Marcus Scholz

15. Januar 2020

Das Wetter lädt geradezu dazu ein: Strandwetter in Lagos – und die Spieler bekommen trainingsfrei. Dennoch blieben einige Spieler im schönen 5-Sterne-Hotel Cascade. Einige von ihnen spielten Billard, andere Playstation oder Tischtennis. Wieder andere ließen sich behandeln oder nutzten das hauseigene Sp zum Ausspannen. Und auch das Trainerteam hatte sich etwas vorgenommen. Kreisspiel stand auf dem Plan. Genau genommen war es schon Runde zwei, nachdem sich die Trainer und Verantwortlichen gestern schon auf dem hinteren Platz in aller Ruhe die Bälle durch die Beine geschoben hatten. „Super aufregend, das war ein cooler erster Tag“ , freute sich indes einer, der schon sein zweites Trainingslager seit Jahresbeginn absolviert: Neuzugang Jordan Beyer.

Der Defensivspieler aus Mönchengladbach muss seinen Trainingsplan gerade ein wenig umstellen. Bislang war alles auf den 17. Januar ausgerichtet, wenn die Erste Liga startet. Jetzt hat er noch zwei Wochen länger Zeit, bis es wieder ernst wird. Eine Liga tiefer mit dem HSV am 30. Januar gegen Nürnberg. „Ich freue mich auf das erste Spiel im Volksparkstadion. Ich habe auch mal nachgeguckt: 47.000 Zuschauer im Schnitt in der Zweiten Liga, und dazu noch so viele Auswärtsfahrer – das kann sich sehen lassen“, so der 19-Jährige, den der HSV bis Saisonende aus Mönchengladbach ausgeliehen hat.

Beyer sieht den Schritt zurück als persönichen Fortschritt

Vom Tabellenzweiten der Ersten zum Tabellenzweiten der Zweiten Liga – ob er einen Rückschritt gemacht habe, wollte mein Kollege von ihm wissen. Und Beyer machte schnell mit seinen Antworten klar, dass er ein ganz klarer Typ ist. „Das kann man nicht sagen. Persönlich ist es ein Fortschritt, weil ich hier größere Chancen habe zu spielen. Ich freue mich auf die Aufgabe. Und letztlich ist es auch egal, in welcher Liga man spielt, sondern wie man in der Liga spielt. Ich will dem HSV weiterhelfen, auch wieder hoch zu kommen.“

Ab Sonnabend sind es noch genau vier Monate, bis das letzte HSV-Spiel auf dem Plan steht. Beyers Vertrag läuft zwar noch bis zum 30. Juni beim HSV, aber vieles spricht dafür, dass der junge Defensivallrounder nach dem letzten Spieltag gegen Sandhausen in Hamburg seine Zelte abbricht. Eine Kaufoption wurde von Mönchengladbach gar nicht erst angeboten, da man sich beim Tabellenzweiten noch viel von Beyer verspricht. Für den Jungen selbst ist das alles kein Problem.  Er ist froh, dass sich die aussichtslose Situation gedreht hat. „Wir haben uns noch mal mit dem Manager, meinem Berater und meinem Vater zusammengesetzt. Und wir haben gesagt, dass es wahrscheinlich das Beste sein wird, wenn ich noch mal ein halbes Jahr Spielpraxis sammle, da wir in Gladbach eine Top-Mannschaft haben, super Verteidiger haben und es schwer wird für mich auf Einsatzzeiten zu kommen. Daher in Absprache versuchen wir jetzt in Absprache mit dem HSV, dass ich hier möglichst viel Spielpraxis sammele und dann im Sommer gestärkt nach Gladbach zurückgehe. Vielleicht.“

 

Vielleicht? Ob es eine Option für ihn gäbe, auch darüber hinaus in Hamburg zu bleiben? Beyer: „Im Fußball weiß man nie. Ich beschäftige mich auch erst einmal nicht mit dem Sommer, sondern versuche hier jetzt Vollgas zu geben, hier mein Bestes in der Liga zu geben. Eigentlich ist der Plan zwar klar – aber wie gesagt: man weiß ja nie.“ Geprüft hatte der HSV selbstverständlich, ob eine Kaufoption möglich ist. „Ich glaube, wenn das von unserer Seite kein Thema gewesen wäre, hätten wir etwas falsch gemacht“, so Boldt heute. Aber Gladbach blockte nicht nur, sondern gab zwischenzeitlich sogar deutlich zu verstehen, dass Beyer weder zum Verkauf bzw. für ein Verleihgeschäft in Frage käme. Zwischendurch sei der Transfer ausgeschlossen gewesen, sagte Boldt und fügte zum Thema Kaufoption hinzu: „Für uns geht es jetzt erst einmal darum, auf unsere Verletztensituation zu reagieren und das nächste halbe Jahr zu planen.“

