Marcus Scholz

14. März 2018

Seit zwei Tagen ist Thomas von Heesen ein wichtiger Bestandteil der Rettungsmission am Volkspark. Er arbeitet im Prinzip im Hintergrund und soll Trainer Christian Titz helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Heute hat von Heesen einen kleinen Einblick gegeben in seine Arbeit, die nach einem Telefonat am Montag mit Vorstand Frank Wettstein starten konnte. Von Heesen, von 1980 bis 1994 Spieler beim HSV und einige Jahre Mannschaftskapitän, sieht seine Aufgabe ganz klar begrenzt auf die nächsten Wochen bis Saisonende. Er werde keine strategischen Gespräche mit Spielern und Beratern treffen was die Zukunftsplanungen angeht. „Das ist nicht geplant und vorgegeben“, sagt der 56-Jährige.

Stattdessen arbeitet von Heesen nah an der Mannschaft. „Ich habe schon viele Gespräche mit den Spielern geführt, um herauszubekommen, wo es klemmt“, sagt von Heesen. Aber alles nur auf die Aufgaben in dieser Saison bezogen. „Wichtig ist, den Spielern wieder den Glauben zu vermitteln. Man darf ja kein Fantast oder Träumer sein, was die Situation angeht. Es geht um den Glauben, mit drei Punkten gegen Hertha noch mal eine Chance zu bekommen. Es ist unsere Aufgabe herauszubekommen, wer unter Druck in der Lage ist, diese Aufgabe anzunehmen.“

Warum macht von Heesen das überhaupt? „Die Blicke der Verantwortlichen“, lächelt der Ex-Aufsichtsrat. „Vorher hieß es ja immer, Bernd Hollerbach habe keinen Ansprechpartner gehabt. Ich weiß aber, wie wichtig es ist, als Trainer diesen Ansprechpartner zu haben. Auf der anderen Ebene gibt es die Unterstützung für Bernhard Peters, der nicht so nah dran ist wie ich. Ich habe ja auch ein Büro unten bei der Mannschaft und versuche, mit allen Beteiligten Lösungsansätze zu finden.“ Und: von Heesen bietet Titz ein zusätzliches Augenpaar, dass den Überblick behalten soll auf das sehr wuselige Treiben in diesen Tagen. 33 Spieler im Auge zu behalten – das sei eine schwierige Sache, sagt von Heesen. „Der Kader ist im Moment sehr groß, und es wird sehr intensiv trainiert. Alle knien sich rein, und ich denke, der Mannschaft macht es im Moment Spaß“, glaubt von Heesen. „Wenn der Kreis der Spieler nun verkleinert wird, werden wir unsere Eindrücke austauschen und dann wird der Trainer die Entscheidung treffen, wer von der Mentalität da ist.“

Aber zurück zu der Frage, warum die Mannschaft über Monate nicht zu Potte kommt. „Der eine oder andere sagt natürlich: wir machen keine Tore“, so von Heesen mit einer Binsenweisheit. „Das nagt an den Spielern. Immer noch und immer wieder. Das muss man aus den Köpfen kriegen und den Spielern vermitteln, dass sich eine neue Situation ergibt. Eine Herausforderung ist immer dazu da, dass man sie annimmt und nicht, dass man wegläuft.“ Ob von Heesen, der alle Trainingseinheiten von Anfang bis Ende verfolgt hat, am Sonnabend gegen Hertha auf der Bank neben Christian Titz sitzen wird, ist noch nicht entschieden. „Diese Entscheidung trifft einzig und allein der Trainer. Wenn er möchte, gerne. Aber wenn nicht, kann ich es auch verstehen und respektiere das total.“

Als der Name von Heesen am Montag aufpoppte, da war auch schnell von den Football-Leaks-Veröffentlichungen aus dem Jahr 2016 die Rede. Im März 2015 war von Heesen demnach gemeinsam mit dem damaligen Vorstands-Vorsitzenden Dietmar Beiersdorfer unterwegs, um Spieleranteile von HSV-Profis an die umstrittene Investmentgruppe ‚Doyen Sports‘ zu verkaufen. Ein Geschäft, das gegen FIFA-Statuten verstoße, heißt es. Dazu stellte von Heesen klar: „In Absprache mit ‚Didi‘ sind wir auf Anfrage von Doyen damals nach London geflogen. ‚Didi‘ hat das Gespräch geführt. Ich hatte keine Handlungsbefugnis und auch keinen Auftrag der Fußball AG. Am Ende hat sich herausgestellt dass das Geschäftsmodell überhaupt nicht in Frage kommt. Punkt.“ Zu dem Zeitpunkt der Gespräche gab es übrigens noch kein endgültiges Verbot der Veräußerung von Spieleranteilen an Dritte, diese Frage war bei der FIFA damals noch in Prüfung, und das endgültige Verbot ist erst einige Monate später in Kraft getreten.

