Marcus Scholz

11. Dezember 2019

Josha Vagnoman ist kein Mann großer Worte. Er macht lieber – und redet weniger darüber. Außer mit seinem Vater, der sein erster Förderer, aber zugleich auch sein härtester Kritiker ist. Vater und Sohn Vagnoman sind ein echtes Team. Sogar beim Geburtstagfeiern. „Wir werden es am Wochenende nachholen“, so Vater Vagnoman heute am Trainingsplatz, den sein Sohn verletzungsbedingt noch nicht wieder betreten konnte. Hintergrund der Ankündigung: Während Josha Mamadou Karaboue Vagnoman am heutigen Mittwoch seinen 19. Geburtstag feiert, beging sein Vater Karaboue gerade einmal 24 Stunden vorher seinen Ehrentag.

Heute standen für die zwei schon früh um 8 Uhr Rehatraining und Behandlungen im UKE an. Für beide, da Vater Karaboue Vagnoman seinen Sohn stets begleitet. Er ist bei nahezu jeder Trainingseinheit dabei. Und in diesem Fall sogar „Wir bekommen Besuch von der Familie“, so Josha Vagnoman, „das Feiern werden wir dann am Wochenende nachholen. Zusammen.“ Wie sonst auch alles.

Seinen größten Wunsch kann sich Vagnoman allerdings selbst erfüllen. Wenn auch erst am Montag: „Da werden wir noch einmal den Fuß röntgen lassen“, so Josha. Sollte alles wie erwartet verlaufen sein, soll er im Anschluss daran seinen Schutzschuh ausziehen können und langsam wieder normal auftreten können. An Fußballtraining ist allerdings vor Februar eher noch nicht zu denken. Bis dahin wird der frisch gebackene 19-Jährige dennoch genug um die Ohren haben, denn auch seinen Vertrag soll der junge U21-Nationaspieler möglichst noch vor Weihnachten verlängern. Ob das stimmt? Vater und Sohn lächeln beide gleichermaßen. Eine Antwort gibt es nicht. Wie immer soll auch hier erst etwas geschaffen werden, bevor sie darüber sprechen. Und das ist auch gut so.

 

Ebenso wie das Vorgehen des HSV, der seit Wochen nach einem weiteren Außenverteidiger sucht, nachdem vor Vagnoman auch schon der angestammte Rechtsverteidiger Jan Gyamerah schwer verletzt ausgefallen war – und sogar noch länger als er selbst auszufallen droht. „Klar“, so die kurze Antwort Vagnomans auf die Frage, ob er es nachvollziehen könne, dass auf seiner Position noch nach Verstärkung gesucht wird. Zumal die Tatsache, dass der HSV hier wohl über eine Kurzzeit-Leihe nachdenkt, auch für ihn spricht. Denn sowohl Vorstand Jonas Boldt als auch Trainer Dieter Hecking halten große Stücke auf Vagnoman jr. und wollen ihm daher keinen weiteren Konkurrenten direkt vor die Nase setzen, sondern ihn entwickeln. Und das ist tatsächlich der einzig richtige Schritt, behaupte ich.

Vagnoman soll seinen Vertrag beim HSV vorzeitig verlängern

Warum? Ganz einfach: Weil der HSV seinen Weg zur Entschuldung und zu alten Erfolgen nur über den eigenen Nachwuchs finden wird. Der HSV muss gut ausbilden, um seinen Nachwuchs erst zu Stützen im Team auszubilden, bevor man sie dann noch gewinnbringend weiterverkauft. Und bei Spielern wie Vagnoman zwängt sich dieser Weg geradezu auf. In den vergangenen Transferphasen gab es immer wieder lose Anfragen aus der Bundesliga sowie dem Ausland. Zuletzt sogar eine Offerte über mehr als vier Millionen Euro aus England. Der HSV lehnte ab.

Weil man sich mehr von Vagnoman verspricht – zunächst sportlich, später finanziell. Vagnoman kann das Beispiel werden, das viele zuletzt in Fiete Arp vermutet hatten. Oder besser gesagt: Das viele sich erhofft hatten. Denn noch immer genießt der HSV trotz bester Voraussetzungen mit dem modernen 10-Millionen-Nachwuchszentrum „Campus“ nicht den besten Ruf in Sachen Nachwuchsarbeit. Schon deshalb wird ein „Türöffner“ benötigt, also ein Talent, das den Sprung nach oben über den HSV schafft.

Vagnoman als Türöffner für eine bessere Nachwuchsarbeit?

