Lars Pegelow

9. März 2018

Diejenigen, die dabei waren, werden diesen Tag nicht vergessen. Im Münchner Schneegestöber köpft Nigel de Jong in der 89. Minute das 2:1-Siegtor für den HSV. Es ist der erste Auswärtssieg der Hamburger beim FC Bayern seit 24 Jahren. Großer Jubel, Timothee Atouba tanzt diesen einmaligen Stelzen-Tanz vor der HSV-Fankurve – die Bayern habe ihre erste Heimniederlage überhaupt in der Allianz-Arena kassiert. Es war ein großer Hamburger Fußball-Tag, ein Tag, der Bundesliga-Geschichte geschrieben hat, an diesem 4. März 2006, an dem Boulahrouz, van der Vaart und die anderen am Thron der Bayern kratzten. Da hatte Trainer Thomas Doll seinem Gegenüber Felix Magath mal ein Schnippchen geschlagen.

 

Es sind Erinnerungen wie diese, die 5000 HSV-Fans begleiten werden nach München zum Klassiker, der vorübergehend das letzte Mal ausgetragen werden könnte. Bei den Bayern hat Nationalspieler Joshua Kimmich seinen Vertrag heute bis 2023 verlängert. „Ich finde schon, dass der Dino fehlen wird“, sagte Bayern-Trainer Jupp Heynckes heute etwas mitleidig – und nimmt damit vorweg, was noch nicht besiegelt, wenn auch extrem wahrscheinlich geworden ist. Für den HSV wird es darum gehen, den Wettkampfmodus beizubehalten, um nicht unter die Räder zu kommen. Die Ergebnisse der vergangenen Jahre, als der HSV regelmäßig mit Rekord-Niederlagen nach Hamburg zurückgeflogen ist, lassen nicht auf Münchner Gnade hoffen. Die HSV-Spieler müssen sich schon selbst bei der Ehre packen und versuchen, ihr Fell – auch nach dieser turbulenten Woche – teuer zu verkaufen.

 

Gestern wurde, unter anderem, heiß diskutiert, ob Bernd Hoffmann mit der Entlassung von Heribert Bruchhagen und Jens Todt den falschen Zeitpunkt gewählt hat, so kurz vor dem Bayern-Spiel. Wahrscheinlich hat er allerdings den richtigen Zeitpunkt erwischt, denn in diesem Auswärtsspiel hat der HSV sowieso nichts zu verlieren. Nach der Partie in München sowie den Auftritten von Mainz 05 heute Abend gegen Schalke sowie dem VfL Wolfsburg in Hoffenheim werden alle wissen, ob es nach der allerletzten Chance gegen Mainz vor sechs Tagen vielleicht doch noch eine aller-allerletzte Chance gibt im Heimspiel gegen Hertha BSC. So gesehen war es sicher viel besser, jetzt zu handeln als vor dem Hertha-Spiel.

 

Bernd Hollerbach hat Fragen nach dieser oder jener Aufstellung in den vergangenen Wochen – Jatta in Bremen, Schipplock gegen Mainz – immer stoisch und gleichlautend beantwortet. Er gehe bei seiner Nominierung danach, was ihm die Spieler insbesondere im Training anbieten. Vor dem Bayern-Spiel geht er von dieser Linie nicht ab, und das kann nur als Botschaft gemeint sein, dass nicht einfach laufen gelassen werden soll. „Es ist noch nicht entschieden“, sagte Hollerbach gestern mit Nachdruck. Wie sehr sind seine Spieler in der Lage, diese Aufforderung zu verinnerlichen? Jedenfalls sind diesmal Fiete Arp und Bobby Wood nicht mit im 18-Mann-Kader für das Bayern-Spiel. Außerdem fehlen Mergim Mavraj (Grippe), Nicolai Müller (Aufbautraining) und Albin Ekdal (Reha-Training).

 

Die Kollegen der „Bild“ haben heute einem interessanten Vorgang ein paar kleine Zeilen gewidmet. Es geht um den serbischen Nationalstürmer Aleksandar Mitrovic, an dem Ex-Sportchef Jens Todt in der Winterpause dran war. Dem Bericht zufolge verweigerte der HSV-Aufsichtsrat Ende Januar die Zustimmung für einen Leihdeal, der den HSV 750.000 Euro gekostet hätte. Mitrovic (33 Länderspiele) wechselte dann von Newcastle United nicht in die Bundesliga, sondern blieb auf der Insel und wurde zum FC Fulham transferiert.

 

Diesen Vorgang hat es so tatsächlich gegeben und er ist wirklich beachtlich. Das Lamento in Hamburg ist ja ziemlich groß, dass der HSV im Sturm so schlecht aufgestellt ist und die, nun ja, Angreifer den Ball so selten über die Torlinie drücken. Warum also wurde der Transfer von Mitrovic nicht genehmigt? Dass es im Winter überhaupt eine Chance auf ihn gab, lag an einer langen Sperre durch das Sportgericht der Premier League und später einer Rückenverletzung. Mitrovic hatte so bei Newcastle lediglich sechs Joker-Einsätze und brachte es auf einen Treffer. Von der Qualität des Stürmers waren die Hamburger Verantwortlichen dennoch überzeugt. Der Leih-Transfer hätte ohne Klaus-Michael Kühne abgewickelt werden können. Doch – wie gesagt – er wurde es nicht.

 

Vor diesem Hintergrund steht auch die Kritik an Jens Todt anders da. Er hat einen Alternativ-Stürmer präsentiert. Wenn der Aufsichtsrat diesem Geschäft die Zustimmung verweigert hat, weil er schon damals kein Vertrauen mehr in Todt hatte, so wäre diese Haltung legitim. Jedoch: Warum hat man Todt in dieser so wichtigen Winter-Transferphase dann überhaupt noch im Namen des HSV Geschäfte einfädeln lassen? In dieser Geschichte passt einiges nicht. Der Ruf des Aufsichtsrates als ein Gremium, das vor allem nur ganz schwer notwendige Entscheidungen trifft, erhält neue Nahrung. Durch Bernd Hoffmann, das wissen wir spätestens seit gestern, werden zumindest wieder Entscheidungen getroffen.

 

Übrigens: Seit seinem Wechsel in die zweite englische Liga nach Fulham hat Mitrovic – nach drei torlosen Spielen Anlauf – zuletzt fünf Tore in vier Spielen geschossen.

 

So könnte der HSV in München spielen: Mathenia – Sakai, Papadopoulos, van Drongelen, Douglas Santos – Walace, Jung – Jatta, Hunt, Kostic – Schipplock

 

Bei der defensiveren Alternative Dreierkette würde Dennis Diekmeier rechts ins Mittelfeld rücken und Aaron Hunt auf die Bank. Viel Spaß, allen die da sind, in München!

 

… und morgen ist Scholle hier wieder am Ruder.

 

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