Marcus Scholz

9. August 2019

Kurze Antworten, genervte Blicke, zurechtweisende Antworten - Dieter Hecking wird im Netz für seine Art, Pressekonferenzen zu führen, ordentlich gefeiert. Nicht erst seit der Jatta-Geschichte steht die Presse bei vielen Lesern/Hörern/Zuschauern in Misskredit gebracht. Da kommt ein erfahrener Trainer mit einer etwas schrofferen Art (beleidigend empfinde ich ihn nicht) gegenüber uns Journalisten gerade recht. Dass das Ganze in diesem Fall eigentlich komplett nebensächlich ist und die Thematik rund um den HSV nicht einmal peripher kratzt - es spielt für viele keine Rolle.

Die Gefahr hierbei: Man ergötzt sich an Nebensächlichkeiten und bleibt oberflächlich. Wie so oft in der heutigen Zeit entscheidet der Schein darüber, ob man etwas als gut oder schlecht empfindet. Leichtes Spiel für Blender und Populisten. Ein Zeitphänomen, das auch vor dem HSV nicht Halt macht und ein gefährliches Spiel darstellt, das leider immer wieder auch wir Journalisten mitspielen. Denn zu oft richtet sich der Inhalt nach der Zeile und nicht andersherum. Und was nicht in den Text passt, wird entweder gar nicht erst abgefragt (man will seine Geschichten nicht „totrecherchieren“) oder einfach mal verquer interpretiert. Ein Beispiel von heute aus dem Fall Jatta:

„Der Transfer von Bakery Jatta zum Hamburger SV ist, wie bei internationalen Spielertransfers üblich, über die Fifa-Plattform ‚Transfer Matching System‘ (TMS) erfasst worden. Darin wurde vom Gambischen Fußballverband die Identität des Spielers Bakery Jatta bestätigt und daraufhin die Internationale Freigabe (ITC) mit Player Passport (Spielerpass) erteilt.“ Weiter heißt es: „Als vorherigen Klub hat der Gambische Verband in TMS den Verein Brikama United angegeben, wo Jatta laut Eintrag von 1. Februar 2014 bis 30. Juni 2016 als Amateur registriert war.“

So weit zu den Fakten. Jetzt meine Frage: Was sagt uns der Text? Dass Jattas Wechsel als Bakery Jatta dadurch bestätigt ist? Dass es Bakery Jatta also schon in Gambia gegeben habe und er nicht gelogen hat, was seinen Namen betrifft? Ja - das sagt es mir. Also spricht es gegen die von der SportBild aufgestellte These. Aber wenn man mit allen Mitteln und auf Krampf versucht, seine eigene Geschichte nachträglich zu stützen, dann interpretiert man es eben einfach mal so:

„Die rätselhafte Geschichte um Bakery Jatta ist um ein weiteres Kapitel reicher. Fakt ist nun, dass seine Aussage, er habe vor der Unterschrift beim HSV im Sommer 2016 nie in einem Verein gespielt, falsch ist. Jatta kickte vor seiner Flucht nach Deutschland mit Amateur-Status für den gambischen Erstligisten Brikama United, wie die Deutsche Fußball Liga (DFL) auf Anfrage der „Sport Bild“ bestätigte.

Und damit komme ich zu dem Punkt, mit dem mich Hecking heute bei der Pressekonferenz komplett abgeholt hat: Ruhe. Der HSV-Trainer ermahnte alle Anwesenden, das Thema Jatta faktischer und sachlicher anstatt zu emotional anzugehen. Man solle aufhören, das Thema hochzukochen, um die Attraktivität des Themas aufrecht zu erhalten. Das Thema würde jetzt analytisch von den zuständigen Behörden und sonstigen Institutionen angegangen. Das reiche. Bedeutet: Bis zum Beweis der Schuld ist und bleibt Jatta unschuldig. Und ob er es am Ende auch bleibt, wird sich dann herausstellen. So oder so. Der einzige Unterschied: Die Behörden und Verbände stehen ob der Öffentlichkeit, die dieses Thema bis heute schon erfahren hat, unter einem ungleich höheren Druck als bei den allermeisten anderen Ermittlungen in Flüchtlingsangelegenheiten. Diese Ungleichbehandlung hat man also schon erreicht.

