Simon Rösel

3. Oktober 2020

Der HSV ist mit zwei Siegen gut in die Saison gestartet. Zumindest auf dem Papier. Das Spiel gegen Düsseldorf war tatsächlich auch souverän. Und es hätte die Pokalniederlage gegen Dresden fast vergessen gemacht, wenn es im Spiel gegen Paderborn nicht die Gegentore in der Vorwärtsbewegung gegeben hätte, die erschreckend stark an das Spiel in Dresden erinnert haben. Und genau nach diesen Gegentoren hab ich Daniel Thioune auch auf der gestrigen Pressekonferenz gefragt. Aber dazu komme ich gleich.

Wer ist hier der „typische Zweitligist“?

Am Donnerstag nannte Daniel Thioune den FC Erzgebirge Aue einen „typischen Zweitligisten“. Diese Formulierung hat mich stutzig gemacht. Denn sie kann zwei Dinge bedeuten. Einerseits, dass Paderborn und Düsseldorf keine typischen Zweitligisten seien, obwohl sie seit 2010 sechs bzw. sieben Jahre in der zweiten Liga gespielt haben. Oder, dass eben der HSV kein typischer Zweitligist sei. Dabei sind für die zweite Liga durchaus solche Vereine typisch, die sich mit ihrer Mentalität und Geschichte eher in der ersten Liga sehen. Ich denke da an: Nürnberg, Hannover, Bochum und eben den HSV. Diese Mentalität kann gefährlich sein. Wenn der HSV weiter davon ausgeht, dass er nicht in die zweite Liga gehört, gerät er wieder in den Strudel aus Arroganz, Nachlässigkeit und Leidenschaftslosigkeit, der uns schon in den letzten zwei Jahren den Aufstieg gekostet hat.

Es wird eklig

Trotzdem hat Thioune mit seiner grundsätzlichen Analyse von Aue recht. Seit 2010 haben sie bis auf ein Jahr durchgängig in der zweiten Liga gespielt. Sie sind ein „gewachsener Zweitligist“ wie er es auf der PK noch einmal sagte. Jahr für Jahr halten sie sich in der Liga und schnuppern gelegentlich auch mal am oberen Tabellendrittel. Mit dem Aufstieg hatten sie aber schon länger nichts mehr zu tun. Dazu haben sie mit Dirk Schuster einen Trainer, dessen Fußball typisch für die zweite Liga ist. Bekannt wurde er vor allem mit seiner Darmstädter Mannschaft, die den Durchmarsch in die erste Liga schaffte – und dabei auf allen Ebenen eklig war. Sie konnten sich hinten reinstellen, schnell kontern und in der Bundesliga hat Dirk Schuster aus Sandro Wagner sogar noch die Fähigkeiten rausgeholt, die ihn dann etwas später sogar noch einmal zum Nationalspieler machten. Mir sind von Darmstadt aber auch die vielen kleinen Fouls, das ständige Zeitspiel und die übertriebene Theatralik bei Fouls gegen sie in schlechtester Erinnerung.

Daniel Thioune schätzt Aue als Mannschaft ein, die etwas stabiler sei als Paderborn. „Wir haben gesehen, dass Aue gerade im Defensivbereich sehr viel Robustheit, Größe und Physis hat. Und darüber hinaus auch ein bisschen Fußball spielen kann. In der Offensive spielen zwei sehr variable Spitzen [Pascal Testroet und Florain Krüger Anm. d. Autors].“ Doch die Offensive hat beim HSV in den letzten beiden Spielen ganz gut funktioniert. Und besonders Simon Terodde wurde ja geholt, um genau gegen solche körperlichen Teams zu bestehen. Das Problem gegen Paderborn waren die drei Gegentore in fünf Minuten.

Wie Thioune die Gegentore vermeiden will

Die Gegentore haben natürlich zwei Komponenten. Eine psychische auf die Daniel Thioune einging und sagte: „Wir haben gezeigt und auch gesehen, dass wir immer noch verwundbar sind, auch zu diesem frühen Zeitpunkt. Das darf in dieser Form natürlich nicht passieren, aber vielleicht ist es gut für unsere Entwicklung. Vielleicht sollten wir froh darüber sein, dass wir die Chance hatten, uns als Mannschaft zu präsentieren. Und ein Bild abgeben, dass wir jemanden aus unserem Kreise, der gestolpert ist, aufhelfen wollen.“ Damit meint er natürlich den Kabinenschwur und seine Motivationsrede in der Halbzeit, das Spiel für Klaus Gjasula noch zu drehen. Gjasula war an den Gegentoren mit seinen Ballverlusten maßgeblich beteiligt und zwar in den Situationen wo es am gefährlichsten ist. Das eigene Team befand sich gerade in der Vorwärtsbewegung und kurz nach dem sie den Ball verloren hatten, stand Paderborn schon mit Platz am Sechzehner, was zu dem Elfmeter und den beiden Treffern von Chris Führich führte.

