Andreas Kitzing

1. August 2020

Mit Andreas Kitzing schreibt heute ein weiterer, neuer Gastautor für die Rautenperle. Andreas analysiert für euch wirtschaftliche Themen rund um den HSV. Hauptberuflich hilft er mehr als 10.000 Sportlern und Vereinen - vom Dorfclub bis zur Bundesliga - bei der Suche nach Sponsoren. Wir freuen uns, dass Andreas für uns schreiben möchte und wünschen euch viel Spaß mit seinem ersten Blog. Euer Team Rautenperle.

 

Hauptsponsor weg, Stadionsponsor weg, Massenkündigungen bei Logen und Business Seats: Auf den ersten Blick sieht die Sponsoring-Lage beim HSV verheerend aus. Dennoch zeichnete Hendrik Schiphorst vom HSV-Vermarkter Sportfive im Abendblatt-Interview am 10. Juli ein optimistisches Bild und sprach im Zusammenhang mit dem Emirates-Ausstieg von einer „großen Chance“. Doch wie steht der HSV denn nun wirklich da?

Erstmal die Fakten:

  1. Die Schätzungen zu den Einnahmen durch das Emirates-Sponsoring schwanken erheblich: Das Abendblatt und die Mopo beziffern sie auf lediglich 1,4 Millionen Euro, das Fachmagazin SPONSORs und der Spiegel schätzen sie auf 2 Millionen Euro und das Marketing-Magazin Absatzwirtschaft auf „etwas über 4 Millionen Euro“.
     

  2. Klaus-Michael Kühne hat übereinstimmenden Quellen zu Folge etwa vier Millionen Euro dafür überwiesen, dass das Stadion weiterhin „Volksparkstadion“ heißen durfte.
     

  3. Die Einnahmen aus Business-Seats und Logen sind schwieriger zu schätzen, dürften in einer normalen Saison aber zwischen 14 und 17 Millionen Euro liegen.1

Sollten tatsächlich, wie das Abendblatt schreibt, 40% der Business-Kunden ihre Hospitality-Plätze gekündigt haben, fehlen dem HSV Stand jetzt also ca. 6 Millionen Euro für Trikotbrust und Stadion, und in etwa der gleiche Betrag an Hospitality-Einnahmen. Um es ins Verhältnis zu setzen: Das entspricht in einer normalen, nicht von einer Pandemie betroffenen Zweitligasaison ungefähr 10% des gesamten Umsatzes der HSV Fußball AG.

Wer kommt aufs Trikot?

Schiphorst spricht gegenüber dem Abendblatt davon, dass es durch den Wechsel des Hauptsponsors „finanziell für den HSV mehr Chancen als Risiken“ gibt. Sollten das Abendblatt und die Mopo Recht haben und Emirates zuletzt wirklich nur 1,4 Millionen Euro gezahlt haben, ist an Schiphorsts Einschätzung sicherlich etwas dran.

Laut „SPONSORs Vermarktungscheck“ haben Trikotsponsoren in der zweiten Liga in der vergangenen Saison im Durchschnitt 1,5 Millionen Euro pro Jahr gezahlt. Wenn der HSV mit Emirates nicht einmal den Liga-Durchschnitt erreicht hätte und – als HSV-Fan mindestens genauso schmerzhaft – sogar weniger eingenommen hätte als der FC St. Pauli, dann könnte er sich tatsächlich darüber freuen, sich jetzt einen neuen Partner suchen zu dürfen. Ein Preis zwischen zwei und drei Millionen Euro wäre in normalen Zeiten sicherlich realisierbar.

 

Leider befinden wir uns nicht in normalen Zeiten. Durch die Corona-Krise ist der Pool potenzieller Partner deutlich geschrumpft. Unternehmen, die Mitarbeiter entlassen oder Staatshilfen beantragen müssen, werden kaum das Budget für ein Millionen-Engagement im Profifußball aufbringen können.

Auch das peinliche sportliche Abschneiden zum Ende der Saison macht die Aufgabe für Sportfive nicht einfacher. Die Begeisterung, seine Unternehmensmarke mit dem Image des HSV zu assoziieren, war in der Vergangenheit sicherlich schonmal höher.

Am meisten vom Trikotsponsoring profitieren würde wohl ein regional verankertes Unternehmen, das dennoch auch mit der überregionalen Reichweite des HSV etwas anfangen kann. Außerdem dürfte das Unternehmen nicht zu stark von Corona betroffen sein oder sogar von der Krise profitieren.

Unser aktueller Ärmelsponsor Popp erfüllt zum Beispiel all diese Kriterien. Ein norddeutsches Unternehmen, das bundesweit bekannt ist und tendenziell eher davon profitieren dürfte, dass aktuell viele Menschen mittags im Homeoffice etwas essen und nicht mit den Arbeitskollegen ins Restaurant gehen.

Keine Rollen spielen dürfte die Machineseeker Group mit ihren Marken Truckscout24 und Maschinensucher.de, die in der letzten Woche per LinkedIn-Post 750.000 Euro für das Trikot geboten hat. Hier ging es wohl eher um Gratis-PR auf Kosten des HSV als um ein ernstzunehmendes Angebot.

Wie heißt das Stadion?

