Marcus Scholz

17. August 2020

Es gibt sie, diese Tage, an denen der Job einfach keinen Spaß macht. Die hat jeder. Und beim HSV hat man diese Tage in den letzten Jahren leider etwas häufiger als anderswo mitmachen. Und damit meine ich nicht allein den sportlichen Abstieg in die Zweite Liga bzw. den Nicht-Wederaufstieg in den letzten zwei Jahren. Schlimmer als das sind die nimmer endenden internen Streitigkeiten, die den HSV seit vielen Jahren Wettbewerbsnachteile verschafft haben. „Wir haben hier in den letzten 12 Monaten viele Entwicklungen angeschoben, die sich im Tabellenplatz nicht wiedergespiegelt haben“, hatte Sportvorstand Jonas Boldt zuletzt gesagt und damit die interne Ruhe angesprochen.  „Die Zusammenarbeit ist auf allen Ebenen von großem Vertrauen geprägt“, hatte Vereinspräsident und Aufsichtsratsboss Marcell Jansen ergänzt und betont, dass der aktuell um eine Person ärmere Zwei-Mann-Vorstand Boldt/Wettstein das absolute Vertrauen aller genieße. Abgesehen von den Außenstehenden – denn die machen schon wieder mobil.

Felix Magath hatte angefangen. Er machte diesmal nicht einmal vor seinem Kumpel Horst Hrubesch halt. Der Ex-Nationalspieler sieht die Verpflichtung von Hrubesch als Nachwuchschef beim HSV zwiespältig. „Jetzt haben sie endlich – das ist besser als alles davor – einen aus der früheren HSV-Sieger-Generation geholt, der weiß wie man Erfolg hat. Von daher ist dieser Schritt richtig», betonte Magath im „kicker“, „aber ich befürchte, dass diese Personalie nur für die Öffentlichkeit als Alibi herhalten soll.“ Magath bezweifelt, dass sich beim HSV nach dem erneut verpassten Bundesliga-Aufstieg Grundlegendes gebessert habe. Es habe zwar einen Trainerwechsel von Dieter Hecking zu Daniel Thioune gegeben, „aber die Entscheider sind geblieben.“

Fraktionen verhindern vernünftiges Arbeiten

Und das wiederum scheint nicht nur Magath ein Dorn im Auge zu sein. Im Hintergrund arbeiten schon wieder Ehemalige, Verstoßene und andere vom HSV Enttäuschte daran, ihre „Sorgen“ in Fraktionsformen zu organisieren. Von aberwitzigen Konstellationen ist da zu hören. Nach dem Motto: In der Not frisst der Teufel Fliegen. Da werden aus Feinden Freunde – und andersrum. Jede Personalie wird auf seine Fehlbarkeit untersucht – was gut ist. Und jede Personalie wird aus Prinzip als schlecht bezeichnet – was schlecht ist. Siehe Magath mit der Personalie Hrubesch. Es gibt sie einfach immer – die Opposition aus Prinzip. Auch jetzt.

Sich darüber aufzuregen ist tatsächlich sinnlos geworden. Es ist und bleibt beim HSV so, bis sich hier irgendwann wieder ein Erfolg einstellt, der alle Kritiker schweigen lässt. Und wie weit wir davon entfernt sind, das muss ich her sicher nicht erläutern. Schlimmer ist nur, dass die Kritiker diesmal auch noch Futter frei Haus bekommen. Und das in einer Qualität, die ausreicht, um hier einen neuen vereinspolitischen Streit vom Zaun zu brechen. Der Finanzvorstand Frank Wettstein hatte zuletzt in einem Abendblatt-Interview schon vorgelegt, Marcell Jansen heute im Abendblatt nachgezogen.

 

Inhalt ihrer beiden Botschaften war jedes Mal die 24,9-Prozent-Hürde – die es zu diskutieren gilt. Pandemiebedingt drohe der Aufgebrauch des Eigenkapitals – und daraus resultierend die Not, die in Stein gemeißelte Höchstgrenze von 24,9 Prozent zu diskutieren. Etwas, womit tatsächlich alle Kritiker schon seit Monaten rechnen. Intern soll dem Abendblatt zufolge Vizepräsident Thomas Schulz gegen die Öffnung der Verkaufsobergrenze wettern – obgleich er es war, der die Mitglieder vor Jahren noch dazu bewegen wollte, die Verkaufsobergrenze eben nicht in der Satzung zu manifestieren.

HSV baut vor: Soll 24,9-Prozent-Hürde fallen?

Generell aber ist diese seit Jahren immer wieder geführte Diskussion sowas wie die Achillesferse des HSV. Die Mitglieder hatten bis zuletzt mehr als deutlich gemacht, dass sie definitiv nicht mehr Anteile veräußern wollen. Und auch diesmal wäre eine Dreiviertelmehrheit auf einer Mitgliederversammlung nötig. Allein die finanziell größer werdende Not treibt nun die Verantwortlichen dazu, vorsichtig vorzufühlen, inwieweit man den Wunsch äußern kann, sein Wort zu brechen, ohne sich dabei bei den Mitgliedern die Finger zu verbrennen. So vorhersehbar das alles auch war – es droht großen Ärger zu verursachen.

