Marcus Scholz

1. April 2018

Geburtstage sind wichtige Tage. Aber die eigenen Geburtstage nehmen viele nicht zu ernst. Auch HSV-Trainer Christian Titz zählt offensichtlich zu denen, die sich selbst nicht zu gern feiern. Zumindest deutet sein Terminplan heute an seinem 47. Geburtstag daraufhin. Denn nachdem er früh im Büro erschien, um 11 Uhr das Training mit den Reservisten leitete, stand um 13 Uhr die Presserunde an dem Tag nach dem Spiel an. Direkt im Anschluss ging es in die Trainingsvorbereitung für die bevorstehende Woche, ehe am Nachmittag das Spiel der Konkurrenten aus Mainz gesehen wird. Damit durch geht es weiter zur Aufzeichnung des N3-Sportclubs, wo Titz heute Abend zu Gast sein wird. „Und danach werde ich mich mit ein paar lieben Menschen gemütlich hinsetzen und ein wenig feiern“, so Titz, dem dazu im Gegensatz sportlich gar nicht so recht zum Feiern zumute war.

Dennoch versuchte er nach dem ersten Bundesligapunkt seiner Karriere die positiven Aspekte in den Vordergrund zu stellen und lobte seine Mannschaft für ihren Auftritt bis zum Gegentreffer. Der allerdings hatte es in sich. Denn es war gleich eine Kette von vermeidbaren Fehlern, die am Ende den ersten Bundesligasieg für Titz und den ersten seit nunmehr 15 Spieltagen für den HSV verhinderte. Angefangen bei dem seit Wochen schwächelnden Gotoku Sakai, der einen ewig lange in der Luft befindlichen Seitenwechsel unterlief, sich anschließend einfach auswackeln ließ und so die Flanke von Insua nicht verhindert. In der Mitte kann der bis dahin gute Stephan Ambrosius in seinem ersten Bundesligaspiel den Ball nicht ausreichend klären und köpft ihn dem Stuttgarter Thommy direkt vor die Füße, der abzieht und Pollersbeck schlecht aussehen lässt. Denn der HSV-Keeper, der ansonsten wieder ein gutes Spiel absolvierte, lässt den noch leicht abgefälschten Ball prallen und legt ihn somit dem einschussbereiten Ginczek direkt auf, den Santos in dieser Situation aus den Augen verliert. „Ich hasse ansonsten eigentlich nichts und nie – aber bei Gegentoren ist es ein ähnliches Gefühl“, so Titz heute, „zumal es eine lange Kette von Fehlern war, die vermeidbar waren.“ Stimmt. Leider. Denn so reichte es am Ende doch nur zu einem eher unbefriedigenden Punkt beim VfB Stuttgart, den man über weite Teile des Spiels sogar kontrollieren konnte. Allein offensiv reichte es nicht, um noch mal nachzulegen. Mal wieder nicht.

Drücken tut der Schuh allerdings auch defensiv, da sich Gideon Jung gestern die fünfte Gelbe abgeholt hat und Rick van Drongelen sich – habe ich überhaupt nicht mitbekommen – das Knie ein wenig gestaucht hat. „Es war eine Überstreckung drin. Aber das Kreuzband ist zum Glück nicht betroffen“, so Titz heute, ohne jedoch sagen zu können, ob der Niederländer bis zum Sonnabend gegen Schalke wieder einsetzbar ist. Da auch der Einsatz von Papadopoulos (Knie- und Wadenprobleme) noch offen ist, muss sich Titz schon mal nach Alternativen umsehen. Ambrosius wäre ein sicherer Kandidat. „Stephan hat das gut gemacht. Dass er seine Zweikämpfe und die Kopfbälle gewinnt – für mich war das nicht überraschend.“ Gleiches gilt für Matti Steinmann, der gestern wieder einmal bewies, dass ihm die Rolle des Sechsers im Titz-System steht. Ballsicher brachte er seine Pässe sicher an den eigenen Mann. Auch die etwas risikoreicheren kamen wieder an. Steinmann ist sowas wie der verlängerte Arm von Titz im Moment. „Matti führt spielerisch“, so Titz, der Steinmann heute noch mal extra lobte.

