Marcus Scholz

27. August 2020

Wären nur alle so findig wie HSV-Finanzvorstand Frank Wettstein – man hätte den Kader wahrscheinlich längst zusammen und würde wahrscheinlich von der Champions League träumen. Das allerdings alles andere als geringe Problem hierbei: Es sieht fast alles schöner aus, als es in Wirklichkeit ist. Es ist alles nur geliehen. Ein Prinzip, das der HSV schon vor Wettstein sehr intensiv praktiziert hat und das wirtschaftlich dieses Jahr beim HSV dazu führen könnte, dass auch das letzte Eigenkapital aufgebraucht ist. Das zumindest vermuten einige (inzwischen) Außenstehende und sprechen von einem Verlust von 30 Millionen Euro für das laufende Geschäftsjahr.

Aber zurück zu dem Grund, der mich dazu gebracht hat, Wettstein erneut findige Lösungen nachzusagen: Fakt ist, der HSV braucht Geld. Banken sind hier keine gute Adresse mehr. Stichwort: Zinsen. In Sachen Sponsoring hängt der HSV gerade so weit hinterher, dass man auf dem Transfermarkt noch weitgehend untätig bleibt. Es gibt schlichtweg keine finanziellen Reserven. Zudem hat die Bundesregierung heute ziemlich klar gemacht, dass in den Fußballstadien weiter ohne Zuschauer gespielt werden muss. Eine Nutzung von 10 Prozent der Kapazitäten wurde in den Raum gestellt. Und das wahrscheinlich sogar bis Ende des Jahres, mindestens aber bis Ende Oktober.

Stadtderby findet ohne Fans statt

Das bedeutet auch für das Derby gegen den FC St. Pauli im Volksparkstadion, dass dieses Spiel ohne Zuschauer stattfindet. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder einigten sich am Donnerstag darauf, dass eine Arbeitsgruppe in den kommenden beiden Monaten einen Vorschlag für den Umgang mit Fans bei bundesweiten Sportveranstaltungen erarbeiten soll. Großveranstaltungen, bei denen eine Kontaktverfolgung und die Einhaltung von Hygieneregelungen nicht möglich ist, sollen jetzt schon bis mindestens Ende Dezember 2020 nicht stattfinden.

Es sei „nicht sinnvoll, im September mit Zuschauern zu starten“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). „Es ist mit einer steigenden Infektionszahl ein falsches Signal.“ Der Profi-Fußball startet mit der ersten Runde im DFB-Pokal am zweiten September-Wochenende in die neue Saison. Söder stellte zumindest in Aussicht, dass durch die Arbeitsgruppe «kleine, schrittweise Möglichkeiten» vereinbart werden könnten, und zwar «noch vor Weihnachten». Da gebe es «schon eine Perspektive», sagte der CSU-Politiker. Die 36 Vereine der Deutschen Fußball Liga hatten sich Anfang August auf ein einheitliches Vorgehen zur möglichen Rückkehr zumindest einiger Zuschauer in die Stadion geeinigt. Als einen zentralen Punkt beschlossen die Clubs, „bei ihren Spielen sicherzustellen, dass im Fall von Infektionen die Identität und Kontaktdaten möglicher und eventuell betroffener Stadionbesucher ermittelt werden können.“ Dies würde die geforderte Kontaktverfolgung ermöglichen.

Soll heißen: Der HSV muss davon ausgehen, dass ihm in bis zu sieben Heimspielen bis Jahresende Millioneneinnahmen verloren gehen. Summiert mit den schlechten  Nachrichten bislang von der Sponsorenfront muss man sich also was einfallen lassen. Und das hat der HSV. Denn der hat einen sogenannten Dauerkartenpfand in Höhe von 50 Euro eingeführt. Damit will der Verein auch auf eine mögliche Teilzulassung von Zuschauern vorbereitet sein, wie er am Donnerstag mitteilte. „Mit dem Dauerkartenpfand möchten wir diejenigen erfassen, die auch zukünftig ihren Stammplatz im Volksparkstadion erwerben wollen“, heißt es auf der Homepage des Vereins. Aktuelle Dauerkartenbesitzer sollen Auskunft geben, ob sie auch weiterhin an einem Saisonabo interessiert sind. Die 50 Euro werden auf den Preis einer neuen Dauerkarte angerechnet. Der reguläre Verkauf von Saisontickets ist derzeit ausgesetzt.

 

Mit dem Pfand erwirbt der Interessent außerdem ein Vorkaufsrecht auf jene Tickets, die bei einer möglichen Teilzulassung von Zuschauern angeboten werden. Die 50 Euro werden jedoch nicht auf deren Kauf angerechnet. Wer das nicht möchte, verliert sein Anrecht auf Verlängerung seines bisherigen Saisonabos. Rund 1000 HSV-Mitglieder, informierte der HSV, stünden auf der Warteliste für ein Saisonticket auf der Nordtribüne. Sie könnten dann berücksichtigt werden. Sollten in der bevorstehenden Saison keine Dauerkarten verkauft werden können, würde das Pfand entweder erstattet oder auf die Saison 2021/2022 übertragen werden.

