Marcus Scholz

31. Juli 2019

Ein langer Tag mit MorningCall, Rautenperle-Talk und einer Nachmittagseinheit sowie diesem Blog geht langsam zu Ende. Und eigentlich wollte ich heute eine Beobachtungs-Geschichte über den Neuen schreiben, über Xavier Amaechi. Und das böte sich heute auch tatsächlich an, da er das erste Mal über einen längeren Zeitraum im Spiel elf gegen elf auf dem Trainingsplatz zu sehen war. Aber ich mache es kurz, was den Engländer betrifft: Er war gut. Sehr beweglich, schnell, manchmal in seinen Handlungen noch etwas zu langsam. Aber das kommt mit der Eingewöhnung. Der 18-Jährige deutete allemal an, weshalb er vom Trainer als eine Lösung erachtet wird für Spiele gegen Mannschaften, die tief hinten drin stehen. Er ist einer der Spieler, die das Eins-gegen-Eins beherrschen und mit ihren Dribblings massierte Abwehrketten durchbrechen können.

Aber, heute geht es eigentlich nur um Amaechi. Denn „uneigentlich“ hat sich heute im Training einer für mehr empfohlen, den ich im MorningCall ebenso wie in den letzten Blogs als Spieler genannt hatte, der es beim HSV nicht nur schwer hat, sondern der sogar vor dem Aus steht: Bobby Wood. Nachdem der US-Amerikaner am Sonntag gegen Darmstadt nicht einmal eingewechselt und ihm sogar schon Manuel Wintzheimer in der Schlussphase vorgezogen wurde, schien klar, dass der Angreifer vor einer schwierigen Saison steht. Zumal ebenfalls bekannt ist, dass man beim HSV weiterhin nach einem zentralen Stürmer sucht. Wood selbst dürfe sogar gehen, wenn er einen passenden Abnehmer findet. Allein sein üppiges 2-Millionen-Gehalt stand einem Wechsel bislang im Weg. So zumindest hieß es hinter vorgehaltener Hand.

Wood weiß um seine Situation - und er will sie ändern

Aber auch bei Wood ist dieses Gerücht längst angekommen. Er weiß um seine Situation. Und anstatt wie in den letzten Jahren wieder zu kapitulieren, sich zurückzuziehen und den Vertrag auszusitzen, gibt Wood weiter Gas. Ich sage bewusst „weiter“, weil er es in der diesjährigen Vorbereitung eigentlich durchgehend gemacht hat. Und das meine ich zuallererst positiv, weil ich es so nicht erwartet hatte. Auf der anderen Seite muss man auch so ehrlich sein und im selben Moment feststellen, dass eben selbst ein Bobby Wood mit richtig guter Einstellung aktuell noch nicht ausreicht.

Es sei denn er arbeitet so wie heute. Denn das, was Wood heute auf dem Platz zeigte, war auffällig gut. Er nutzte endlich sein Tempo, seinen bulligen Körper in den Zweikämpfen - und auch der Ball war heute sein Freund. Beim Spiel auf drei Tore bereitete er Chancen und Tore vor und war da, wenn ein Stürmer da sein musste. Dass er noch zu oft an dem jeweiligen Keeper scheiterte - okay. Das muss letztlich natürlich deutlich besser werden. Denn Stürmer werden nach wie vor an Toren gemessen. Aber ansonsten scheint Wood tatsächlich noch mal alles zu versuchen, um die Verantwortlichen davon zu überzeugen, dass sein Verbleib beim HSV nicht nur teuer für die Klubkasse, sondern auch sportlich wertvoll für die Mannschaft sein würde.

Woods Statistik wird von Jahr zu Jahr schwächer

Vor allem aber weiß auch Wood, dass eine weitere Katastrophensaison seine Karriere auf allen Ebenen eindämmen würde. Auch die in der US-Nationalmannschaft, für die er zuletzt schon nicht mehr nominiert worden war. 28 Einsätze, fünf Tore und zwei Assists - das war seine erste Saison beim HSV 2016/2017. In der zweiten Saison waren es nur noch 24 Einsätze und zwei Tore, während es zuletzt als Leihspieler bei Hannover 96 sogar nur noch 20 Einsätze (3 Tore/2 Assists) waren. 2084 Spielminuten, dann 1610 und zuletzt nur noch 1181 Spielminuten - Woods Bilanz ist eindeutig rückläufig. Aber es sind die Bilanzen in der Ersten Liga. In der Zweiten Liga hat Wood zuletzt 2015/2016 gespielt und für Union Berlin in 31 Spielen 17 Tore und drei Assists bei 2519 Spielminuten geschafft. „Er ist eben ein Zweitligaspieler und vielleicht kann er das diese Saison zeigen“, dachte ich mir zuletzt. Das hätte für Verein und Spieler nur Gutes. Aber nach den ersten Trainingseinheiten hatte ich selbst daran bereits meine Zweifel.

