Marcus Scholz

11. Februar 2020

Niemand ist frei davon, Fehler zu machen. Ganz klar. Man muss es sich nur immer wieder vor Augen führen und daraus lernen. Und das gilt tatsächlich in allen Bereichen. Auf den heutigen Fall bezogen kann ich da sogar sehr gut bei mir selbst anfangen. Denn ich habe nach Gideon Jungs Einwechslung in Bochum zunächst über dessen erste Aktionen geschimpft. Darüber, dass Jung die Bälle zwar abzuräumen wusste, dem Spielaufbau aber nicht weiterhalf. Bis er mich eines Besseren belehrte und das vorentscheidende 3:1 für den HSV perfekt vorbereitete. Und nicht nur Dieter Hecking sprach nach diesem Spiel ebenso wie nach Jungs Kurzeinsätzen in den Heimspielen gegen Nürnberg und zuletzt Karlsruhe von guten Auftritten des defensiven Mittelfeldspielers, der sich damit bei der Suche nach einem Ersatz für den verletzten Adrian Fein in die Pole-Position brachte. Und das zurecht, wie ich zugeben muss, nein: möchte.

Dabei hatte ich schon zum Ende 2019 sowie in der Vorbereitung das Gefühl, dass der Trainer extrem viel Wert auf Gideon Jung setzt. Immer wieder lobte Hecking den Defensivmann des HSV - und immer wieder auch mehr als ich es vergleichsweise getan hätte. Dabei halte ich Jung für einen sehr wichtigen Spieler des HSV. Von der Einstellung her ist Jung tadellos. Ein Teamplayer, der bei seinen Kollegen extrem gut ankommt. Bei allen. Und auch so ist er ein außergewöhnlich sympathischer Typ, der das Herz am rechten Fleck zu haben scheint. Auch das Herz für den HSV. Gepaart mit seiner sportlichen Bedeutung bietet Jung eine gute Mischung. Er ist wichtig für die aktuellen Ziele des HSV. Als Innenverteidiger. Oder als reiner Abräumer im Mittelfeld. Aber eben nicht als kreativer Aufbauspieler.

Hecking lobt Jung als „belebendes Element“

Dachte ich. Trainer Hecking sah und sieht das anders. Auf die Frage, ob die Umstellung von Fein auf Jung auch spieltaktisch Veränderungen bedeuten würde, sagte der HSV-Trainer heute nur kurz: „Nein.“ Es habe ja auch bei den letzten drei Einwechslungen jeweils git funktioniert. „Er ist alle dreimal sehr gut reingekommen“, so Hecking. „Es war für ihn vom Innenverteidiger auf die Sechserposition sicher eine Umstellung, vom ganzen Spielverhalten her. Aber Gideon hat das in der ganzen Vorbereitung und im Training sehr gut gemacht. Er hat es vorher schon häufiger gespielt. Aber er war nach allen drei Einwechslungen sicher noch mal ein belebendes Element.“

Gegen Hannover wird Jung erstmals von Beginn an spielen. Was mich zunächst etwas skeptisch macht. Das ist so. Das kann ich nicht ändern. Aber ich sehe spielerisch einfach einen zu großen Qualitätsunterschied zwischen Jung und dem bisherigen ersten Aufbauspieler Fein. Denn während Letztgenannter den Ball mit einer naturgegebenen Sicherheit behaupten und im Aufbau an den Mann zu bringen versteht, so sehr hat Jung gerade hierbei seine Probleme.

Jung ist dafür schneller, zweikampfstark und aggressiv. Er ist ein guter Abräumer und vielleicht auch beim Spiel gegen die wieder erstarkten Hannoveraner gerade der genau richtige Mann auf der Position. Zumal seine Wirkung nicht allein an seinen persönlichen Qualitäten, sondern vor allem an der Zusammenstellung der Startelf hängt. Zuletzt begannen jeweils die offensivstarken Jeremy Dudziak und Louis Schaub vor Fein. Und auch beim kleinen Nordderby am Sonnabend in Hannover spricht vieles dafür, dass die beiden beginnen. Und einer der beiden - wenn nicht beide im Wechsel - wird einen Teil von Fein übernehmen müssen und sich die Bälle etwas tiefer holen müssen. Soll heißen: Jung sichert defensiv ab, erobert die Bälle - und spielt sie direkt weiter in die Kreativabteilung.

Auch Moritz, Kinsombi und Hunt sind Alternativen

Sollte es nicht so funktionieren, könnte Hecking dank der Kaderbreite reagieren. „Wir haben noch weitere Alternativen“, antwortete der HSV-Coach heute auf die Frage, ob nicht auch David Kinsombi eine Alternative für die Sechs darstelle. „Wir haben ja nicht nur die beiden, sondern auch noch zwei andere“, sagt Hecking und spricht damit zum einen Christoph Moritz an. „Es ist immer der Ansatz: was genau brauchen wir? Danach entscheide ich. Vielleicht ist auch Aaron Hunt als spielstarker Sechser eine Alternative. Er ist jetzt wieder eine Woche weiter. Da warten wir die Trainingswoche noch ab.“ Hunts Startelfwahrscheinlichkeit ist allerdings trotz dieser Worte eher gering.

