Marcus Scholz

16. November 2020

Manchmal geht es dann sogar noch viel schneller, als man denkt. Erst am Sinnabend hatte ich Euch noch mal geschrieben, was die Allermeisten bis dahin ja auch schon ahnten: Der HSV plant, weitere Anteile zu verkaufen, um sich so eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit zu verschaffen. Unser Blogfreund Dr. Olaf Ringelband hat es ja über die wissenschaftliche Ausarbeitung der drei Forscher anschaulich gemacht, wie simpel manchmal Erfolgsrezepte aussehen können. Sportlich zumindest. Allein finanziell scheint der HSV auch weiterhin nicht den richtigen Weg gefunden zu haben.  Die Umfirmierung in eine KGaA, die ich Euch am Sonnabend schon angedeutet hatte, wird inzwischen ganz offen beworben.

 

Im Abendblatt wird neben HSV-Boss Frank Wettstein und Marcell Jansen sogar schon der Expertenrat von außen zitiert Marcus Silbe, Chef des Analysehauses FMR Frankfurt Main Research. Der Finanzexperte hält das KGaA-Modell für „strukturell gut umsetzbar, transparent und hilfreich bei der Suche nach Investoren. Die Fans dürfen nicht den Eindruck gewinnen, dass nur ein Modell gesucht wird, bei dem Herr Kühne wieder zuschlagen kann. Für den HSV wäre es wichtig Investoren zu finden, die nicht versuchen bei operativen Entscheidungen mitzumischen. Es gäbe dem HSV die Möglichkeit, finanziell wieder stärkere Kraft zu entwickeln.“ Es sei denn, die Verantwortlichen verschleudern das Geld wieder ohne jeden Erfolg – dann hilft auch das beste Modell nichts.

Bislang lebt der HSV auf Pump - immer wieder

Interessant an der ganzen Struktur ist, dass der HSV gerade im Bereich Finanzen die höchste Konstanz aufweist. Seit zehn Jahren in Folge erzielt man bilanziell Negativergebnisse – diesmal vom Faktor Corona gekennzeichnet. Wie jedes Jahr gibt es auch diesmal äußere Gründe, die dazu führen, dass der HSV kein ausgeglichenes oder gar positives Geschäftsergebnis erzielen konnte. Formuliert von Frank Wettstein, der die bereits eingeleitete Abwärtsspirale seit 2014 erfolglos versucht aufzuhalten. Dennoch ist Wettstein der einzige Vorstand, der seither im Amt geblieben ist. Dietmar Beiersdorfer, Heribert Bruchhagen, er selbst interimsweise und Bernd Hoffmann hatten das Amt seit 2014 inne. Aktuell teilen es sich Wettstein und Sportvorstand Jonas Boldt. Offenbar scheint der finanzielle Sinkflug des HSV nicht besser in den Griff zu bekommen als mit Wettstein. Zumindest scheinen alle seither Verantwortlichen in den Aufsichtsräten dieser Meinung zu sein.

Und egal was man auch immer über Wettstein denken mag, er weiß die negativen Geschäftsergebnisse seit jeher gut zu verkaufen. Er ist findig, wenn es darum geht, neue Wege für neue Gelder zu finden. Leider sind es zumeist nur geliehene Gelder. Oder Einnahmen, die vorfinanziert werden. Letzter Coup: Der Grundstücksverkauf des Stadiongeländes, der 2021 ausgezahlt werden soll. 23,5 Millionen Euro, mit denen die Mindereinnahmen aus 17 Heimspielen unter Zuschauerausschluss (Pro Partie gehen 1,5 Mio. Einnahmen verloren) ausgeglichen werden können. Allerdings stecken hinter den 23, 5 Millionen Euro der Stadt ebenso wie bei der Fan-Anleihe und anderen Darlehen Bedingungen, die den HSV auf lange Sicht vor neue Probleme stellen werden.

 

Meine Frau hat im Zuge eines Gespräches über die Corona-Maßnahmen ein sehr schönes Bild entworfen, das auch sehr gut auf den HSV zutrifft. Sie sprach davon, dass die Bundesregierung einen riesengroßen Besen vor sich herschiebt, der den Boden vor den eigenen Füßen sauber hält – der aber zugleich den Schmutzberg vor dem Besen immer größer werden lässt – bis er umkippt. Tauschen wir einfach „Schmutz“ mit „Verbindlichkeiten/Schulden“ – und wir sind bei dem HSV, den ich aktuell sehe. Denn ich befürchte, dass der HSV noch immer keinen stringenten Plan hat, wie man dieser Entwicklung erfolgreich entgegenwirkt. Der Umstand, dass man jetzt plant, über weitere Anteilsverkäufe Gelder zu akquirieren zeigt mir nur, dass der eigene Laden seit der Ausgliederung 2014 nicht nur künstlich verteuert wurde – sondern noch immer nicht den Möglichkeiten angepasst wurde.

Unser User „Abraeumer“ hat es gut zusammengefasst

Unser User „Abraeumer“ hat das Problem in seinem Top-Kommentar durchaus treffend zusammengefasst. Ich kann diesen Post auf jeden Fall in großen Teilen empfehlen. Auch den Schluss, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, um über Anteilsverkäufe zu diskutieren. Denn dafür steht der HSV zu schwach dar. Vielmehr ist jetzt der Moment, wo sich der HSV endlich mit Bordmitteln beweisen muss. Ohne Geld auf Pump, sondern mit intelligenter Nachwuchsarbeit und bestem Scouting. Dass das bis hin zur Konkurrenzfähigkeit in der Ersten Liga funktionieren kann, beweist der SC Freiburg Jahr für Jahr. Wobei, nein: Der SCF hat sich in seiner Grundausrichtung klarer zur Region bekannt.

Der SC Freiburg macht das, was der HSV mehr als ein Jahrzehnt vernachlässigt hat, weil er dachte, er könnte mit „Global Player“-Sponsoren die Fußballweilt erobern. Zumindest hat die klubeigene Marketingabteilung unter der Leitung endlich angefangen, die Hamburger Unternehmen nach und nach zurückzugewinnen. „Back to the roots“ heißt es – zurück zu den Wurzeln. Ein Weg, der längst überfällig war und der zwingend und deutlich intensiviert weitergegangen werden muss. Zugegeben, ich habe das ja schon häufiger gesagt. Und ich sage es hier und heute nur deshalb noch einmal in derartiger Deutlichkeit, weil ich hoffe, dass die Marketingabteilung des HSV unter Direktor Henning Bindzus diesen Weg zusammen mit Klubpräsident Marcell Jansen und Co. weitergeht. Ich hoffe, dass man sich diesmal nicht wieder von schnellen Investorenmillionen blenden lässt und unter Wert verkauft bzw. deutlich über Wert einkauft. Wozu das führt, wissen hier in Hamburg und im Speziellen beim HSV alle nur zu gut …

Sportlich war es heute übrigens ruhig. Leistungstests standen an. Auf den Platz geht es erst morgen wieder. Und wir werden dann natürlich wieder für Euch dabei sein, um Euch davon zu berichten. Bis dahin Euch allen einen schönen Abend!

Scholle

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