Tobias Escher

18. Oktober 2020

Die Konturen des neuen Hamburger SV sind immer deutlicher zu erkennen. Zweikämpfe und Geschwindigkeit stehen wesentlich stärker im Fokus als in den vergangenen beiden Zweitliga-Saisons, als der HSV den Aufstieg jeweils knapp verpasst hatte. Für Daniel Thiounes HSV spricht bisher vor allem eins: Die Mannschaft holt selbst nach schwierigen Spielverläufen Ergebnisse. So auch in Fürth.

Das Gastspiel in Fürth war keineswegs leicht. Bereits vor dem Spiel gab es viel Wirbel, da auf beiden Seiten Spieler aufgrund Corona-Infektionen ausfielen. Nach dem Anpfiff setzte sich der Wirbel fort: Fürth war keineswegs gewillt, sich hinten reinzustellen, sondern ging sofort aggressiv drauf. Als der HSV dann nach der Pause auch noch zu zehnt weitermachen musste, schien klar: Das kann nicht gutgehen! Tat es aber. Der HSV trotzte dem Gegner und den widrigen Umständen mit viel Einsatz – und etwas taktischem Geschick.

Mischung aus Raute und 4-4-2

Der HSV begann das Spiel mit einer Mischung aus Raute und flachem 4-4-2. Verantwortlich für den Wechsel zwischen den Formationen war Jeremy Dudziak: Er postierte sich mal als Zehner vor einem Dreiermittelfeld, mal wechselte er hinaus auf die linke Seite. 

Das Wechselbad der Formationen hatte einen taktischen Grund: Der HSV wollte damit gut gewappnet sein gegen das Fürther Spielsystem. Kleeblatt-Coach Stefan Leitl hatte seine Mannschaft ebenfalls in einer Raute aufgestellt. Wenn der HSV den direkten Zugriff auf den Gegner suchte, rückte Dudziak ins Zentrum und lief den gegnerischen Sechser Hans Sarpei an. In Phasen, in denen der HSV eher passiv agierte, reihte sich Dudziak links in die Mittelfeldkette ein. Somit konnte der HSV die gesamte Breite des Mittelfeldes besser abdecken.

Die doppelte Besetzung der Flügelpositionen tat gut: Fürth baute mit der eigenen Strategie ganz darauf, den HSV über die Seiten zu knacken. Sie hatten es vor allem auf die linke Hamburger Seite abgesehen. Hier fehlte HSV-Leistungsträger Tim Leibold verletzt. Fürth hatte Ersatzmann Moritz Heyer offensichtlich als Schwachstelle ausgeguckt. Stürmer Branimir Hrgota bewegte sich immer wieder weit auf dessen Seite, auch Achter Paul Seguin wich häufig auf den Flügel aus.

Der HSV hatte diese Angriffe über die rechte Seite jedoch weitestgehend im Griff. Dudziak und Heyer gewannen viele ihrer Zweikämpfe. Gefährlich wurde Fürth eher, wenn sie das Spiel mit weiten Diagonalbällen öffneten. Damit gelangten sie manches Mal auf die freie linke Seite. Nur selten kamen sie von dort in Abschlusssituationen. Ähnlich fruchtlos waren die Fürther Versuche, über Zehner Sebastian Ernst vor das Tor zu gelangen.

Fürther Pressing und Hamburger Aufbauspiel

Während das Aufbauspiel der Fürther den HSV kaum vor Probleme stellte, brachte das hohe Pressing der Gastgeber Hamburgs Abwehr doch einige Male ins Straucheln. Die Fürther warteten nicht ab, sondern gingen direkt drauf. Besonders die Achter beackerten viel Raum: Sie rückten aus dem Mittelfeldzentrum nach vorne, um die Hamburger Außenverteidiger zu pressen. Wenn diese gezwungenermaßen den Rückpass spielten, rückte die gesamte Fürther Mannschaft nach und ließ nicht locker.

