Marcus Scholz

6. November 2019

Am Mittwochabend landete er. Frisch aus München eingeflogen kam er an Krücken, denn Josha Vagnoman darf seinen lädierten rechten Fuß noch nicht belasten. Was bisher noch nicht bekannt ist: Der Rechtsverteidiger des HSV ist am Montag in München in der Schön-Klinik von Professor Dr. Walther „erfolgreich“ operiert worden, wie mir der HSV auf Nachfrage mitteilte. Gut sechs Wochen muss der Fuß des jungen Rechtsverteidigers vorerst unbelastet gehalten werden. Nachdem man zuerst davon ausgegangen war, den gebrochen Fußwurzelknochen, auch ohne operativen Eingriff aushebeln zu können, ergab eine zweite Untersuchung ein anderes Ergebnis. Vor allem gab es die Möglichkeit, schnell zu operieren und die Ausfallzeit somit nicht noch weiter nach hinten hinauszuzögern.

Es war ein Eingriff, der in München vom HSV eng begleitet wurde. Und ein Eingriff, der unspektakulär klingt, der aber für einen gerade einmal 18 Jahre jungen Mann auch mental eine Belastung darstellt, die nicht zu unterschätzen ist. Zumal bei Vagnoman, der in den letzten Wochen eine emotionale Achterbahnfahrt hingelegt hat wie sonst kaum ein anderer im Team. „Josha ist ein eiskalter Hund“, hatte Christian Titz mal über Vagnoman gesagt und ihm eine außergewöhnlich hohe Fokussierung auf den Fußball nachgesagt. Vagnoman würde sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lassen. Und anders ist es wohl auch schwer zu erklären, dass Vagnoman den Weg ging, den er bis zu seiner Verletzung gegangen ist.

Vagnoman durchlief ein Wechselbad der Gefühle

Kurzer Rückblick: Im Sommer galt der damalige U20-Nationalspieler in der Vorbereitung als fünftes Rad am Wagen, nachdem der HSV auf den Außenverteidigerpositionen sowohl links als auch rechts noch einmal nachgebessert hatte. Tim Leibold kam aus Nürnberg für die linke Seite und gilt sicher ebenso als gesetzt, wie es für Jan Gyamerah zu Beginn galt. Dementsprechend gering waren Vagnoman Aussichten auf Einsatzzeiten. Und nachdem Vagnoman eine allenfalls sehr durchwachsene Vorbereitung hinlegte, schien die erste Saisonhälfte für den Youngster abgehakt. Er wurde zur U21 geschickt  - ein Glücksfall.

Denn Vagnoman spielte beim neuen Trainer Hannes Drews nicht nur gut, sondern er traf auch. Er sammelte verloren gegangenes Selbstvertrauen und und spielte dort - gut. Er traf in drei Spielen dreimal und empfahl sich so für Einsätze in der Profimannschaft, wo er seither regelmäßig im Kader stand und nach seinem ersten (Kurz)Einsatz am 16. August unter Hecking bis zum 16. September warten musste, bis er das erste Mal von beginn  an ran durfte. Ausgerechnet im prestigebeladenen, spektakulären Stadtderby beim FC St. Pauli debütierte er in dieser Saison in der Startelf. Mit bekanntem Ausgang.

Rechts wird's eng: Vagnoman fehlt HSV bis in den Februar 2020

Dennoch durfte Vagnoman weiter ran - auch, weil Hecking auf der Position nur bedingt Alternativen hatte, nachdem sich Gyamerah unmittelbar vor dem Derby im Training einen Wadenbeinbruch zugezogen hatte. Hecking lobte Vagnoman stark - und der lieferte. Er spielte sogar so gut, dass er von U21-Trainer Stefan Kuntz für die U21-Nationalmannschaft berufen wurde. Alles lief in dien richtige Richtung - bis Stuttgart kam. Im DFB-Pokal musste sich Vagnoman in der 95. Minute verletzt auswechseln lassen. Diagnose: Fußbruch. Ein Schock für den HSV und vor allem für den aufstrebenden Vagnoman selbst. Dass sich der Spieler heute Abend nach seiner Rückkehr nach Hause noch nicht äußern wollte - nachvollziehbar. Er muss erst einmal alles verdauen, was sich dort in den letzten Monaten um ihn herum zugetragen hat.