Dennoch, bei allen Komplimenten, Titz bleibt realistisch. „Wir sind doch eigentlich schon weg. Wir haben nichts mehr zu verlieren“, so der Trainer, der aber darauf besteht, nicht deshalb auf die Nachwuchsspieler zu setzen. „Das wäre eine Schwäche, die wir uns nicht erlauben können. Das wäre wie Aufgabe. Nein, ich setze weiterhin auf die Spieler, die gerade am besten passen. Unabhängig von Namen und Vorgeschichte.“ Und so muss es auch sein. Wenn auch klar ist, dass die Situation es zulässt. Neue Reize waren sogar notwendig, und sie wurden gesetzt. Mit Nachwuchskräften wie Ambroisus, Gouaida, Steinmann und Co. sowie mit Zurückgeholten (Holtby), nicht mehr Berücksichtigten (Diekmeier, Mathenia) und Aussortierten (Walace, Mavraj). Titz hat sich seinen Kader zusammengebaut und damit Reize gesetzt – aber vor allem ist eine klare Struktur zu erkennen. Titz macht einzelne Spieler besser, er macht den HSV besser - aber noch reicht das so nicht.

Zuletzt wurde immer wieder diskutiert, ob diese Mannschaft das spielerisch anspruchsvolle, offensive Titz-System überhaupt umsetzen kann. Und auch ich fand es sehr mutig, was Titz vorhatte. Aber die letzten beiden Spiele haben gezeigt, dass es möglich ist. Denn obwohl es im Ergebnis noch nicht zufriedenstellend ist, ist ein Anfang gemacht. Ein guter Anfang mit einem Trainer, der nicht nur einzelne Spieler besser macht, sondern der seine Idee auch umzusetzen weiß. Titz hat das, was mir bei Bernd Hollerbach in dessen sehr kurzer Zeit beim HSV fehlte: Eine Idee, wie man besser wird. Mit aller Konsequenz. Und da der Trainer es schon mit dem Personal aus dem eigenen Nachwuchs besser macht, bin ich mir sicher, dass es noch besser wird, wenn der Trainer auch die Möglichkeit bekommt, sich personell entsprechend zu verstärken.

Bis dahin muss es Titz mit Bordmitteln versuchen. Ob Albin Ekdal eine Alternative für die Innenverteidigung sei? „Bei Albin merkt man, dass er lange Zeit verletzt war. Er braucht eigentlich noch etwas Zeit“, so Titz, der ganz offensichtlich nicht vorhat, den Schweden gegen Schalke hinten zu bringen. Ob sich Gouaida für weitere Einsätze empfehlen konnte ließ Titz ebenfalls offen, indem er von vielen guten aber auch einigen weniger guten Szenen bei dem Linksfuß sprach. Und bei Gotoku Sakai, der meiner Meinung nach seit Wochen außer Form ist, machte Titz noch mal deutlich, dass er seinem Kapitän das nötige Vertrauen nicht nur geschenkt hat, sondern auch weiterhin schenkt. Auch eine Idee. Wobei auch hier das Ausschlussverfahren greift. Denn Sakai ist der einzige Verteidiger, der beidfüßig ist und über die technischen Möglichkeiten eines Mittelfeldspielers verfügt – auch, wenn er sie momentan nie zeigt. „Gotoku ist nicht der laute Typ, aber er spricht viel mit den Jungs. Er kommt eher über die warme, persönlichere Art“, so Titz, der hinzufügt, dass Sakai ganz bewusst sein Kapitän sei und dementsprechend auch sein Vertrauen genießt. Und auch das ist zumindest konsequent.

In diesem Sinne, bis morgen (übrigens trainingsfrei).

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