HSV ist weiter an slowakischem Angreifer interessiert

Boldt ließ heute auch weiter offen, ob man sich noch weiter verstärkt. Der junge Angreifer Robert Bozenik soll weiter im Fokus der Verantwortlichen sein. Das ist auch ein junger, guter talentierter Spieler“, so Boldt, „und ich habe immer gesagt, dass wir auch gucken ob irgendwo eine Tür aufgeht und wir uns verstärken können – und das dann auch im Rahmen unserer Möglichkeiten.“ Soll heißen: Bozenik bleibt interessant und soll seinerseits interessiert sein, nach Hamburg zu wechseln. Dennoch: Aktuell ist er bei der von MSK Zilina geforderten 5 Millionen Euro Ablösesumme keine realistische Option.

Deutlich greifbarer war für Beyer die Option HSV. Er habe dafür gekämpft, nach Hamburg zu kommen, hatte Boldt heute gesagt. Und Beyer verriet auch, weshalb: „Es ist schon eine besondere Konstellation für mich, da ich das Trainerteam, unter dem ich mein Profidebüt gegeben habe, schon kenne. Es erleichtert es mir einiges. Es ist einfacher, sich hier einzuleben, wenn man das alles schon mal gehabt hat und weiß, wie gespielt wird. Das könnte gut klappen.“ Ob er sich als Innen- oder doch Außenverteidiger sehe? „Das ist mir eigentlich egal. Ausgebildet wurde ich in der Jugend als Innenverteidiger, aber rechts macht auch Spaß. Ich spiele da, wo ich gebraucht werde.“ Was ihn dabei auszeichne? „Ich habe meinen eigenen Stil“, lachte Beyer ein wenig verlegen. Sich selbst zu loben missfiel ihm irgendwie. Dennoch sagte er: „Ich glaube, ich bin ein guter Zweikämpfer, kann fußballerisch auch ein bisschen was. Und ich bin recht schnell.“

 

Qualitäten, die ihm auch von Trainer Dieter Hecking nachgesagt werden. Der HSV-Trainer hatte seinen ehemaligen Schützling schon vor einigen Wochen bei Boldt angepriesen und als seinen Wunschkandidaten hinterlegt. Und er hatte den Kontakt zum Spieler gehalten. Auch am Sonntag, wo Hecking Beyer nach einem Telefonat mit Gladbachs Manager anrief. Beyer erinnert sich an den dann doch sehr schnellen Wechsel: „Montag wusste ich es noch nicht. Da bin ich ganz normal nach Gladbach zum Training gefahren. Der Trainer (Hecking) hatte mir Sonntagabend noch mal geschrieben, dass er noch mal mit dem Rose und dem Eberl telefoniert. Ich bin dann am Montag zum Trainer rein vorm Training und er hat mir die Entscheidung mitgeteilt, dass sie doch glauben, dass es für mich das Beste ist“, freute sich Beyer , der im Anschluss von HSV-Teammanager Lennart Coerdt angerufen wurde, der dem 19-Jährigen mitteilte, dass um 6 Uhr der nächste Flieger gehen würde. „Ich bin dann am Dienstag um vier Uhr morgens aufgestanden, zum Flughafen gefahren – und jetzt bin ich hier.“

Mit großen Zielen im Gepäck. „Wir versuchen, so viele Spiele wie möglich zu gewinnen und dann unseren Tabellenplatz zu verteidigen. Wer weiß, wo es dann am Ende hinführt, wenn wir guten Fußball spielen, hinten sicher stehen. Ich denke, das kann dann ganz groß werden“, so der Kemper, der sich auf eine „super Stadt“ und einen Verein mit großen Ambitionen freut. Vor allem aber – und das kam immer wieder deutlich rüber, will Beyer mehr Einsatzzeiten als zuletzt bekommen. Er will beim HSV spielen und sich entwickeln. Dass er zu einem Verein kommt, der auf der Rechtsverteidigerposition  nach zwei schweren Verletzungen dringend Bedarf hat, hat er einkalkuliert. „Es gehörte natürlich dazu in den Überlegungen, da mache ich kein Geheimnis draus. Aber man weiß ja nie. Manchmal reicht die Leistung nicht, manchmal ist man dann doch verletzt. Aber ich wollte dahin gehen, wo die größte Wahrscheinlichkeit ist, dass ich spiele. Dass es dann mit so einem tollen Verein mit so einem tollen Umfeld geklappt hat – umso besser.“ 

