Marcus Scholz

3. April 2020

Auch heute morgen klingelte der Wecker wieder früh. Um 4.45 Uhr ist die Nacht für Henning Bindzus in aller Regel beendet. Aufstehen, frisch machen, eine Runde mit dem Hund, kurzes Frühstück - und ab in die Firma heißt es für den 36 Jährigen mindestens fünfmal die Woche. Manchmal, wenn am Wochenende gespielt wird, ist der zweifache Familienvater auch dann noch einmal im Volksparkstadion, mit dem der einstige Amateurfußballer des SC Schwarzenbek eine ganz besondere Erinnerung verbindet. „Mein erstes Livespiel im Stadion war ein Nordderby gegen Werder Bremen im Volksparkstadion, dem alten noch“, so Bindzus. Seine Leidenschaft für den Fußball und insbesondere für den HSV hat er bis heute behalten. Dass er einmal für den HSV arbeiten würde war schon damals sein Traum. Allerdings als Spieler, wie er zugibt. Dass es dennoch für eine nicht minder wichtige Rolle beim HSV gereicht hat, kann man Bindzus nicht absprechen. Im Gegenteil: Aktuell ist der studierte Sportökonom operativ wichtiger denn je. Als „Direktor Business Relations & Marke“ des HSV ist Bindzus derjenige, der die Schnittstelle zum Club-Vermarkter Lagardère Sports bildet. Bindzus berichtete bis zuletzt an Bernd Hoffmann, den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des HSV. Neuerdings ist Frank Wettstein sein direkter Ansprechpartner.

Hoffmann war es auch, der den neuen starken Mann im Marketing des HSV wieder implementierte. Schon 2009 waren es Hoffmann und die damalige Vorstandsfrau Katja Kraus, die Bindzus als Praktikant der HSV-Fußballschule nach dessen Studium in Kiel zum HSV lotsten. Der damals frisch mit dem „Magister Atrium Sportwissenschaften/Sportökonmie“ ausgestattete ehemalige Amateurtorwart hatte bereits von 2009 bis 2013 im Marken- und Medienmanagement für den Club gearbeitet. Während seines Studiums hatte er mit Kommilitonen durch ein inzwischen weltweites Projekt für Aufsehen gesorgt, als er Fußball-Wettbewerbe für Obdachlose ins Leben rief. Und ähnlich altruistisch setzte sich seine Arbeit zunächst auch beim HSV fort, wo er die Stiftung „Hamburger Weg“ betreute, ehe er 2013 den HSV verließ und bis 2017 das Bundesliga-Sponsoring von Hermes, zunächst als Manager Sponsorships, verantwortlich leitete.

Bevor Bindzus jetzt wieder zum HSV zurückkehrte hat er fünf Jahre lang intensiv sein Netzwerk mit allen 36 Profiklubs ausbauen können, mit denen er ins einer Funktion bei Hermes in regelmäßigem Austausch stand. Ein Umstand, der 2019 dafür sorgte, dass der damalige Vorstandsboss Bernd Hoffmann Bindzus 2019 wieder zum HSV zurückholte und ihn zu seiner rechten Hand werden ließ. Vereinsintern behaupten viele sogar, dass Bindzus letztlich der operativ tätige war, während Bindzus selbst großen Wert auf die Feststellung legt, dass er von Hoffmanns Hilfe und einem starken Team in der HSV-Marketingabteilung profitiert habe. Fakt aber ist: Kein Angebot und kein Werbevertrag beim HSV wird geschlossen, ehe er von Bindzus begutachtet und unterschrieben ist.

 

Aber unabhängig davon, wer letztlich die treibende Kraft intern war, hat die Marketingabteilung des HSV unter Bindzus’ Leitung seither einen großen Schritt nach vorn, gemacht. Und so unangenehm Bindzus derartige Lobgesänge auch sind, an der Feststellung der Uni Braunschweig kommt auch er nicht vorbei. Seit 2012 ermittelt die Universität die stärksten Vereinsmarken der Fußball-Bundesliga. Dort hieß es in der letzten Studie Ende 2019: „Trotz des Abstieges in die zweite Bundesliga konnte sich der Nordclub durch signifikante Verbesserungen in Bezug auf die ‚Sympathie‘, ‚Qualität‘ und ‚Attraktivität' um 4,03 Punkte in der Markenstärke verbessern. Durch den Sprung von Platz 24 auf Platz 12 des Vereinsmarkenrankings ist der HSV der plätzemäßig größte Aufsteiger des diesjährigen Rankings.“ Ein Kompliment, das Bindzus als Teamerfolg wertet und als Motivation bezeichnet, den HSV in diesem Ranking, das von Borussia Dortmund angeführt wird, weiter nach vorn zu bringen.

Bindzus wird zum Krisenmanager des HSV

Und das in ungleich schwereren Zeiten als 2019. Die CoronaKrise, da macht auch Bindzus keinen Hehl draus, verunsichert. Aktuell muss sich der 36-Jährige immer wieder zwischen Feuerwehrmann und kreativem Kopf bewegen. Es gilt, die Vertragspartner zu begleiten, die durch die Coronapause noch nicht die vollständige Gegenleistung seitens des HSV bekommen haben. Dabei wird über alternative Möglichkeiten gesprochen, bis die Saison doch wieder fortgesetzt werden kann. Dass die Tage dabei auch für den Direktor Marketing deutlich länger werden - logisch. Zuletzt vorangetriebene Themen wie beispielsweise die Internationalisierung können derzeit nur sehr bedingt vorangetrieben werden. Aktuell heißt es auch hier beim HSV: Schadenbegrenzung.