So viel von meinem Freund Lars Pegelow, der den Termin heute Mittag mit von Heesen wahrgenommen hat.

Ich persönlich kenne Thomas von Heesen inzwischen seit einigen Jahren und schätze ihn als absoluten Fachmann. Allemal mehr als viele andere, die öffentlich als solche gefeiert werden. Daher halte ich die Lösung, ihn als erfahrenen Profi als Hilfe für den momentan unterbesetzten Vorstand sowie den noch Bundesliga-unerfahrenen Trainerstab zur Seite zu stellen, für absolut vorbildlich. Endlich einmal sind sich die Leute nicht zu fein, einzugestehen, dass sie eben nicht alles allein können. Und genau das hat in den letzten Jahren immer wieder dazu geführt, dass entscheidende Positionen qualitativ nicht den Anforderungen genügten. Bernd Hoffmann selbst hat das vor der Wahl über sich in seiner ersten Amtszeit gesagt und dient damit offenbar als gutes Beispiel für andere.

Titz jedenfalls macht keinen Hehl daraus, dass er sich über die Expertise von Heesens freut und dankbar dafür ist, ohne dass er den Ex-Profi und Ex-HSV-Aufsichtsrat zum Oberlehrer hochstilisiert. Denn auch das hat schon mal dazu geführt, dass sich der HSV selbst schwächte - man erinnere sich nur an das Duo Zinnbauer/ Peters. Damals hieß es, Peters würde Zinnbauer richtiggehend coachen und dabei sogar Kabinenansprachen filmen, um sie anschließend mit ihm durchzudiskutieren. Ein Szenario, das Zinnbauer nicht guttat und ihm den Ruf einhandelte, nicht autark zu handeln. Dass es in Wirklichkeit alles deutlich weniger dramatisch war und Zinnbauer nicht dauerhaft gecoacht wurde, sondern Peters an verschiedenen Stellen lediglich um Rat bat, ebenso wie es Titz sich sicher auch bei von Heesen nicht nehmen lassen wird – drauf geschissen. Es interessierte damals auch niemanden, da die Geschichte so ja viel interessanter war...

Interessant wird es auch morgen im ersten nicht öffentlichen Training von Titz. Denn da will der neue Cheftrainer seinen Kader von 33 Spieler auf 22 kürzen und damit schon mal einen ersten Einblick geben, wer am Wochenende die besten Chancen auf einen Einsatz hat. Am Freitag dann muss sich Titz festlegen, welche 18 Spieler er mit ins Mannschaftshotel nimmt.

Das Beste an dem Ganzen ist für mich aber, zu sehen, dass plötzlich doch wieder ein Funken Hoffnung wahrgenommen werden kann. Zwar hat sich die Gesamtsituation nicht verbessert, aber seitens der Fans kommt jetzt doch noch mal etwas Kampfgeist auf. Heute hing schon ein Plakat vom OFC „Harburg Vikings“ am Platz, das Mut machen soll. „Wir sind der HSV!!! Wir machen das Unmögliche möglich“ stand drauf – und kam gut an. Zudem wurde zum Spalier aufgerufen, das die Spieler auf dem Weg zum Stadion am Sonnabend noch mal zusätzliche Motivation mit auf den Weg geben soll. Und sogar ein Trainingsbesuch ist geplant. Auch ich wurde heute angeschrieben und bin gern bereit, dem Initiator mit der Veröffentlichung seines Anliegens ein wenig zu helfen. Allerdings gilt es hierfür noch den HSV an sich zu überzeugen, der die Trainingszeiten an den letzten beiden Tagen vor dem jeweiligen Spiel eigentlich nicht öffentlich gestalten will. Mal sehen, wie es sich in diesem speziellen Fall darstellt.

In diesem Sinne, heute waren Nicolai Müller und Albin Ekdal wieder im Training – allerdings beide individuell. Wann sie wieder zum Teamtraining stoßen ist noch nicht abzusehen.

 

Bis morgen!

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