Marcus Scholz

12. Juni 2018

Noch 48 Stunden in etwa. Dann geht es endlich wieder los. Sollte man meinen. Aber irgendwie habe ich die WM noch gar nicht so recht auf dem Schirm. Zum einen, weil beim HSV viel passiert ist, das ablenkt. Allein der Abstieg in die Zweitklassigkeit schafft irgendwie eine größer werdende Distanz zu den Besten der Besten. Dass man rund um die DFB-Elf dabei mehr über politische Hintergründe eines Teils ihrer Mannschaft diskutiert, potenziert die Distanz bislang. Und obwohl ich weiß, dass mich das Fußballfieber spätestens mit dem ersten Spiel der WM wieder einfangen wird, ist es diesmal anders als bei allen Weltmeisterschaften zuvor. Auch wegen des HSV.

Denn bei den letzten Turnieren habe ich immer wieder die Hoffnung gehabt, dass sich der HSV vielleichteinen Spieler angelt, der bei der WM auffällt. Diesmal ist es eher so, dass man hoffen muss, dass der HSV noch einen bis drei Spieler los wird, die bei der WM dabei sind. Wobei Gotoku Sakai seinen Vertrag gerade erst verlängert hat. Aber mit Filip Kostic und Albin Ekdal sind noch zwei Akteure dabei, die weg wollen – und auch verkauft werden sollen. Zum einen, um Geld in die Kassen zu spülen. Zum anderen, weil sie eh nicht bleiben wollen.

Ergo: Diesmal ist die WM auf vielen Ebenen anders. Das letzte Länderspiel gegen Saudi-Arabien hätte ich sogar fast vergessen... Nein, irgendwie umtreiben mich andere Themen derzeit. Es fühlt sich an wie eine neue Epoche Fußball, die viele ungeahnte Dinge mit sich bringt und weiterhin mit sich bringen wird. Anders eben. Auch deshalb bin ich bislang noch nicht so sehr auf das Thema WM eingegangen. Aber versprochen: Ab Donnerstag wird sich das ändern.

Gleichbleibend positiv sehe ich den Weg, den der HSV personell geht. „Beckers Hamburger Weg ist gut“ hatte ich vor ein paar Tagen geschrieben. Obgleich er in Wirklichkeit natürlich der von allen Beteiligten derzeit ist, also insbesondere von Trainer Titz und Becker im Doppelpass natürlich. Aber er ist einfach gut. Auch heute mit einer – zumindest für mich – ganz besonderen Personalie heute. Einer, die viele hier wahrscheinlich nur sehr beiläufig wahrnehmen. Aber eben auch einer, die zeigt, dass der HSV den Weg über die Identifikation mit dem Klub geht. Wen ich meine? Kusi Kwame.

Kusi wer – werden jetzt einige fragen. Und das auch zurecht. Bislang ist der 28-Jährige im Profifußball noch nicht aufgetaucht. Dritte Liga bei Fortuna Köln, zuletzt in Erfurt. Höher hinaus ging es für den Hamburger Jung noch nicht, was ich ehrlich gesagt nie verstanden habe. Denn Kusi ist körperlich zweifelsfreu erstligatauglich. Fußballerisch auch. Allein er wurde nie entdeckt. Bis jetzt. Bis der HSV kam. Hoffe ich für ihn. Denn Kusi ist nicht nur ein guter Freund, sondern ein toller Mensch, wie ich aus erster Hand weiß. Vor allem aber ist er seit Ewigkeiten HSV-Fan und wollte immer für eben diesen HSV spielen. Jetzt darf er es.

