffmann-Gegnern eingestellt. Er ist intern nicht einmal mehr ein offenes Geheimnis - er ist tatsächlich allen bekannt. Aber dazu mehr, wenn sich endlich einer der vielen Verantwortungsträger traut, das Thema nicht immer nur im Hintergrund zu besprechen und vereinsschädigend vor sich hin schwelen zu lassen, sondern es auch laut ausspricht.

Bis dahin wünsche ich Euch allen erst einmal einen schönen Abend. Und so sehr es auch immer wie eine Floskel in den MorningCalls (morgen wieder pünktlich um 7.30 Uhr online!) rüberkommen mag, ich meine es sehr ernst, wenn ich sage: Bleibt gesund! Denn das ist und bleibt tatsächlich wichtiger als alles andere…

Scholle

P.S.: Die Ausschreibung für die TV-Rechte der DFL soll übrigens wie geplant weitergehen. „Wir haben heute die Unterlagen wie geplant verschickt“, so Seifert, der betonte, dass „sehr viele Bewerber“, signalisiert hätten, dass sie gerne an dem Prozess festhalten möchten. „Deshalb haben wir heute die Unterlagen verschickt.“ Die Bundesligarechte werden für die Spielzeiten 2021/22 bis 2024/25 vergeben. Die eigentliche Auktion soll nach den bisherigen Plänen am 27. April beginnen und die Vergabe am 11. Mai abgeschlossen sein. Ob dieser Zeitplan so einzuhalten sei, ließ Seifert heute bewusst offen.

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