Genau nach diesen Ballverlusten habe ich Daniel Thioune auch auf der Pressekonferenz gefragt. Und seine Antwort war in taktischer Hinsicht sehr offen und reflektiert. Zunächst sagte er, sie wollten auf keinen Fall die Bälle einfach weit rausschlagen, um so das gegnerische Pressing zu vermeiden. „Natürlich gibt es gewisse Räume, wo man vermeiden sollte, den Ball reinzuspielen.“ Also die Räume, in denen Klaus Gjasula den Ball gegen Paderborn mehrfach zum Gegener gespielt hat und von denen aus Paderborn besonders schnell zum Torabschluss kam. Allerdings, so Thioune weiter, bräuchten die Spieler, wenn sie in der Zentrale so stark gepresst werden auch genügend Anspielstationen. Etwas selbstkritisch merkte er an: „Wo ich sehe, dass ich vielleicht auch einen Fehler gemacht habe: Ich muss eine bessere Restverteidigung aufstellen als Trainer.“ Damit spricht er etwas an, was genauso wichtig ist, wie Fehler zu vermeiden. Nämlich Fehler auszubügeln. Vor einiger Zeit hat der User Bramfelder66 unter einem Text von mir über Spielweise und Stabilität beim HSV einmal Thomas Müller zitiert. Der sagte nach dem Champions League Finale wie bei ihnen in der Mannschaft jeder gierig darauf sei, die Fehler des anderen auszubügeln. Wenn die Mannschaft des HSV diese Gier entwickelt und gleichzeitig die eklatenten Fehler abstellt, kann sie gegen Aue bestehen.

Die Aufstellung gegen Aue

Und das Spiel wird insofern wichtig, da es der Beginn des Alltags in der zweiten Liga ist. Der HSV wird noch gegen ganz viele Teams spielen, die mit weniger Ballbesitz, physischer Defensive und schnellen Kontern den HSV entnerven wollen. Ich sage nur: Kiel, Sandhausen, Heidenheim, Osnabrück und Aue. Gegen diese Teams hat der HSV in zehn Spielen nur 7 Punkte geholt. Dieser Alltag hat dem HSV in den letzten zwei Jahren das Genick gebrochen. Zu einzelnen guten Leistungen wie beim 6:2 gegen Stuttgart war die Mannschaft immer fähig. Aber nicht zu konstanten Leistungen, die auch am Ende bis auf einen Aufstiegsplatz führten. Es ist wie im Beruf oder in einer Beziehung. Am Ende sind nicht die Highlighs entscheidend, sondern wie man mit dem Alltag klarkommt und da das Beste rausholt.

Welche Mannschaft könnte also am Sonntag gegen Aue auflaufen? Nicht zur Verfügung stehen die länger verletzten van Drongelen und Vagnoman. Zudem fallen David Kinsombi mit leichtem Muskelfaserriss, Ewerton mit Oberschenkelproblemen und Sonny Kittel mit einem grippalen Infekt aus. Toni Leistner ist nach seiner Sperre aus den Vorfällen nach dem Pokalspiel gegen Dresden wieder spielberechtigt. Die Frage ist, ob er einem aus dem Duo Ambrosius - Heyer auf die Bank verdrängt oder das Duo zu einer Dreierkette komplettiert. Außerdem stellt sich die Frage, ob Gjasula nach dem Paderborn-Spiel eine Pause bekommt. Doch gerade gegen einen physisch starken Gegner aus Aue kommen die Qualitäten für die er geholt wurde noch stärker zum Tragen. Aus Daniel Thiounes Aussage zur Restverteidigung vermute ich, dass er hier mit einem zusätzlichen und routiniertem Verteidiger wie Leistner nachhelfen wird. Außerdem könnte eine Dreierkette besser mit dem Spielaufbau klar kommen, wenn Aue mit zwei Spitzen versucht den HSV zu pressen. Doch lasst euch von der Dreierkette nicht täsuchen. Der zusätzliche Verteidiger soll vor allem die Sicherheit geben, dass der HSV das eigene Offensivspiel selbstbewusster durchziehen kann, mit dem Wissen, dass Fehler auch ausgebügelt werden. Daher vermute ich für morgen diese Aufstellung im 3-4-1-2:

Heuer-Fernandes – Heyer, Leistner, Ambrosius – Leibold, Gjasula, Onana, Narey – Dudziak – Wintzheimer, Terodde.

Ich wünsche euch einen schönen Samstagabend und uns allen einen Sieg des HSV am Sonntag!

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