Lars Pegelow

22. Februar 2019

Hannes Wolf hält sich in der Regel selten auf mit Fragen nach Tabellen-Konstellationen, mit Einordnungen, was ein Punktgewinn in irgendeinem Spiel für das Aufstiegsrennen bedeutet, ob eine Niederlage einem Rückschritt gleichkommt oder Ähnlichem. Heute machte der Coach des HSV eine Ausnahme. „Mit einem Sieg in Regensburg“, rechnete Wolf vor, „hätten wir zehn Punkte in den ersten Spielen des Jahres geholt. Dazu der Erfolg im DFB-Pokal, und einigen personellen Problemen getrotzt. Dann wäre es ein guter Start.“ 90 Minuten in der Regensburger Continental-Arena als Gradmesser – warum gilt das für diese Partie, und warum hat diese Messlatte für andere Spiele nicht gegolten?

Verallgemeinerungen sind für Hannes Wolf in der Regel ein Graus. Auch heute ging es in der Pressekonferenz wieder um die Auswärts-Bilanz seiner Mannschaft. In der Vorrunde gab es bis auf ein 0:0 bei Greuther Fürth nur Auswärtssiege, in der Rückrunde erst einen Punkt in drei Spielen auf fremden Plätzen. Und obwohl jedes Spiel seine eigene Geschichte hat, will Hannes Wolf nun auch wieder den (Auswärts-) Trend auf die Seite des HSV ziehen. Die Kalkulation dahinter ist klar: Ein Erfolg in Regensburg, dann noch ein Dreier im folgenden Heimspiel gegen Greuther Fürth – und der HSV könnte mit 50 Punkten bei noch zehn ausstehenden Spielen immer konkreter in die Planungen für die nächste Saison in der Ersten Bundesliga gehen. Oder sich zumindest ein Polster anfressen, denn mit Köln, Union, Paderborn und St. Pauli warten noch mindestens vier harte Auswärts-Aufgaben in dieser Saison.

Die vergangenen Wochen waren schwer. Nach dem verkorksten Jahresfinale bei Holstein Kiel (1:3) kam die Wolf-Elf vom Ergebnis ordentlich ins neue Jahr durch das 2:1 über Sandhausen. Dem Rückschlag in Bielefeld (0:2) folgte das glückliche 1:0 über Dynamo Dresden – und schließlich der hart erkämpfte Punkt in Heidenheim (2:2). „Es waren schwere Spiele“, sagt der Trainer. Sein Team hat diese schwere Phase auf Platz 1 überstanden und hat vor diesem Spieltag immer noch vier Punkte Vorsprung auf den härtesten Verfolger Union Berlin. Nun ist es an der Zeit für den HSV, sich für die harte Arbeit der vergangenen Wochen zu belohnen.

Jahn Regensburg kommt dem HSV bei diesem Unterfangen vielleicht gerade wie gerufen. Das Team von Trainer Achim Beierlorzer ist sicher nicht mehr so gut in Form wie im Herbst vergangenen Jahres. Beim 5:0 im Volksparkstadion lief für den SSV Jahn alles zusammen. Der HSV lief in die Falle, fand im Titz-System keine Mittel gegen die Regensburger Konter. Es gab individuelle Hamburger Schnitzer, und Vieles spricht dafür, dass dieses Spiel für eine sehr lange Zeit die höchste Niederlage des HSV in der 2. Bundesliga bleiben wird. Jahn Regensburg ist inzwischen auf einen Mittelfeld-Platz zurückgefallen und hat zuletzt drei Mal in Folge kein Tor geschossen. Schnelles Spiel, harte Zweikämpfe und Pressing – diese Eigenschaften hat Hannes Wolf zwar als Regensburger Stärken ausgemacht. Doch obwohl das Rückspiel ganz bewusst nicht zur Revanche für die Hinrunden-Blamage ausgerufen wird, spricht Einiges dafür, dass diesmal der HSV lachender Gewinner sein könnte.