Das war die erste große Bewährungsprobe für den neuen Keeper Sven Ulreich. Er war nicht nur aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung geholt worden, sondern auch aufgrund seiner Vielseitigkeit. Er kombiniert die Sicherheit eines Heuer Fernandes auf der Linie mit der Spielstärke eines Julian Pollerbecks. Auch wenn Ulreich einige Male zu riskant auftrat gegen Fürth, half sein Passspiel dem HSV durchaus weiter.

Ulreich fand einige Male die Lücken in der gegnerischen Formation: Durch das hohe Aufrücken der Achter musste Sarpei im Zentrum viel Raum allein beackern. Manuel Wintzheimer lief erneut viel und besetzte immer wieder die Lücken der gegnerischen Formation. Sobald der HSV das Pressing der Gäste umspielt bekam, konnte er mit Tempo auf das gegnerische Tor zulaufen. 

Diese Angriffe konnte der HSV zunächst nicht veredeln. Stürmer Simon Terodde fehlte der richtige Riecher beim Sprint in die Spitze. Nachdem er 45 Minuten kaum in Erscheinung trat, passte er kurz vor der Pause den richtigen Zeitpunkt zum Pass in die Spitze ab. Khaled Narey erzielte die Hamburger Führung in der Nachtspielzeit.

Taktische Aufstellung Fürth - HSV
Taktische Aufstellung Fürth - HSV

 

Zittern und Tiefstehen in Unterzahl

Das Tor war folgerichtig: Nach und nach bekamen die Hamburger die Raute der Fürther besser in Griff. Ob sie nach der Pause hätten nachlegen können, fällt jedoch in den Raum der Spekulation. Toni Leistner musste nach einer Notbremse vom Feld. Der HSV musste fortan zu zehnt agieren – und Thioune die Taktik seines Teams radikal anpassen.

Vom Passspiel der vorherigen Minuten war fortan wenig zu sehen. Der HSV zog sich in einem 4-4-1 zurück und überließ den Fürthern das Spiel. Diese agierten zunächst weiter aus einer Raute, ehe Trainer Leitl nach und nach Stürmer einwechselte. Am Ende warfen die Fürther in einem improvisierten 3-3-4 alles nach vorne.

Der HSV konnte die gegnerischen Angriffe jedoch gut kontrollieren. Die beiden Viererketten der Hamburger zogen sich eng zusammen. Die Fürther bekamen in der Folge etwas Spielraum auf den Flügeln, den sie aber selten bis gar nicht zu nutzen wussten. Die Hamburger füllten den Strafraum mit eigenen Spielern. Das verstärkte eine Schwäche des Gegners: Diese suchten erst den Abschluss, wenn kein Gegner mehr zwischen ihnen und dem Tor stand. Sie schienen den Ball fast schon bis ins Tor tragen zu wollen. Zu klaren Abschlüssen kamen die Fürther zwar noch, doch Ulreich feierte seinen Einstand direkt mit einer Paradeleistung.

Auch der dritte Saisonsieg der Hamburger ist nicht auf eine spielerische oder taktische Dominanz zurückzuführen. Abermals überzeugte Thiounes Team mit hoher Zweikampfhärte im Mittelfeld sowie dem unbändigen Willen, selbst nach Rückschlägen nicht aufzugeben. Und doch gibt es auch aus taktischer Sicht Positives zu berichten: Ulreich brachte als mitspielender Torhüter eine neue Facette ins Spiel. Auch Aaron Hunt fügte sich im Mittelfeld gut ein. 

Drei Siege aus drei Spielen: Thiounes Einstand kann sich sehen lassen. Am Mittwoch geht es direkt weiter. Beim Nachholspiel gegen Aue dürfte auf Thiounes Team eine gänzlich neue Aufgabe warten: Die Auer werden sich sehr viel stärker auf die eigene Defensive konzentrieren, als dies Düsseldorf, Paderborn und Fürth taten. Die große Frage wird lauten: Hat Thiounes HSV eine Lösung gegen einen ultradefensiven Gegner?

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