Marcus Scholz

23. Februar 2018

Wie in den letzten Wochen immer wieder, freue ich mich, Euch auch diesmal einen Gastbeitrag hier reinstellen zu können. Diesmal von Giuseppe Cotrufo, dem Betreiber des Werder-Bremen-Facebook- und youtube-Blogs "Grün-Weiß schnackt". Das Besondere daran: Giuseppe lebt seit Jahren in Hamburg. Wie er trotzdem von der dunklen Seite der Macht eingeholt werden konnte, beschreibt er im beigefügten Text. Ich danke ihm auf jeden Fall dafür, dass er dabei hilft, dem brisanten Derby ein wenig von der überflüssigen Rivalität zu nehmen und das Ganze wieder ein bisschen herunterzubrechen auf das, was es ist: Ein Bundesligaspiel. Ein besonderes Bundesligaspiel, das wir hoffentlich nicht zum letzten Mal in diesem Jahr sehen können...

In diesem Sinne, viel Spaß beim Lesen:

„Junge, wieso bist du eigentlich Werder-Fan geworden?“ Eine Frage, die mir häufig gestellt wird. Dazu müsst ihr wissen: Ich lebe seit 2009, mit kurzer Unterbrechung, in der wunderschönen Stadt Hamburg und zu meinen Freunden zähle ich mittlerweile sogar Menschen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, in die falsche Raute verliebt haben. Sachen gibt’s… Aber so verkehrt ist die Frage nicht, denn aufgewachsen bin ich im Sauerland. Da, wo eine große Sympathie für den Pott vorgelebt wird und die Kinder sich fast ausschließlich zwischen der BVB- oder Schalke-Bettwäsche entscheiden müssen. Ausnahmen sind bekanntlich die Regel. Und Ausnahmekönner mit polarisierenden Charakterzügen fand ich irgendwie schon als Kind sehr, nennen wir es mal, anziehend. Kurzum: Mario Basler war damals der ausschlaggebende Grund, wieso ich mein Herz an Werder vergeben habe. Auch, wenn ich das heute vielleicht gar nicht mehr so laut sagen darf. Wenn ich dann ergänze, dass ich auch noch Italiener bin, ist es bei den meisten eh ganz vorbei. Stolz bin ich trotzdem auf diese Entscheidung pro Werder!

Genug Geschichte für heute, denn der Fokus richtet sich auch für mich gerade voll auf das Derby – das einzig wahre, das Nordderby. Nicht mehr so klangvoll wie vor einigen Jahren, für echte Fußball-Romantiker aber immer noch ein Stück weit Bundesliga-Geschichte. Böse Zungen würden jetzt sagen, dass dieses Duell noch immer auf Augenhöhe stattfindet. Nur, dass es heute Kampf um Klassenverbleib statt Europa heißt, traurig. Macht das Spiel aber nicht weniger wichtig.

Beide Clubs haben sich in den letzten Jahren nicht mit Ruhm bekleckert, das steht mal fest! Ich weiß noch, wie ich 2009 während meines Studiums ein sehr hitziges Gespräch mit einem Kommilitonen führte. Tenor: Er wollte mir erklären, wieso Elia der bessere Robben und der HSV-Kader so gut wie lange nicht ist. Heute wirkt das Gespräch fast wie Satire. Das hat sich der Verein selbst zuzuschreiben, Elia übrigens auch. Natürlich kehrt man bei Werder vor der eigenen Haustür, das muss man. Aber der HSV schafft es seit langer Zeit, eine Inkompetenz vorzuleben, die seinesgleichen sucht. Von falschen Personalentscheidungen auf und abseits des Platzes über Rucksackaffären bis hin zu einem Investor, der ohne jegliche Ahnung von der Materie an Entscheidungen beteiligt werden will und von dem man sich bis heute viel zu abhängig gemacht hat. Auweia, HSV. In der Hinsicht sind wir uns dann, trotz sportlicher Talfahrt, nicht sehr ähnlich. Und das sage ich in dem Wissen, dass mir in Bremen auch viele Dinge übel aufgestoßen sind.

Darum beneide ich alle, die es mit dem HSV halten, nicht wirklich. Es gibt allerdings eine Sache, der blickt man als Bremer schon ein wenig neidisch oder mindestens genervt entgegen: die Stadionuhr! Unabsteigbar. Bundesliga-Dino. All das ist tatsächlich ein griffiges Argument für den Wert eines Vereins, wenn’s sportlich nicht rund läuft. Denn das, lieber HSV, das ist tatsächlich eine Leistung – eine gute! Zuletzt häufig nur mit Ach und Krach, aber noch seid ihr da. Uns Bremer wollt ihr wahrscheinlich auch deshalb immer wieder zu einem Uhrenvergleich nötigen. An der Steilvorlage dafür hat Werder in der Saison 79/80 mit Nachdruck gearbeitet. Einfach wird es dieses Jahr für euch aber nicht. Ich weiß, wir sind ja auch noch längst nicht da unten raus, aber bei Werder gehe ich wieder optimistischer, als noch vor einigen Wochen, in die Spiele. Ein Gefühl, das meine Hamburger Freunde nicht wirklich mit mir teilen.

Achtung Spoiler: Ich werde jetzt etwas sagen, das Hamburger wahrscheinlich von jedem Bremer erwarten würden. Der HSV sollte absteigen. Nicht, weil er sich dann neu aufstellen könnte. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was danach beim HSV passieren würde. Einfach nur deshalb, weil das Dino-Gefasel dann endlich ein Ende hätte. Punkt. Ich meine: Hey, ihr seid unser Lieblingsnachbar, also macht gefälligst auch mal das durch, was Werder erlebt hat. Mir ist bewusst, dass es nach verletztem Stolz klingen mag, aber ich sage das nicht, weil ich den HSV partout nicht mag. Ich sage es, weil er sich diesen Abstieg nun auch mal verdient hätte – und weil die Stadionuhr wirklich nervt. Nur mal kurz, denn ich bin auch ehrlich: Bundesliga ohne Nordderby, das ist wie Fußball ohne Tore. Kann man mal machen, über einen längeren Zeitraum ist das aber einfach nur falsch.

In diesem Sinne: auf ein gutes Nordderby!

Danke, Giuseppe. Das kann man so sehen - muss man aber nicht. Ich halte es da mal mit Dir und bleibe ehrlich: Der HSV sollte nicht absteigen. Noch immer nicht. Stattdessen muss er sich personell neu aufstellen. Von ganz oben angefangen. Aber das ist ja hinlänglich bekannt...

Ich melde mich nachher wieder bei Euch. Dann mit den letzten Infos zum Kader, der morgen in Bremen dafür sorgen soll, "den Bock endlich umzustoßen"...

Scholle

 

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