Im Vergleich zu den Vorwochen steht dem HSV dabei wieder seine Außenverteidiger-Zange zur Verfügung. Klar, Douglas Santos‘ Rückkehr ist ein Gewinn für das Team – gar keine Frage. Auf der rechten Seite ist aber auch Gotoku Sakai wieder dabei. An dem Japaner scheiden sich die Geister. Manchmal spielt er mit dem Ball so fahrig und fehlerhaft, dass die Fans verzweifeln. Manchmal macht er aber auch so viele Meter in der Defensive, dass er unverzichtbar scheint. Rick van Drongelen nannte Gotoku Sakai einmal „unsere stille Kraft“. Das ist sicher ein treffendes Kompliment für Sakai. Dass die Position des rechten Verteidigers nicht so einfach auszufüllen ist, wurde in den Spielen deutlich, in denen Sakai zuletzt gesperrt war. Gideon Jung, der die Rolle übernahm, ist im Vergleich mit seinem Kollegen sicher der bessere Fußballer. Aber Jung hat sich schwergetan mit dem ungewohnten Amt rechts hinten. Übrigens: Gideon Jung hat auch heute nicht am kompletten Training teilgenommen. Einsatz in Regensburg unwahrscheinlich.

Gänzlich ausgeschlossen ist der Einsatz seit heute definitiv bei Aaron Hunt. Obwohl der Kapitän scheinbar ohne Probleme am (allerdings auch nicht besonders harten) Training heute teilgenommen hat (und abschließend eine Reihe von Freistößen versenken konnte), ist er für das nächste Spiel keine Option. Hannes Wolf will Aaron Hunt erst wieder beim Heimspiel acht Tage später gegen Greuther Fürth loslassen. Vermutlich ist dies eine vorsichtige Lösung, aber auch eine vernünftige. Nichts kann der HSV aktuell weniger gebrauchen, als dass seine Leistungsträger verletzt sind, wenn die heiße Schlussphase der Saison beginnt. Die Mannschaft hat hart gearbeitet in den vergangenen Wochen, aber die Souveränität aus dem Herbst, als unter Hannes Wolf eine Erfolgsserie gestartet werden konnte, fehlt in diesem Jahr bislang noch – auch wegen der vielen Verletzungen. Und das, obwohl einzelne Spieler, die fit geblieben sind, durchaus sehr gute Form zeigen. Dazu gehört der schottische Verteidiger David Bates, der bei der heutigen Pressekonferenz ein Sonderlob von Hannes Wolf erhielt, als auch Lewis Holtby. Auch er wurde vom Trainer gelobt. Aber wo war Holtby dann heute beim Training? Reine Vorsichtsmaßnahme, ließ der HSV später verlauten. Holtby habe sein Trainingspensum in den Katakomben des Stadions abgespult und Trainer Wolf geht davon aus, dass sein zentraler Mittelfeldspieler beim Abschlusstraining wieder auf dem Rasen stehen wird.

Wobei sich perspektivisch die Frage stellt: Was macht Hannes Wolf, wenn ihm neben Hwang und Holtby auch wieder Hunt zur Verfügung steht? Wer muss auf die Bank rücken und auf einen Joker-Einsatz hoffen? Berkay Özcan hat mit zwei wichtigen Toren auf sich aufmerksam gemacht, ebenso wie Holtby mit konstanten Leistungen. Die Qual der Wahl bei der Aufstellung – nichts hat ein Trainer lieber.

Weil sich auch das wirtschaftliche Kernprojekt 2019, die neue Fananleihe, positiv entwickelt, passt die Stimmung beim HSV aktuell zum frühlingshaften Wetter. Fast zehn Millionen Euro sind die Anleihen wert, die bislang von dieser neuen Anleihe gezeichnet worden sind. Eine Zahl, mit der sich Finanz-Vorstand Frank Wettstein in der „Mopo“ zufrieden zeigte. (Zufrieden „gezeigt“ hätte er sich allerdings bestimmt auch bei einem niedrigeren Betrag…) Jeder Cent hilft dem HSV natürlich beim Durchatmen, ob es sich nun um ein lukratives Investment handelt oder um eine risikobehaftete Liebhaber-Aktion zugunsten eines finanziell strauchelnden Zweitligisten, wie der eine oder andere Wirtschaftsexperte in diesen Tagen in Interviews gesagt hat.

Kerngeschäft bleibt der Fußball. Die Mannschaft hat nun die Chance, alle guten Vorgaben in Regensburg in drei Punkte umzusetzen.

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