„Er kommt aus schwierigen Spielzeiten“, entschuldigte Trainer Dieter Hecking anfänglich Woods Formschwäche. Aber auch der HSV-Trainer schien nur noch bedingt an eine schnelle Steigerung zu glauben. Wood ist nur deshalb noch da, weil ihn sonst keiner will. Dennoch: Wood wäre nicht der erste Spieler im aktuellen Kader, der totgesagt doch noch seine (nicht vorhandene) Chance ergreift. Auch Jonas David zum Beispiel war vor Saisonbeginn klar gesagt worden, dass er gehen dürfe. Oder besser gehen solle. Und vom ersten Tag der Vorbereitung an präsentiert sich der Youngster komplett gedreht. Aus dem zu ruhigen, zu verhaltenen Defensivspieler ist ein Jungprofi geworden, der richtig zulangt, der die Bälle fordert und der Anweisungen gibt. Er ist präsent - und spielt gut. „Er hat sich sehr gut präsentiert“, lobte Hecking zuletzt im Trainingslager, während ein anderer immer weiter abfällt: Josha Vagnoman.

David nutzt seine Chance - Vagnoman rutscht weiter ab

Ausgerechnet der Spieler, den ich in der letzten Saison immer wieder gefordert hatte, präsentiert sich von Woche zu Woche schwächer. Immer wieder bekommt er es lautstark vom Trainer an die Backen - aber er ändert nichts. „Josha macht sein Ding, egal ob vor 50 oder vor 50.000 Zuschauern“, hatte „Entdecker“ Christian Titz mal über den außergewöhnlich talentierten Rechtsverteidiger gesagt. Er wollte betonen, wie cool Vagnoman trotz seiner jungen Jahre ist. Und das alles mag auch stimmen. Aber: Im Moment muss man sich ernsthaft Sorgen um Vagnoman machen, zumal ich gehört habe, dass er selbst mit seiner Situation nicht allzu unzufrieden ist. Er selbst sieht sich an einem Punkt angekommen, an dem er Geduld haben müsse, so Vagnoman.

Aber ich befürchte, dass Vagnoman hier etwas grundsätzlich falsch sieht bzw. hier etwas verwechselt. Denn Geduld zu haben schließt definitiv nicht aus, dass man im Training mehr macht als andere, um den Trainer auf sich aufmerksam zu machen. Aber genau das macht Vagnoman, obgleich er über eine Physis verfügt, die nur wenige mitbringen. Vagnoman ist körperlich robust, hoch gewachsen, schnell und technisch hervorragend (was man zuletzt am allerwenigsten sehen konnte). Er bringt alles mit, um ein richtig guter Bundesligaspieler zu werden. Auch Premier-League-Klubs hatten ihn zuletzt - und haben ihn teils noch immer - auf dem Zettel. Bislang lehnte der HSV jedoch einen Verkauf noch ab, weil man sich Großes von dem Hamburger erhofft. Eine Hoffnung, die sich zu zerschlagen droht, wenn die Entwicklung tendenziell so weitergeht.

Umso mehr hoffe ich, dass HSV-Trainer Dieter Hecking sich mit seinem Trainerteam zusammen die Mühe macht, Vagnoman so zu fordern, dass es sich auch lohnt, ihn weiter zu fördern. Ansonsten muss man es sagen, wie es ist: Dann wäre Vagnoman schon bald der nächste Youngster, der es in Hamburg trotz seines großen Talentes nicht geschafft hat. Und das würde mich echt traurig machen, weil auch ich fest davon überzeugt bin, dass Vagnoman eines dieser Talente ist, das am Ende eine Erfolgsgeschichte für sich - und für den HSV schreiben kann. Vagnoman besitzt alle sportlichen Qualitäten, um es nach oben zu schaffen. Ich wage sogar die These, dass Vagnoman, ausgestattet mit dem Kopf von seinem Freund Jonas David, heute als Rechtsverteidiger gesetzt und heiß umworben wäre.

Apropos: Ob es daran liegt, dass er sich mit dem HSV darauf verständigt hat, zu gehen - ich weiß es nicht. Aber: Im Training präsentiert sich Gotoku Sakai seit Wochen stark. Stärker als Neuzugang Jan Gyamerah…

 

In diesem Sinne, bis morgen. Ich wünsche Euch bis dahin viel Spaß mit dem Rautenperle-Talk, den ich heute mit Aufsichtsrat und e.V.-Präsident Marcell Jansen geführt habe. Schaut und hört mal rein. Ich melde mich dann morgen um 7.30 Uhr wieder mit dem MorningCall bei Euch, ehe zwei Einheiten 10 und 15.30 Uhr im Volkspark anstehen.

Bis dahin Euch allen einen schönen Abend!

Scholle

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