Und dafür sehen sich beim HSV alle gut aufgestellt - auch dank Bindzus. Frank Wettstein, der sonstige Vorstand Finanzen, hat interimsweise den Aufgabenbereich Marketing von Hoffmann übernommen. Frank Wettstein hatte zuletzt auf die Frage, ob und wann man den dritten Vorstandsposten neu besetzen müsse, immer wieder geantwortet. „Wir sind so gut aufgestellt, dass wir hier überhaupt keinen Grund für übereilte Entscheidungen sehen.“ Und bei der Begründung dieser Aussage hat nicht nur vWettstein immer wieder auch den Namen Henning Bindzus genannt. Warum der ehemalige Landesligatorhüter des SC Schwarzenbek so hoch im Kurs steht, wollte ich von ihm wissen. Und ich bekam die Antwort: „Weil ich ein richtig gutes Team um mich herum habe.“ Worte, die perfekt zu dem neuen Bild passen, das der HSV nach außen und nach innen abgeben möchte.

 

So zumindest hatte es Marcell Jansen zuletzt immer wieder betont. Der neue Aufsichtsratsvorsitzende des HSV musste sich allerdings selbst vielen Vorwürfen erwehren, die vor allem von der Seite des enttäuschten ehemaligen Vorstandsboss Bernd Hoffmann und dessen Anhängern kamen. Insbesondere die BiILD-Gruppe glaubt, in Jansen die treibende Kraft gegen Hoffmann erkannt zu haben und sucht derzeit richtiggehend nach Fehlern beim ehemaligen Nationalspieler. Zuletzt wurde Jansen sogar nachgesagt, er habe ein Problem mit Trainer Dieter Hecking, was Jansen gegenüber der DPA heute entkräftete: „Ich kann bei solchen Spekulationen nur ungläubig den Kopfschütteln. Richtig ist, dass ich beim Spiel gegen Regensburg die erste Halbzeit unserer Mannschaft nicht gut fand und man mir das  bestimmt auch ansehen konnte. Mit der ersten Halbzeit des Regensburg-Spiels waren übrigens auch unsere Spieler und unser Trainerteam nicht zufrieden. Wenn aber jede Unmutsäußerung eines Vorstandes oder Aufsichtsrates bei Spielen einer Profimannschaft als Kritik am Trainer bewertet werden würde, gäbe es nach jedem Bundesligaspieltag etliche Krisensitzungen. Ich schätze Dieter Hecking sehr. Ich pflege zu ihm ein gutes, vertrauliches Verhältnis. Wir sprechen gelegentlich miteinander, tauschen uns auch mal aus, um die Meinung des anderen zu hören. Über die von Ihnen angesprochene Spekulation haben wir auch schon miteinander gesprochen und gelächelt.“

Jansen lacht über angebliche Probleme mit Hecking

Ob die Chance bestehe, dass Hecking auch über die Saison hinaus HSV-Trainer bleibt, wenn der Aufstieg nicht gelingt? Jansen: „Ich wüsste nicht, dass Trainerentscheidungen zum Aufgabenbereich des Aufsichtsratsvorsitzenden gehört. Diese Frage richtet sich vielmehr an den operativen Bereich des HSV, genauer gesagt müssten Sie das Jonas Boldt fragen. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass wir, sofern die Corona-Krise eine Fortsetzung der Saison zulässt, unsere sportlichen Ziele erreichen werden und sich diese Frage ohnehin erübrigt.“ Bleibt zu hoffen, dass auch in der Berichterstattung in den nächsten Wochen weniger Emotionen und Interessenlagen denn Fakten die Zeilen bestimmen und der HSV endlich einen Weg findet, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Wobei Hecking hier seine Zweifel hat. Nach den Corona-Zeiten befürchtet der HSV-Trainer, der heute beim HSV-Podcast zu Gast war, dass „alles wieder übertrieben nachgeholt werden möchte, was man gerade hat liegen lassen. Das ist auch die große Kunst, trotzdem aus dieser Phase ein bisschen was mitzunehmen für den normalen Wahnsinn, der irgendwann wieder losgehen wird.“ Beim HSV soll das übrigens am Montag passieren, nachdem man heute endlich die Ausnahmegenehmigung für Training in kleineren Gruppen erhalten hat. Wann genau es losgeht, wie die Aufteilungen vorgenommen werden, das ist noch offen. Fakt aber ist, dass es am Montag für die HSV-Profis wieder an den Ball geht. Vielleicht ist das ja das beste Mittel, um endlich wieder von den störenden Machtkämpfen auf Führungsebene wegzukommen. Es wäre ehrlich gesagt auch für mich eine gern genommene Abwechslung.

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Apropos: Eine sehr nette Abwechslung hatte ich heute auch beim ersten HSV-Quiz über unseren YouTube-Kanal mit Kevon, Janik und vielen Rautenperle-Freundinnen und -Freunden. Und obgleich mein Ergebnis zweifellos noch ausbaufähig ist, hat es riesige Spaß gemacht. Wer also Lust hat, das nächste Mal auch dabei zu sein - wir werden es Euch hier im Blog wieder rechtzeitig ankündigen!

In diesem Sinne, bis morgen! Habt alle einen schönen Freitagabend, bleibt zu Hause - und vor allem: Bleibt gesund!

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