Kwame, der im defensiven Bereich alles spielen kann, beim HSV aber wohl auf der zentraldefensiven Position (als Steinmann-Ersatz) die noch mal verjüngte Mannschaft führen soll, wurde in Ghana geboren und kam mit einem Jahr nach Deutschland. Hier spielte er zunächst für Weiß-Blau 63, ehe er zum TSV Niendorf kam. Leider blieb er nicht, sondern ging zum VfL 93, wo er in der B-Jugend mit dem Fußball brach – und dann doch in der A-Jugend weitermachte. Über den USC Paloma, wo er mit 17 Jahren schon Oberliga spielte. Über Holstein Kiel ging es zum VfR Neumünster, Fortuna Köln, RW Erfurt – und jetzt endlich zum HSV, für den Kwame schon als kleiner Junge spielen wollte.

„Ich habe mit vielem gerechnet, viele Gespräche gehabt – aber dass der HSV kommt, das war für mich genauso überraschend wie eine Freude. Für mich geht ein Traum in Erfüllung. Ich bin zurück in der Heimat und kann hier auch noch bei meinem Wunschverein Fußball spielen“, freut sich Kwame, dessen Familie in Hamburg lebt. Kwame weiter: „Hätte man mir das vor dem ersten Anruf des HSV angeboten, dass ich für Geld zum HSV wechseln darf – ich hätte wahrscheinlich dafür bezahlt“, lacht der robuste Techniker. „Es gibt einfach im Fußball nicht viel Schöneres, als bei einem verein zu spielen, der einem am Herzen liegt. Dass ich in meinem Alter noch mal diese Gelegenheit bekomme – Wahnsinn.“

Kusi ist ein sehr erfahrener Spieler, der perfekt in unsere U21 passt. Wir verfolgen seinen Weg seit über zehn Jahren, wir kennen ihn also gut. Er ist Hamburger, er kennt die Regionalliga, hat dazu noch mit Henrik Giese zusammengespielt. Er soll bei uns genauso wie Henrik Führungsspieler sein“, sagt NLZ-Leiter Dr. Dieter Gudel. Und ich bin mir sicher: Das wird er. So viel Herzblut wie Kusi parallel zu seinen zweifellosen fußballerischen Qualitäten mitbringt – das wird passen. Zumal er derjenige sein soll, der den Opokus, Pfeiffers und Co. dieser Welt beim Sprung ins Profibusiness über die U21 helfen soll.

Auch deshalb haben wir übrigens in den letzten Wochen viel mit Kusi gesprochen. Seit letztem Jahr wollten wir ihn gern nach Hamburg zurückholen und ihn zu uns ins Team Niendorf holen, das ich mit einem meiner besten Freunde zusammen betreue. Er sollte bei uns in der Oberliga die Mannschaft führen, während wir versucht hätten, ihm parallel dazu beim Einstieg ins Berufsleben zu helfen. Dass er letztlich wegen eines Wechsels zum HSV absagt – es war die beste Absage, die ich je bekommen habe. Weil ich weiß, dass er hierher passt. Ich würde nicht einmal ausschließen, dass er seinen Traum von der Bundesliga noch mal leben darf. Aber eins nach dem anderen...

Erste Liga spielt Nicolai Müller. Sogar international ist der Rechtsaußen dabei. Seit eben steht fest, dass Müller per sofort zur Eintracht nach Frankfurt wechselt, wo er bereits in der Jugend fünf Jahre lang aktiv war. Müller unterschreibt bei der SGE einen Vertrag bis 2020 mit der Option auf ein weiteres Jahr. Und irgendwie passend zum heutigen Thema ist sein Kommentar zum Wechsel: „Heute ist ein schöner Tag für mich, weil ich immer Fan von Eintracht Frankfurt geblieben bin“, sagt der 30-Jährige. „Hier ist in den letzten Jahren einiges gewachsen und ich möchte meinen Beitrag zu weiteren Erfolgen leisten. Ich kann es kaum erwarten, wieder für die Eintracht aufzulaufen.“

Herzblut als Triebfeder? Sicher nicht nur. Aber es klingt zumindest ein wenig so, wie es bei Kusi tatsächlich ist.

In diesem Sinne, bis morgen.

Scholle

 

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