Marcus Scholz

6. August 2020

Wir Journalisten haben es gut. Zum einen dürfen wir dem Training des HSV beiwohnen, zum anderen dürfen wir im Gegensatz zu den Spielern die wenigen schattigen Bereiche des Volksparks nutzen. Zuschauen statt ackern und dabei ein paar neunmalkluge Sprüche und Urteile rausposaunen - so einfach geht’s manchmal. Und während wir die ersten richtig schönen Sommertage seit Wochen genießen, avanciert das Auslaufen der Spieler zu einem wippenden Gang. Zu kaputt sind sie. Zum einen die Keeper, die von Torwarttrainer Kay Rabe gescheucht werden, zum anderen die Rekonvaleszenten um Jan Gyamerah, die Individualtraining absolvieren. Aber letztlich trifft es auch auf die anderen Feldspieler zu, die heute unter Neutrainer Daniel Thioune Passübungen absolvierten, die mir gefielen. Warum? Weil sie da ansetzen, wo (sicher nicht nur)  ich beim HSV große Probleme ausgemacht hatte: dem Spieltempo.

Denn eines ist klar: Wenn man im Mittelfeld und vorn schon nicht die schnellsten Läufer hat, gibt es nur den Weg über schnelles Passspiel. Dazu zählen Passgeschwindig- und vor allem natürlich Genauigkeit. Ebenfalls essentiell sind schnelle Entscheidungen. Soll heißen: Der Kopf ersetzt die schnellen Beine und der genaue Pass schafft den Raum, den man ansonsten über schnelle Sprints schaffen kann. So kann auch ein vermeintlich langsamerer Spieler wie Aaron Hunt am Ende dafür sorgen, dass er ohne richtige Sprints das Spieltempo hochhält – und darum geht es Thioune ganz offensichtlich.

Gjasula bedient das Klischee des Rüpels gern

Vor allem jetzt, wo sich der HSV im Mittelfeldzentrum mit einem Spielertypen verstärkt hat, der Hunt einen Großteil der Defensivarbeit abnehmen kann: Klaus Gjasula, auch bekannt unter dem Spitznamen „Spartacus“. Der 30-Jährige zählt nicht zuletzt durch die 17 Gelben Karten aus der abgelaufenen Erstligasaison mit dem SC Paderborn zu den Härteren unter den harten Mittelfeldspielern. Er bringe die Elemente mit ein, die dem HSV im Laufe der vergangenen Saison zu oft gefehlt hätten, hatte Sportvorstand Jonas Boldt zuletzt gesagt. Und mit dieser Beschreibung hat er sicher nicht untertrieben. Im Gegenteil. 

Tobias Schweinsteiger hatte im Abendblatt-Podcast zuletzt einen für mich ganz entscheidenden Satz gesagt, der an sich viel zu wenig Beachtung gefunden hatte, wie ich finde. Der inzwischen als Cotrainer beim 1. FC Nürnberg angestellte Ex-HSV-Cotrainer sagte, dass man schon Ende  2019 das letztlich entscheidende Problem erkannt habe – dass man aber eben personell nicht so reagieren konnte, wie es nötig gewesen wäre. Er meinte damit wahrscheinlich die Position des Innenverteidigers – aber eben auch einen Spieler, der dazwischenhaut, wenn es nötig ist und der in der Luft bei hohen Bällen einfach mal alles wegrammt, was in die gefährliche Zone des HSV geflogen kommt. Und Gjasula ist genau so einer.

Nominell ist er zwar im defensiven Mittelfeld zuhause – aber er bringt eben die Qualitäten mit, die der HSV  braucht, um in der an sich schon sehr physischen Zweiten Liga zu bestehen. „Nur mit feinem Fußball wirst du in der Zweiten Liga nichts“, hatte schon Dieter Hecking in der abgelaufenen Saison gewarnt. Allein es fehlten ihm letztlich die Spieler, die eben genau in den Momenten dazwischenhauen. „Das kann ich“, sagt Gjasula und lacht dabei. Er weiß, welcher Ruf ihm vorauseilt. Und er bedient dieses Klischee sehr gern.