Und der HSV muss nachdenken. Wie wahrscheinlich ist es, dass Gyamerah und/oder dessen Ersatz Vagnoman bis zur Rückrunde wieder gesund werden? Angesichts der prognostizierten Rehaphasen von gut 12 Wochen bei Vagnoman und noch etwas länger für Gyamerah (von heute an gerechnet)  ist es nicht nur unwahrscheinlich sondern ausgeschlossen, dass der HSV beim ersten Rückrundenspiel am 28. Januar in Hamburg gegen Nürnberg auf einen der beiden Langzeitverletzten setzen kann. Und: Gäbe es ggf. einen internen Ersatz für den Ersatz, sprich für Khaled Narey, der zuvor zumeist offensiv rechts aufgelaufen war? Eher nicht. Mit Christoph Moritz und Jeremy Dudziak stehen zwar noch zwei Spieler im Kader, die diese Position spielen könnten, so Hecking zuletzt. Aber der HSV-Coach wirkte mit keiner von ihm genannten Notlösungen zufrieden. Gideon Jung, den ich da noch sehen würde, nannte er nicht einmal als Alternative.

Soll heißen, rechts hinten wird es eng. Egal wie. Bis zur Rückkehr von Gyamerah und Vagnoman könnte alternativ eine Dreierkette (Innenverteidiger hat der HSV genug) als Lösung dienen. Obwohl Hecking das bislang als eher unwahrscheinliche Lösung bezeichnet.

Dazugelernt: HSV kümmert sich vorbildlich um Vagnoman

Egal wie der HSV reagiert - eines hat er schon mal richtig gemacht: Seinen beiden verletzten Spielern hat man in deren schwierigen Phasen die Wertschätzung demonstriert, die in solchen Fällen in den letzten Jahren oftmals fehlte. Gyamerah hatte das heute im BILD-Interview deutlich gesagt. Und auch bei Vagnoman heißt es aus dem Umfeld, dass sich der HSV in den Tagen seit der Verletzung extrem um ihn bemüht habe. In München war mit Zacharias Flores sogar kurzfristig ein Physiotherapeut vom HSV extra für Vagnoman abgestellt worden. Zudem war HSV-Mannschaftsarzt Götz Welsch ständig auf Standby - auch während der OP in München. Mit anderen Worten: Der HSV macht das Beste aus einer schwierigen Situation.

Er hat in diesem Bereich unter der neuen Führung ganz offensichtlich dazugelernt. Und das gilt völlig unabhängig davon, wie man sich im Winter entscheidet. Zuletzt hieß es zwar, dass man  nicht plane, auf der Rechtsverteidigerposition noch einmal personell nachzubessern. Aber das könnte sich mit den aktuellen Ereignissen überholt haben. Dennoch, selbst wenn man hier noch jemanden dazuhalten sollte, wüssten sowohl Gyamerah als auch Vagnoman, dass sie beim HSV gut aufgehoben sind. Auch in schwierigen Zeiten. Und das könnte sich schon sehr bald auszahlen. Zumindest sammelte der HSV so in den letzten Wochen viele gute Argumente für die vereinsseitig geplante Verlängerung des noch bis 2021 laufenden Vertrages von Vagnoman.

Fällt Keeper Heuer Fernandes in Kiel aus?

Und wo wir schon beim Thema „dazulernen“ sind: Heute ließ Trainer Dieter Hecking Standards trainieren - defensiv wohlgemerkt. Wenn auch nur mit einer Mini-Besetzung, da gleich fünf Spieler fehlten. Stammkeeper Daniel Heuer Fernandes musste wegen eines Infektes passen. Ob und inwieweit das seinen Einsatz am Sonnabend in Kiel gefährdet ist noch offen, währen die anderen vier Ausfälle nur präventiv waren. Sonny Kittel, Rick van Drongelen, Bakery Jatta und Adrian Fein absolvierten ein individuelles Programm. Stichwort: Belastungssteuerung. Alle vier sollen aber morgen beim nicht öffentlichen Training wieder dabei sein können.

In diesem Sinne, morgen melde ich mich selbstverständlich wieder um 7.30 Uhr mit dem MorningCall bei Euch. Bis dahin Euch allen alles Gute und einen schönen Champions-League-Abend!

Scholle

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