Marcus Scholz

2. Mai 2020

War es das schon, bevor es überhaupt losgehen konnte? Viele meiner Bekannten nehmen das an. Zumindest die, die nicht näher an den Profiklubs dran sind. Soll heißen: Meine „normalen“ Freunde gehen größtenteils davon aus, dass die Saison nicht durchgeführt werden kann - alle anderen wissen um das Drängen der Klubverantwortlichen auf Saisonfortsetzung unter allen Umständen und rechnen damit, dass trotzdem der Versuch unternommen wird. Sich ich. Ob das sinnvoll ist? Das weiß ich nicht. Es fühlt sich für mich aktuell nicht gut an. Aber das ist nur ein Bauchgefühl. Denn ehrlich gesagt wird keiner wirklich wissen können, ob die Saisonfortsetzung wirklich sinnvoll ist. Und noch weniger, ob sie letztlich überhaupt zu Ende durchgeführt werden kann. Dass nun ausgerechnet eine Woche vor der vermeintlichen Entscheidung beim ersten offiziellen Corona-Test drei positive Fälle beim 1. FC Köln auftauchen - bitter für alle Beteiligten der 36 Profiklubs und die DFL.

Trotzdem gehe ich davon aus, dass der Versuch unternommen wird. Mit den Kölner Ergebnissen als Generalprobe für spätere Fälle. Denn dass im Laufe der nächsten Wochen auch bei den Profis Corona-Erkrankungen auftauchen können, ist allen bewusst gewesen und galt als wahrscheinlich. Und dann werden die Verantwortlichen zeigen müssen, inwieweit die Solidarität anhält. Bislang sieht das Sicherheitskonzept der DFL vor, dass bei einem positiven Corona-Fall innerhalb eines Teams zunächst keine automatische Meldung an die Presse erfolgen soll, sondern zuerst das zuständige Gesundheitsamt informiert wird. Anschließend soll auch nur der betroffene Spieler in Quarantäne, nicht die gesamte Mannschaft. Warum das so ist? Leicht erklärbar, schwerer nachzuvollziehen: Es soll einfach immer genug Spieler geben, die noch für den jeweiligen Klub antreten können. Es wird gespielt, bis die Spieler nicht mehr spielen können. Deshalb sollen die Klubs vorsorglich „für einen ausreichend großen Kader im Saisonfinale sorgen“, heißt es in dem Papier der Task Force der DFL. Mit anderen Worten: Die Kölner müssen auf zwei Spieler und einen Offiziellen für die nächsten zwei Wochen verzichten.

Kölner Corona-Fälle offenbaren Schwachstellen

Dass man sich in Zeiten, in denen die Politik tatsächlich rechtlich anfechtbare Einschnitte in den Datenschutz der Menschen (Corona-App etc.) veranlassen will, beim Fußball plötzlich derart großzügig zeigt, ist zu viel des Guten. Meiner Meinung nach. Es darf gern versucht werden, durchzukommen. Aber es kann nicht sein, dass Millionen Menschen weltweit in Quarantäne gesteckt werden, wenn sie auch nur einen Tag in der Nähe eines Corona-Infizierten waren - und beim Fußballer wird dessen Infektion verheimlicht. Wider alle sonstigen Vorkehrungen wird hier eine Sonderbehandlung sogar befürwortet, die ansonsten unter Androhung von Geldstrafen verboten ist. Wobei, während ich das gerade schreibe, fällt mir auf: Eigentlich ist das Bekanntwerden der Kölner Corona-Fälle ja ein Beispiel dafür, dass es eben doch nicht verheimlicht werden kann. Nur darf es auch kein Kampf der Journalisten werden, herauszufinden, was die Vereine und die DFL zu vertuschen versuchen.

 

Nein, der Fußball muss bei allen Sonderrechten und einem zweifelsfrei gut durchdachten Sicherheitskonzeptes dennoch seine natürlichen Grenzen kennen. Und dazu gehört es auch, die Kranken wie Kranke zu behandeln - inklusive aller Konsequenzen. Für den 1. FC Köln bedeutet das: Quarantäne für die restliche Spieler. Was passiert beispielsweise, wenn sich in einer Mannschaft wie dem HSV plötzlich acht, zehn, 12 oder noch mehr Spieler krank melden und/oder zeitgleich verletzt sind? Werden dann Piotr Trochowski und Marcell Jansen aus der Dritten hochgezogen? Spielen dann plötzlich verbesserte U21-Mannschaften um den Auf- und Abstieg der Klubs?  Nein, ich hatte hier vor ein paar Tagen schon geschrieben, dass sich die Vollzeit-Quarantäne für die Fußballer dieser 36 Profiklubs für ebenso unwürdig wie einziges Stilmittel für eine garantierte Saisonfortsetzung halte.

Vollquarantäne: Unzumutbar oder letzte Möglichkeit?

Und wer jetzt wieder mit den Coronatestungen als Argument gegen die Bundesligafortsetzung kommt, hier noch einmal: Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts werden die Kapazitäten für Corona-Tests in Deutschland bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Es seien wöchentlich 400.000 Tests mehr möglich. Die rund 20.000 Tests, die die Bundesliga bis Saisonende einplant, dürften hier keine allgemein gefährdenden Auswirkungen haben. Viel wichtiger bei allem, was hier gerade besprochen und diskutiert wird, sind in meinen Augen die Spieler und anderen Klubangestellten. Was passiert beispielsweise, wenn sich ein Spieler weigert, weil er das Risiko eben nicht eingehen will? Muss er mit Konsequenzen seitens des eigenen Klubs rechnen? Oder ist die Saisonfortsetzung wirklich zu 100% freiwillig von den Spielern befürwortet?

 

Egal wie man es dreht und wendet: Die Saisonfortsetzung bleibt höchst diskutabel. Und ich für meinen Teil würde mich sehr freuen, wenn es funktionieren würde und dadurch wenigstens ein großer Teil der Angestellten der 36 Profiklubs ihre Jobs behalten können. Ich freue mich auch auf Fußball, logisch. oberflächlich betrachtet. Aber genauso, wie ich meine persönliche Meinung über den Shutdown nicht über die allgemein gültigen Verhaltensregeln stellen kann und auch nicht stellen werde, muss es die Bundesliga auch. Soll heißen: Wenn wirklich alle Klubs samt aller Spieler diese Saisonfortsetzung wollen, dann müssen sie das Maximalmaß an Vorkehrungen treffen. Und anders als bisher geplant, bedeutet das, dass die Spieler allesamt in Vollzeitquarantäne gehen und diese fünf oder sechs Wochen dort bleiben müssten, um jegliche Ansteckung auszuschließen. Eine Idee, die ich für menschlich unzumutbar halte. Zumindest darf so etwas von keinem Spieler, Trainer und sonstigen Mitarbeiter verlangt werden - womit wir wieder bei dem Punkt sind, dass es in dieser Diskussion schlichtweg keinen Sieger geben kann. oder was meint Ihr? Ist die Vollquarantäne unzumutbar, die letzte Möglichkeit - oder kann es auch so gehen?

Die Saisonfortsetzung ist und bleibt auf jeden Fall eine schwer zu argumentierende Kompromisslösung, die auf der einen Seite diskutabel wirtschaftende Unternehmen und damit Arbeitsplätze retten - und auf der anderen Seite zum gesellschaftlichen Boomerang werden kann. Und eines ist nicht erst seit den Kölner Corona-Meldungen klar: Die Durchführbarkeit der Saisonfortsetzung hängt an einem seidenen Faden.

In diesem Sinne wünsche ich Euch, den Bundesligaprofis und auch sonst allen: bleibt gesund!

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