Marcus Scholz

14. Dezember 2020

Zwei Tage nach dem Spiel ist ein Tag vor dem Spiel. Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit erinnern, in der der HSV in aller Regelmäßigkeit unter der Woche ran musste. Und dafür waren oft längere, internationale Reisen vonnöten. Aber wie gesagt – lang ist es her. Und nicht vergleichbar. Ging es früher zwei Tage nach einem schweren Erstligaspiel gegen ein europäisches Topteam wie Juventus Turin, so ist es diesmal der SV Sandhausen, der den HSV drei Tage nach dem Auswärtsspiel bei Darmstadt 98 fordert. Auch schwer, aber eben ein paar Leistungsebenen unter dem damaligen Niveau.

 

Einer, dem man immer weder nachsagt, dass er nicht mehr das Niveau alter Tage habe und leistungstechnisch nicht mehr helfen könne, ist Aaron Hunt. Jahrelang geht das schon so. Hunt wird geliebt oder gehasst von den Fans – viel dazwischen gibt es nicht. Und trotz aller Diskussionen: am Ende spielt er dann doch immer wieder. Und immer wieder sogar besser als seine Kollegen. Zuletzt sorgte er in 15 Minuten gegen Hannover ebenso wie in 45 Minuten gegen Darmstadt für mehr offensives Leben im Spiel, als seine Kollegen zuvor alle zusammen. „Aaron hat das Spiel noch mal deutlich belebt. So wollten wir das sehen“, lobte Trainer Daniel Thioune im Nachgang seinen Routinier, der meiner Meinung nach endlich genau da angekommen ist, wo er sein sollte: Als Retter in der Not.

Ich hatte es schon häufiger thematisiert – und ich fühle mich immer mehr darin bestätigt: Spieler wie Aaron Hunt, Klaus Gjasula und Toni Leistner sind so lange Stabilisatoren, wie sie in den Schwächemomenten der jungen Spieler da sind. Ob das nebeneinander auf dem Platz passiert wie bei Leistner aktuell neben Ambrosius oder füreinander im Wechsel wie jetzt mit Hunt als Einwechselspieler – völlig egal. Am Ende ist nur wichtig, dass der HSV seine Spiele gewinnt und dabei noch seine jungen Talente weiter ausbildet.

Der Kicker schrieb es heute ganz richtig, wie ich finde, es geht um die Balance. Immer wieder. Das Spielerische muss mit dem kämpferischen ebenso korrelieren wie junges Heißblut und routinierte Erfahrung. „Nur mit Jungen geht es nicht“, sagen viele – und das stimmt. Aber mit vielen Jungen ist es möglich, wenn die Achse auf dem Platz funktioniert. Und das ist noch nicht der Fall.

Morgen droht zudem Klaus Gjasula auszufallen, nachdem sich die „starke Prellung“ seiner Nase vom Spieltag heute als Nasenbeinbruch herausstellte. Im Training am Abend spielte der defensive Mittelfeldspieler mit einer Gesichtsmaske. Ob er auch morgen Abend damit auflaufen kann, soll sich allerdings erst morgen Vormittag endgültig entscheiden. Offen (aber sehr wahrscheinlich) ist, ob Sonny Kittel morgen wieder im Kader stehen wird nach seiner Gelbrot-Sperre.

Sicher dabei ist Stand jetzt Simon Terodde. Und der wiederum funktioniert wie kein zweiter im Team. Im Gastspiel beim SV Darmstadt 98 (2:1) war Terodde erneut gnadenlos effizient: Der Mittelstürmer hatte zwar die wenigsten Ballkontakte aller Hamburger Feldspieler, entschied aber die Partie mit seinem fünften Doppelpack (Saisontore 10 und 11). Damit erhöhte Terodde sein Trefferkonto auf 129 - und ist damit längst der Rekordschütze der eingleisigen 2. Liga. Im gesamten Fußball-Unterhaus liegen nur noch Dieter Schatzschneider (154) und Karl-Heinz Mödraht (150) vor dem HSV-Toptorjäger. Da passt es ganz gut, dass am Dienstag (18.30 Uhr/Sky) mit dem SV Sandhausen einer von Teroddes Lieblingsgegnern im Volksparkstadion aufkreuzt. Denn in bislang zwölf Duellen mit dem SVS war der 32-Jährige schon an zwölf Treffern (7 Tore, fünf Torvorlagen) beteiligt.