 

„Ich sehe mich einfach als Mentalitätsspieler. Jeder Spieler hat so seine Qualitäten. Und meine kommen halt eher über das Körperliche und ich versuche der Mannschaft damit so gut es geht zu helfen“, betont Gjasula und schiebt verteidigend hinterher: „Das heißt aber nicht, dass ich deshalb keinen Fußball spielen kann.“ Eine Rechtfertigung, die ihn schon seine ganze Karriere lang begleiten. „Mein fußballerischer Weg spiegelt so mein Leben wieder. Von unten hochgearbeitet – Step by Step. Jetzt bin ich hier und weiß, dass es sich gelohnt hat. Ich hoffe, dass das dem einen oder anderen jungen Spieler in schwierigen Phasen hilft, immer alles rauzuhauen und den Glauben nicht zu verlieren.“

Er sagt, wenn was zu sagen ist - ohne zu prügeln

Er selbst habe mit Mitte 20 einmal den Moment gehabt, wo er alles fallen lassen und aufgeben wollte. „Ich war kurz davor, aufzugeben. finde das Sprichwort gut: ‚Alles, was Du in den Fußball investierst, bekommst du irgendwann zurück.“ Und so sei es jetzt gekommen. Zuerst seine erste Erstligasaison, jetzt sei der HSV eine tolle neue Erfahrung. „Hamburg ist eine wunderschöne Stadt, ein toller Verein – ich kann nicht klagen. Für viele Fußballer ist es ein Traum, hier zu spielen.“ Für ihn auch, wie er betont. Jetzt ginge es darum, die Mannschaft kennenzulernen und den eigenen Platz im Team zu finden.

Dass der eine Führungsrolle beinhaltet, hatten sowohl Trainer Daniel Thioune als auch Sportvorstand Jonas Boldt zuletzt betont. Und auch Klaus „Spartacus“ Gjasula sieht sich in einer solchen Rolle. Allerdings nicht automatisch. Er müsse sich übers Sportliche dafür empfehlen, so der Mittelfeldspieler, der betont, dass es neben ihm noch einige andere Kandidaten für Führungsrollen gäbe. Was er in der Halbzeit bin der Kabine unternehmen würde, wenn das Spiel mal so gar nicht läuft? „Als erstes muss der Trainer die Ansagen machen. Ansonsten bin ich niemand, der jemanden durch die Kabine prügelt oder sonstwas. Aber wenn Sachen angesprochen werden müssen, dann bin ich jemand, der das tut. Über gewisse Dinge müssen wir quatschen, um unserem Ziel näher zu kommen.“

 

Rico Schmitt, Gjasulas einstiger Trainer in Offenbach und beim FC Halle ließ ihn grüßen über meinen Abendblatt-Kollegen Kai Schiller. Ein Trainer, der eine ganz wesentliche Rolle in Gjasulas Karriere hatte, wie er uns heute erzählte. „Unter ihm bin ich der Spieletyp geworden, der ich heute bin. Früher wollte ich nur mitspielen. Er hat mir das eingeimpft, das Eklige und im Zweikampf robuster zu spielen. Dadurch hat sich meine Karriere dann auch verändert.“

Gar nicht verändern will sich indes Josha Vagnoman. Heute kam das Gerücht auf, dass Hellas Verona an dem HSV-Rechtsverteidiger interessiert sei und vier Millionen Euro böte.  Eine Meldung, deren Ursprung ein windiger Berater aus Italien zu sein scheint. Zumindest wurde dieses Gerücht heute in Hamburg konsequent dementiert. „Josha hat keinerlei Ambitionen, etwas anderes zu machen“, so Berater Dr. Dieter Gudel. Und auch beim HSV weiß man nichts von einem Angebot aus der Serie A.

Insofern bleibt das Transferkarussell beim HSV weiterhin ruhig, während der FC St. Pauli heute schon den sechsten Neuzugang präsentierte. Wobei, nicht ganz: David Bates wird abgegeben. Der Innenverteidiger wechselt auf Leihbasis nach Brügge in die erste Belgische Liga. Sofern sich nach dem Medizincheck nicht noch etwas Neues ergeben hat, waren sich der HSV und Cercle Brügge bereits einig.  In diesem Sinne, bis morgen. Da melde ich mich natürlich wieder pünktlich um 7.30 Uhr mit dem MorningCall bei Euch und am Abend dann mit dem Neuesten vom Tage.

Bis dahin!

Scholle

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