Dauerkartenpfand soll kurzfristig helfen

Mit der Maßnahme kann der HSV kurzfristig zusätzliche Einnahmen generieren. Bei rund 24000 verkauften Dauerkarten kämen im Idealfall bis zu 1,2 Millionen Euro zusammen. Das Geld will er zwar wieder zurückzahlen beziehungsweise verrechnen. Mit einer möglichen Preiserhöhung für Saisontickets in der Folgesaison könnte er die Rückzahlung aber zumindest teilweise aufheben. Sozusagen eine Fan-Anleihe auf Dauerkarten-Ebene.

Auch deshalb kommen die Einschläge in Sachen Anteilsverkäufe immer näher. Es ist zumindest lange kein Zufall, dass diese Option seit Wochen von Aufsichtsratsboss und Vereinspräsident Marcell Jansen sowie von Wettstein ins Feld geführt wird. Man muss bei diesem sensiblen Thema eben eine Menge Vorarbeit leisten und sich ganz vorsichtig herantasten. Wobei, eigentlich nicht. Denn dem HSV läuft tatsächlich die Zeit weg. Und dabei würden auch die 1,2 Millionen Euro Pfand-Leihgelder nicht alles retten können. Das wissen alle verantwortlichen – auch die Ehemaligen. Pikanterweise machen aktuell genau die (Ex-)Verantwortlichen mächtig Stimmung gegen den Rettungsring, den sie vor einigen Monaten selbst noch protegieret hatten. Das ist übrigens das, was ich meinte, als ich vor einigen Tagen davon sprach, dass hier schon wieder mächtig Stimmung gemacht wird gegen die aktuellen Amtsträger.

Mit anderen Worten: Der HSV steckt mal wieder in einer Sackgasse. Auch sportlich, da Trainer Daniel Thioune so die Vorbereitung über nicht mit der Mannschaft wird trainieren und Dinge einstudieren können, die letztlich zu Saisonbeginn auf dem Platz stehen wird. Die Transferfrist läuft noch bis zum 5. Oktober.  Bis dahin sind drei Spieltage der Saison inklusive erster Runde DFB-Pokal werde man sich wohl gedulden müssen, hatte Boldt angekündigt. Und dass dem noch Führungsspieler fehlen, haben die drei Niederlagen in den vier Testspielen nicht nur deutlich gemacht. Das hatten zuletzt auch Thioune sowie Sportvorstand Jonas Boldt klar gesagt. „Säulenspieler“ nennt Boldt diese Führungskräfte, die dem HSV noch fehlen – und die noch kommen sollen. Die Frage ist nur: Wie? Und: Wann?

Wann hat Thioune seinen Kader zusammen?

„Wir haben einen Kader, um den uns viele in der 2. Liga beneiden. Ziele sollten grenzenlos sein, ich verschließe mich nicht vor dem, was nach vorne gehen kann“, sagte Thioune bei seinem Amtsantritt. Inzwischen hat er drei von vier Testspielen verloren und dabei selbst betont, dass Testspiele vordergründig zum Testen da seien – aber eben auch, dass Ergebnisse eine  Rolle spielen. Angesichts der letzten beiden Testspielgegner Feyenoord Rotterdam und Hertha BSC droht hier eine schwierige Bilanz bis zum ersten Pflichtspiel. Das hat der DFB heute übrigens terminiert. Im DFB-Pokal geht es in der ersten Runde am Montag den 14. September zu Dynamo Dresden. Anpfiff dort ist um 18.30 Uhr. Und spätestens dann reicht es eben nicht mehr, davon zu sprechen, was man nicht noch alles machen will. An dem Tag ebenso wie vier Tage später beim Saisonauftakt gegen Fortuna Düsseldorf muss man liefern.

Morgen geht es indes in Sachen Testspielen weiter. Dem Vernehmen nach dann auch mit Ewerton in der Innenverteidigung. Der  Brasilianer hatte zuletzt zwar schon mittrainieren können, wurde aber gegen Stuttgart gestern noch nicht eingesetzt. Sollte er tatsächlich fit und die erhoffte Hilfe sein, hätte der HSV damit schon einen ersten – zumindest gefühlten – Neuzugang als Säulenspieler für die Defensive. Hoffentlich. In diesem Sinne, bis morgen! Da melde ich mich um 7.30 Uhr wieder mit dem MorningCall bei Euch und werde Euch am Abend natürlich auch im Blog von dem fünften HSV-Testspiel gegen Feyenoord berichten.

Bis dahin!

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