 

HSV-Coach Daniel Thioune ist es aber gar nicht recht, wenn man den vor dem Darmstadt-Spiel zweimal erfolglos gebliebenen Angreifer allein auf dessen Tore reduziert. „Vor ein paar Tagen war Simon noch in der absoluten Tor-Krise und nun war er unsere Lebensversicherung. Ich sehe auch etwas mehr dazwischen“, sagte der 46-Jährige. Thioune will auch nichts davon wissen, dass sein Team eine Rechnung mit den Sandhäusern offen hat. Man habe eine Reihe von Akteuren, „die haben keine schlechten Erfahrungen mit Sandhausen“, sagte der Hecking-Nachfolger und meinte die Tatsache, dass von der damaligen Elf allenfalls drei oder vier Profis in der aktuellen HSV-Anfangsformation stehen werden. 

Der SV Sandhausen reist derweil mit personellen Sorgen nach Hamburg. Neben Abwehrchef Alexander Schirow, der sicher fehlen wird, droht auch Daniel Keita-Ruel auszufallen. Der mit fünf Treffern bislang beste SVS-Torschütze der Saison hat ebenfalls Knieschmerzen. Trainer Michael Schiele erinnerte heute noch mal an den 5:1-Erfolg seiner Mannschaft aus dem Vorjahr: „Die Spieler haben schöne Erinnerungen an Hamburg. Natürlich wartet eine Top-Mannschaft auf uns, aber wir wollen die wenigen Fehler des HSV kaltschnäuzig ausnutzen.“

Sollen sie es versuchen. Und auch, wenn ich (zumal nach sieben Spielern In Folge mit Gegentreffern) noch weit entfernt davon bin, die HSV-Abwehr als „Bollwerk“ zu bezeichnen, scheint dort etwas heranzuwachsen. Zumindest scheinen sich Ambrosius und Leistner immer besser zu verstehen. Sie flachsen sich im Training, via Social Media und sie wirken dabei so, als hätten sie Spaß daran, nebeneinander auf dem Platz zu stehen. Sollten sie es jetzt noch schaffen, diese Harmonie in Leistung umzumünzen und endlich mal wieder zu Null zu spielen, es  wäre zu schön.

Ebenfalls schön wäre es, wenn der HSV mal wieder Tempo in sein Offensivspiel bekäme. Gegen Hannover in der erste Halbzeit und gegen Darmstadt über fast die gesamte Spielzeit war das zu wenig. Im ´Zentrum fehlte der Leader, neben dem Jeremy Dudziak glänzen kann. Der Linksfuß zeigt es zwar immer wieder (gegen Hannover Teile der zweiten Halbzeit) in Ansätzen, aber Konstanz in sein Spiel bekommt er nicht. Und damit fehlt dem HSV Orientierung, da auch Gjasula und zuletzt Heyer nicht das Spiel ankurbeln, sondern eher absichern. Wenn dann über die Außen nahezu nichts geht, hängt auch ein Topstürmer wie Terodde in der Luft – womit wir wieder beim Thema Hunt wären.

Denn man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Konkurrenz im Team ist zumindest nicht besser als der Routinier. Kittel könnte – will aber irgendwie nicht. Und auch deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass Hunt morgen gegen Sandhausen beginnen wird. Ich würde mich über folgende  Startelf freuen:  

Ulreich – Vagnoman, Leistner, Ambrosius, Leibold – Heyer, Dudziak – Jatta, Hunt, Wintzheimer – Terodde.

Oder wie seht Ihr das? In diesem Sinne, bis morgen! Da leider wieder ohne Auswärtscouch, dafür aber nach dem Spiel wie gewohnt mit Blitzfazit. Bis dahin!

Scholle

 

 

 

 

 

 

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