Schwieriger als die Suche nach einem Trikotsponsor wird die Suche nach einem neuen Namensgeber fürs Stadion. Klaus-Michael Kühnes vier Millionen Euro pro Jahr waren für Zweitligaverhältnisse äußerst großzügig. Zum Vergleich: Hannover erhält von HDI 2,6 Millionen Euro pro Jahr, der VfL Bochum von Vonovia 1,5 Millionen Euro und Absteiger Wehen Wiesbaden von Britta 1,1 Millionen Euro. Alle anderen Zweitliga-Vereine der vergangenen Saison hatten ihr Namensrecht entweder nicht verkauft oder erhielten weniger als eine Million Euro pro Saison.

 

Der neue Sponsor würde außerdem vor dem Dilemma stehen, wie er das Stadion nennen soll. Wenn es (offiziell) nicht mehr „Volksparkstadion“ heißen soll, macht sich der Sponsor bei einem großen Teil der Fans unbeliebt. Wenn er es jedoch nicht umbenennt, ist der Werbe-Effekt außerhalb der Hamburger Fanszene gleich null.

Wahrscheinlich hängt der Stadionname davon ab, ob ein regionaler oder überregionaler Partner gefunden wird. Das Namensrecht nicht selbst zu nutzen und das Stadion weiterhin „Volksparkstadion“ zu nennen, rechnet sich eher für einen sehr stark mit der Region verwurzelten Sponsor – so wie die Privatperson Klaus-Michael Kühne.

Das beste Szenario für den HSV wäre es wahrscheinlich, wenn Kühne sich umstimmen lässt und den Vertrag doch noch verlängert. Dabei könnte der HSV auch in Kauf nehmen, dass die Konditionen etwas mehr auf Zweitliganiveau angepasst werden.

Wie geht es weiter?

Damit der HSV den Kader entsprechend des vorhandenen Budgets planen kann, muss Sportfive zeitnah Ergebnisse liefern. Hier kann es tatsächlich von Vorteil sein, dass der HSV mit einem externen Vermarkter zusammen arbeitet, der eher die Möglichkeiten hat, Mitarbeiter kurzfristig von anderen Projekten abzuziehen, um das Aufgabenvolumen beim HSV zu bewältigen.

Denn es gibt in der Tat viel zu tun. Bei aller Aufregung über Trikot und Stadionname darf nicht untergehen, dass auch die Business Seats vermarktet werden müssen. Ohne einen Plan, wann wie viele Zuschauer ins Stadion dürfen, wird das jedoch äußerst schwierig.

Gleiches gilt auch für viele andere stadiongeborene Rechte. Sponsoring-Einnahmen werden nicht nur durch lukrative TV-relevante Banden generiert, sondern auch durch die Vermarktung der Video-Leinwand, der Halbzeitshow, der nicht im Fernsehen sichtbaren Banden oder von Promotion-Aktionen im Stadion. All diese Werberechte funktionieren nur, wenn Zuschauer im Stadion sind.

Dass nebenbei auch die vorzeitige Vertragsverlängerung mit Ausrüster Adidas gescheitert ist, gerät dabei fast zur Nebensache. Gut, dass der bestehende Vertrag erst 2024 ausläuft, so dass die Suche nach einem neuen Ausrüster noch eine Weile warten kann.

Ex-Partner Emirates war auf der Suche nach einem Ersatz derweil deutlich schneller als der HSV: Vor einigen Tagen wurde Olympique Lyon als neuer Emirates-Club vorgestellt. Das Sponsoring-Volumen für die Fünf-Jahres-Partnerschaft soll angeblich bei 20 bis 25 Millionen Euro liegen – pro Saison! An leeren Kassen der Fluggesellschaft kann die Verlängerung beim HSV also nicht gescheitert sein…

1 In seinem Jahresabschluss weist der HSV nur den Sammelposten „Spielbetrieb“ aus, der auch die normalen Ticketing-Einnahmen beinhaltet. Um herauszurechnen, wie viel davon auf Business Seats und Logen entfällt, lohnt sich der Blick zur Konkurrenz: Der VfB Stuttgart, der im Verhältnis zur Stadionkapazität eine fast identische Anzahl Logen und Business Seats wie der HSV hat, weist Hospitality und Ticketing getrennt aus. Hospitality hat bei den Schwaben einen Anteil von 45% an den Gesamt-Einnahmen aus dem Spielbetrieb. Erreicht der HSV eine ähnliche Quote, müssten die Hospitality-Einnahmen bei 15 Millionen Euro pro Saison liegen.
Eine kurze Hochrechnung bestätigt das: Laut SPONSORs-Informationen zur Saison 2018/19 hatte der HSV 90% seiner 50 Logen zu Preisen zwischen 50.000 und 100.000 Euro verkauft, und außerdem 52% seiner 2.500 Business Seat-Dauerkarten zu Preisen zwischen 2.880 und 5.500 Euro. Nimmt man bei den Preisen jeweils den Mittelwert, ergibt sich für die saisonale Vermarktung ein Betrag von ziemlich genau 10 Millionen Euro. Dazu kommen noch die Tageseinnahmen der 1.200 Business Seats, die nicht als VIP-Dauerkartenplätze verkauft wurden. Setzt man hier die durchschnittliche Stadion-Auslastung (vor Corona) der vergangenen Saison von 83% an, ergeben sich bei 17 Heimspielen und durchschnittlich etwa 350 Euro pro Sitzplatz weitere Einnahmen in Höhe von 5,9 Millionen Euro, so dass man insgesamt bei 15,9 Millionen Euro landet.

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.