Und so unromantisch das für Moralisten klingen mag – diese Gedanken sind normal und beide Seiten finden es okay. Fußball ist letztlich ein Geschäft. Mit anderen Worten: Man ist hier einfach nur brutal ehrlich. Selbst Josha Vagnoman als gebürtiger Hamburger mit ivorischen Wurzel (Mutter Deutsche, Vater stammt von der Elfenbeinküste) und nach nunmehr knapp zehn Jahren beim HSV versteht das. Sagt er selbst.  „Für mich ging bereits ein Traum in Erfüllung, als ich das erste Mal in der Bundesliga spielen durfte. Ich werde alles dafür geben, dass noch viele Spiele in der ersten Mannschaft beim HSV dazu kommen. Dann sehen wir weiter“, so Vagnoman vor anderthalb Jahren. Es blieb letztlich zwar bei dem einen Erstligaeinsatz, dafür kamen seither 18 Zweitligaspiele hinzu. Und sollte sein eh noch bis 2021 laufender Vertrag jetzt vorzeitig verlängert werden, dürfte sich diese Zahl wohl ab März/April 2020 deutlich erhöhen. So ist zumindest die Rechnung von Vagnoman - und dem HSV.

Ich weiß schon gar nicht mehr, wie oft ich hier in diesem Blog schon darüber geschrieben habe, dass der HSV seinen Nachwuchs noch immer nicht ausreichend priorisiert und als Geschäftsmodell  nicht ausrechend ausgestaltet. Aber in Tagen, wo der DFB in Frankfurt für mehr als 150 Millionen Euro eine eigene Fußballakademie baut und zugleich die für Klubs ohne Profiabteilung notwendigen Zuschüsse für alle Jugend-Regionalligisten streicht, wundert mich nicht mehr viel. In Deutschland wird derzeit so unglaublich viel falsch gemacht im Nachwuchsbereich, warum sollte es der HSV da viel besser machen...? Einfache Antwort: Weil er muss.

HSV kümmert sich um seine Talente - endlich auch glaubhaft

Denn im Gegensatz zum DFB, dem reichsten Dachverband der Welt, fehlt dem HSV nichts mehr als Geld. Insofern ist der Schritt mit Vagnoman ein weiteres Indiz dafür, dass dieser HSV lernt. Anstatt panisch viel Geld für einen gestandenen Rechtsverteidiger auszugeben, der am Ende vielleicht sogar die Entwicklung eines hauseigenen Talentes blockiert, setzt man vorrangig auf das eigene Talent. In allen Bereichen – von daher auch nachhaltig und vor allem glaubhaft. Bei der Erstbehandlung Vagnomans nach seinem Fußwurzelbruch im Pokalspiel gegen den VfB Stuttgart beispielsweise tat sich der HSV schon mit Eifer hervor. Es wurde sofort ein Termin in München beim besten Spezialisten besorgt und die Operation wurde keine Minute zu lang hinausgezögert, um so den Wiedereinstiegsmoment auch nicht unnötig nach hinten zu verzögern. Kurz gesagt: Man machte Vagnoman deutlich, dass er wichtig ist. Mit Erfolg. Es habe sich gut angefühlt, so viel Unterstützung zu spüren, erinnert sich Vagnoman. Auf jeden Fall sammelte der HSV in dieser schwierigen Phase einige Pluspunkte, die ihm selbst im Falle eines konkurrierenden Klubs bei Vagnoman helfen könnten.

Helfen soll auch wieder Gideon Jung, der seine Rückenprobleme auskuriert hat und heute schon einen Großteil der Trainingseinheit absolvierte. Ob er spielen kann? „Ich kann zumindest die Tage trainieren. Dann schauen wir weiter“, so Jung nach der Einheit, die er knapp 20 Minuten früher als seine Kollegen beendete. Wie vorher abgesprochen ging er vorzeitig vom Platz, um sich wie seine Kollegen Tom Mickel und Adrian Fein behandeln zu lassen. Was mit den beiden Letztgenannten sei, wollten wir von Trainer Dieter Hecking nach der Vormittagseinheit heute wissen. „Nichts“, so die Antwort des HSV-Coaches, der hinterherschob, dass beide morgen wohl wieder dabei sein könnten. Stichwort: Belastungssteuerung.

Apropos: Morgen werde ich leider njr mit unserem Rautenperle-Talk bei Euch sein. Dafür rückt mein Co-Autor Christian Hoch in die erste Reihe und begrüßt Euch zunächst pünktlich wie immer um 7.30 Uhr mit dem MorningCall, ehe er Euch am Abend dann mit dem Tagesblog noch einmal das Aktuellste vom Tage berichten wird. Ich wünsche Euch bis dahin einen schönen Mittwochabend mit hoffentlich interessanten Champions-League-Duellen. Bis dahin!

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