Die Woche, das hatte Hecking schon am Sonnabend direkt nach dem 2:0 gegen Karlsruhe gesagt, werde generell zeigen, wer den Fokus bewahren konnte. Hecking machte das heute noch mal deutlich: „Die Trainingswoche wird zeigen, ob das die einzige Position ist, die wir wechseln müssen oder ob es mehrere Positionen sind. Ich lege mich da nicht fest. Dass ich das am Wochenende nach dem Karlsruhe-Spiel gesagt habe ist normal als Trainer. Du willst auch alle bei Laune halten. Das müssen wir jetzt auch. Aber letztendlich entscheidet die Trainingswoche, wer am Samstag in Hannover spielt und wer nicht. Es sollte sich keiner ausruhen. Dafür ist die Qualität im Kader eben doch enorm hoch. Wir haben keine Verletzungen mehr. Auch Jairo ist in dieser Woche wieder voll mit dabei und wird wieder angreifen wollen. Wir haben die Alternativen. Und wenn einer meint, er kann sich ein bisschen ausruhen, dann kann es am Samstag ein Erwachen geben.“

Dafür ist die Konkurrenz sowohl im Kader für jeden einzelnen zu groß - als auch in der Liga für den HSV an sich. Das 6:0 von Arminia Bielefeld am Wochenende hat noch einmal deren Ambitionen eindrucksvoll untermauert. Ich habe mir das Spiel in großen Teilen angesehen. Ob er sich das Spiel auch angesehen habe, wollte ich von Hecking heute wissen. Und der wiederum wusste natürlich sofort, worauf ich hinaus wollte. „Nur die erste halbe Stunde“, so die etwas schnippische Antwort des HSV-Trainers, der den Konkurrenten nicht zu stark reden wollte. „Ich habe da schnell gesehen, dass Regensburg gar nicht stattgefunden hat. Solche Tage, wo nichts geht, gibt es. Ich habe dann umgeschaltet auf Fürth.“ Das sei interessanter gewesen. Wobei der Coach auch da einen starken Konkurrenten sah: Hannover 96.

Harnik darf auf Einsatz im Angriff hoffen - nur wo?

Für Hecking ist die Rückkehr an die alte Wirkungsstätte ein Nach-Hause-Kommen. Nur 37 Kilometer von der AWD-Arena wohnt Hecking mit seiner Frau auf einem umgebauten Hof im 500-Seelen-Dorf Riepen. „Es ist schon etwas anderes“, gibt Hecking zu, dass di ePartie vor seiner Haustür kein normales Spiel für ihn ist. Und auch für Martin Harnik ist das Spiel bei Hannover 96 eine Rückkehr zum alten Arbeitgeber. Vielleicht sogar erstmals in diesem Jahr wieder auf dem Platz, nachdem der Angreifer zuletzt dreimal nicht spielte. Jetzt scheint er wieder fit zu sein. Glaubt Hecking. „Martin kommt jetzt langsam wieder dahin. Er war fast drei Wochen raus, da ist des nicht selbstverständlich, dass du gleich wieder auf Top-Niveau bist. Er muss die Trainingswoche jetzt nutzen.“

Sollte Harnik das wie gewünscht machen, könnte er als laufstarker Spieler wieder eine Alternative für die Außenbahn sein. Oder doch fürs Sturmzentrum? Dort hatte sich zuletzt Lukas Hinterseer so treffsicher präsentiert, dass seine Herausnehme schon ein wenig verwundern würde. Generell würde ein Wechsel - abgesehen von dem verletzungsbedingten Wechsel Feins - verwundern. Zumal Hecking heute andeutete, dass keiner seiner Spieler körperlich Probleme habe und somit auch keiner eine Pause bräuchte. „Die erste englische Woche haben wir überragend überstanden. Wenn Sie sich die Laufwerte anschauen, dann waren wir eine der Mannschaften, die am meisten gelaufen ist – auch was intensive Läufe angeht. Da sehe ich kein Problem.” Wie der Trainer Harniks Aussichten auf einen Startelfplatz sieht: „Er muss zeigen, dass er Gas gibt und bereit ist. Dass er das will, das weiß ich. Aber er muss es im Training eben auch untermauern. Wie jeder andere auch.“

Ich hatte vor der Saison mit einem Hannover96-Mitarbeiter gesprochen und ihn nach der Stimmung beim damaligen Aufstiegskandidaten gefragt. Als Antwort bekam ich, dass man sich bei H96 keine Gedanken über einen Aufstieg machen würde - dafür viel mehr über einen drohenden Abstieg nachdenken müsse. Damals kam es etwas überraschend - inzwischen hat sich das bewahrheitet. Zumindest bisher. denn heute heißt es, dass man sich gefangen habe. Das 3:1 bei Greuther Fürth am Sonntag unterstrich das Ganze dann noch einmal. Grund zur Sorge ist das für Hecking dennoch nicht: „Das sind doch genau die Spiele, die wir wollen. Hannover durch den Sieg in Fürth wieder etwas Vertrauen“, so der HSV-Coach über sein Heimspiel. Parallel dazu werden am Sonnabend 12.000 HSV-Anhänger in der AWD-Arena erwartet. Ob es am Ende für alle Hamburger ein Heimspiel wird? Hecking: „Das liegt an uns, ob es ein Heimspiel wird für uns. Wenn wir unsere Leistung abrufen, ja. Ansonsten werden die anderen 37.000 Zuschauer im Stadion feiern.“

 

Und bevor ich diesem Blog beende, habe ich noch zwei Fragen an Euch: Wer soll Eurer Meinung nach Adrian Fein auf der Sechs ersetzen? Seht Ihr dort auch Jung vorn? Und: Würdet Ihr im Angriff etwas verändern? Ich bin gespannt auf Eure Antworten!

In diesem Sinne, bis morgen! Da wird um 10 Uhr am Volksparkstadion trainiert. Ich melde mich vorher wieder mit dem MorningCall bei Euch! Bis dahin!

Scholle

 

P.S.: Julian Pollersbeck, der vergangene Woche schon Teile des Mannschafts- und vor allem des Torwarttrainings absolviert hatte, ist heute nach fünf Wochen Pause und überstandenem Bänderriss wieder voll ins Mannschaftstraining eingestiegen.

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