Enttäuschend an dem Ganzen ist für mich tatsächlich nicht mehr, dass hier viele Egomanen versuchen, ihren Frust in populistischem Protest auszudrücken. Auch nicht, dass die Vereinsoffiziellen die Situation so lange schönreden, bis sie gar nicht mehr anders können. Viel schlimmer finde ich, dass dieser immer so groß geredete HSV in einer der reichsten Städte der Republik nicht in der Lage ist, selbige hinter sich zu bekommen. Weder emotional noch wirtschaftlich. Aus dem Neuanfang mit jungen Talenten wird eine Rückholaktion junger Spieler wie Opoku und David, bis wieder ein Spieler der Kategorie „Großer Name, alt und auf dem Weg zum Karriereende“ teuer eingekauft werden soll.

Der HSV braucht neue alte Freunde mehr denn je

Und damit will ich eine Verpflichtung Simon Teroddes gar nicht pauschal verurteilen. Vielmehr fehlt mir parallel dazu die Idee und der Mut zum Neuen. Der Mut, endlich einen neuen, eigenen Weg zu gehen. Denn der – so behaupte ich – würde dem HSV außen zumindest die Möglichkeit eröffnen, neue Freunde zu finden. Oder zumindest alte Freunde auf neuer Basis wieder zurückzugewinnen. Denn der HSV braucht neue oder zumindest neue alte Freunde. Mehr denn je, wie die ebenso lavierenden, wie klar erkennbar vorbereitenden Diskussionen um die Aufhebung der 24,9-Prozent-Hürde deutlich machen.

 

Es nervt tatsächlich nur noch, zuzusehen, wie sich alle das Leben schwerer machen, als es gesund ist. In einem so schweren Moment wie jetzt muss man erwarten können, dass den Verantwortlichen andere Wege einfallen, die entstandenen finanziellen Löcher mit Anteilsverkäufen zu stopfen. Der HSV muss endlich auch wirtschaftlich neue Wege gehen. Zumal dann, wenn das schon damit erreicht wäre, bei der Hamburger Wirtschaft wieder vorstellig und präsenter zu sein, als zuletzt. Da wähnte man sich angesichts der internationalen Sponsoren und des milliardenschweren Investors, Sponsors und Mäzens Klaus Michael Kühne, als etwas Besseres. Und das demonstrierte man nur zu deutlich. Das kleine Unternehmen aus dem direkten Umfeld war plötzlich nicht mehr so wichtig. Man hatte es ja...

Der HSV sollte Hamburg für sich wiederentdecken

Dementsprechend würde es für die aktuell Verantwortlichen, von denen lediglich Frank Wettstein auch vorher schon dabei war, extrem ungemütlich. Der HSV muss endlich den ungemütlichen Weg annehmen. Das bedeutet nämlich auch, Fehler einzugestehen, um glaubhaft sein Profil neu zu schärfen und neues Gehör beim direkten Nachbarunternehmen zu finden. Es gilt her, Entschuldigung zu sagen und um einen Neuanfang zu bitten.

Ich weiß, dass es andere Sphären sind – aber das Prinzip beim kleinen Amateurclub ist durchaus vergleichbar. Denn auch wir (ich spreche hier vom Niendorfer TSV, bei dem ich das mitverantworte) sind angewiesen auf finanzielle Unterstützung, also Sponsoren. Und wir machen da schon aus Prinzip im Umgang tatsächlich keinen Unterschied zwischen dem einfachen Fan, der mit ´nem Zehner pro Monat als Spende dabei ist, und dem Hauptsponsor. Denn wir wissen, wo wir herkommen. Natürlich hat der Hauptsponsor eine andere werbliche Präsenz. Er hat ja auch mehr bezahlt. Aber wir wissen auch, wie schnell Hauptsponsoren weg sein können. Denn in solchen Momenten braucht man Freunde. Und das wiederum sind nicht die, die sich wirtschaftlich Erfolg davon versprechen, wenn sie zahlen, sondern vor allem die, die sich emotional beim HSV zuhause fühlen.

Dieser HSV muss endlich auch hier lernen, dass er eben kein Erstligist mit dem Anspruch des internationalen Wettbewerbes ist, sondern ein finanziell (wie viele andere) strauchelnder Zweitligist, der gern wieder Erstligist sein will. Kurz gesagt: Die großen Gelder kommen nicht mehr von allein. Der werbewirksame Glanz alter Tage ist nichts mehr, worauf man sich verlassen kann. Dieser Glanz ist etwas, wofür man nicht nur einen, sondern gleich mehrere Schritte zurückgehen und wieder hart arbeiten muss. Am besten gemeinsam. Aber das wäre angesichts dieser Ansammlung von Egozentrikern im und um den HSV herum vielleicht zu viel verlangt für den Anfang...

Zwei Testpiele angesetzt - Trauer um Volkert

In diesem Sinne, bis morgen! Da melde ich mich um 7.30 Uhr wieder mit dem MorningCall bei Euch, ehe es am Nachmittag zum Training geht, das leider weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Aber bevor ich diesen Blog beende, noch der Hinweis auf zwei Testspiele des HSV gegen den dänischen Meister FC Midtjylland am Donnerstag sowie am Sonnabend gegen den dänischen Erstligisten Randers FC.

Noch wichtiger als alles das ist mir aber, hier einem tollen HSVer zu gedenken, der leider am Sonntag m Alter von 74 Jahren verstorben ist: Georg „Schorsch“ Volkert.

Ruhe in Frieden, Schorsch!

Scholle

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