Beyer hat nur vor einem Angst: Seinem Einstandslied

Perfekt ist es allerdings noch nicht ganz. Dafür fehlt ihm seine Freundin, die in Düsseldorf gerade eine Ausbildung macht und nicht mit nach Hamburg kommen kann. Kein Problem für Beyer, der es ganz pragmatisch sieht und eine Kosten-Nutzen-Rechnung erstellt. Mit positivem Ergebnis für den HSV, denn so könne er sich in der eh überschaubaren Zeit seiner Abwesenheit um ein anderes Problem kümmern: Sein Image als junges Talent. In Gladbach hat er alle Juniorenteam seit 2015 durchlaufen. Und dass Eigengewächse oft ein wenig unterschätzt werden, wissen wir in Hamburg nur zu gut. Auch Beyer will dieses Image ablegen.  „Irgendwann will man nicht mehr der Jugendspieler sein, sondern ein gestandener Bundesligaspieler.“ Dass er immer noch die Ballnetzte tragen müsse, okay. „Ich bin ja einer der jüngsten hier“, so Beyer, „immer noch.“

Vor allem ist er auch neu, womit er die größte Sorge verbindet. Denn er wird sich nicht um seinen Einstand bei der Mannschaft drücken können. Den hatte er schon mal bei seinem Debüt bei den Profis in Gladbach geben müssen, aber „gefreut hat’s mich nicht. Wirklich nicht. Das war kein schöner Moment. Ich habe ‚Dieser Weg’ von Xavier Naidoo gesungen. Wobei: Mehr oder weniger gesungen.“ Diesmal soll es eher was englisches werden. Was genau, weiß er noch nicht. Wie auch? Er habe sich bislang nur über Fußball wirklich Gedanken gemacht. Und ganz ehrlich: das ist auch wichtiger.

Amaechi und Wood fallen in Lagos weiter ab

Louis Jordan Beyer, wie der jüngste Neuzugang in Gänze heißt, wirkte heute im Training so, als wäre er schon seit Wochen dabei. Hart im Zweikampf, schnell und passsicher agierte er in der einen Einheit heute, bei der es wieder darum ging, schnell umzuschalten und auf engen Räumen Lösungen zu finden. Es gab zuletzt ein paar Meldungen hier, die mehr vom Training hören wollte. Denen sei gesagt, dass heute zunächst wieder in zwei Gruppen trainiert wurde, wobei Hecking zwei Innenverteidigerduos bildete mit Letschert/van Drongelen auf er einen und Ewerton/David auf der anderen Seite. Beyer verteidigte rechts, Leibold links. Auffällig: Bobby Wood kommt weiterhin nicht wirklich auf die Beine und hinterlässt hier im Trainingslager das erste Mal seit langem den Eindruck, als würde er selbst nicht mehr so recht daran glauben, beim HSV noch auf seine Zeiten zu kommen. Gleiches gilt für Xavier Amaechi, der es zwar immer wieder motiviert versucht, dem aber einfach noch (zu) viel an taktischem Verhalten abgeht.

Heute ebenfalls nicht dabei: Jan Gyamerah und Martin Harnik. Letztgenannter wird morgen sogar ob seiner anhaltenden Wadenprobleme ausfallen – und das war eigentlich anders geplant. Der Angreifer wird sich neben Aaron Hunt auf die Zuschauerränge setzen können. Der Kapitän war heute zwar bei den Torabschlussübungen dabei, aber im Abschlussspiel ging er wieder raus und trainierte separat. Der Kapitän dürfte damit auch für das morgige Spiel gegen den FC Seoul kein Thema sein. Das findet übrigens um 15 Uhr hiesiger Zeit (also 16 Uhr deutscher Zeit) in Albufeira statt und wir werden Euch von dort natürlich wieder berichten.

 

In diesem Sinne, bis morgen. Da melde ich mich natürlich wieder um 7.30 Uhr mit dem MorningCall bei Euch. Bis dahin wünsche ich Euch erst einmal viel Spaß mit den Videos und habe noch einen Tipp in eigener Sache: Janik hat in seinem Vlog wieder sehr schön den Tag zusammfassend bebildert. Und: Das Tagebuch mit Tom Mickel, in dem der Keeper den Sieg in der Challenge gegen mich schon klarmachen könnte, ist online!

Scholle

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