Hecking Worte sind richtig - und wichtig

Heckings Appell heute war daher wichtig. Und richtig, finde ich. Wenn auch etwas zu salopp formuliert, sagte er das grundsätzlich richtige und wichtige. Auch zum Sportlichen, wo er die Frage nach Jattas Nominierung am Sonntag gegen Chemnitz im DFB-Pokal als selbstverständlich abtat und betonte, dass es weder für ihn noch für Jatta bislang einen Anlass gäbe, im gegenseitigen Umgang etwas zu verändern. Normalität im Handeln gegen die Schlagzeilen, die die anklagenden Kollegen der Bild-Gruppe seit heute sogar in Gambia vor Ort zu beweisen versuchen - so versucht Hecking den Moment zu retten und Jatta die Basis für ein vorerst normales (Fußballer)Berufsleben zu bereiten.

Und diese Normalität sollten alle versuchen, wieder an den Tag zu legen. Denn die Diskussion um das Thema Jatta hat längst das Kernthema verlassen. Es gibt das „Team Jatta“ auf der einen und die böse Presse, hier im Speziellen die SportBILD und die BILD, auf der anderen Seite. Das Ganze mutiert zu einer pauschalen Presse-Schelte, die mindestens genauso unsachlich und ungesund ist, wie die nur auf Indizien basierende Jatta-Story, die damit kritisiert werden soll. Auch hierfür habe ich ein gutes Beispiel. Aus unserem Blog sogar. Heute wurde der Beitrag von „Bramfelder66“ zum Top-Kommentar hochgevotet. Und das zurecht, wie ich finde, denn Bramfelder 66 belegt seine Kritikpunkte, argumentiert sie aus und fügt sogar eigene Recherche anbei. Das ist top! Am Ende aber führt es im Fazit zu der Aussage:

Nur hoffe - und ich erwarte es sogar - dass die Sportbild und die Bild Hamburg zukünftig kaum noch Spielerinterviews bekommen werden. Ich erhoffe - und erwarte eigentlich auch - dass die Bildjournalisten keine Antworten mehr vom Trainer und vom Vorstand bekommen werden; eventueller Ausschluß HSV-PKs? Immerhin hat der HSV Hausrecht. Mit dieser halbgaren Recherche, die mal wieder den HSV auf die mediale Rampe gehoben hat, haben sich Sportbild/Bild klar vereinsschädigend verhalten.

Und damit übersteigert Bramfelder66 es aus meiner Sicht. Abgesehen davon, dass die Medien „SportBild“ und „BILD“ zwar zur selben Unternehmensgruppe gehören haben sie zwei verschiedene Redaktionen. Aber diese Generalschelte ist nicht zielführend. Fakt ist: Die Jatta-Story hätte meiner Meinung nach ohne klaren Beweis und nur auf Indizien fußend so auch nie gedruckt werden dürfen. In dem Moment, wo sich auf einen Schuldigen eingeschossen wird, ohne dafür Beweise zu haben, geht man zu weit. Das hatte ich in meinem ersten Blog über die Jatta-Geschichte („Gleiches Recht für alle“) geschrieben und damit auf die Unschuldsvermutung hingewiesen, die für Jatta gelten muss. Und dazu stehe ich weiter zu 100 Prozent. Allerdings muss man auch der SportBild zugestehen, ihre Geschichte nachzuweisen. Sollte das nicht gelingen und Jatta letztlich unschuldig sein - dann sind die Redakteure ein Fall für den Presserat. Nur der sollte hier entscheiden. Und dann könnte/sollte auch Jatta von seinem Recht Gebrauch machen, die entsprechende Zeitung auf Schadensersatz zu verklagen.

Auf der anderen Seite, und auch das hat Bramfelder66 gut aufgeschrieben, bietet diese Geschichte für den HSV die Chance, sich intern noch enger zusammenzufinden. Die Mannschaft macht es schon. Van Drongelen, Pollersbeck, Papadopoulos und selbst Fiete Arp haben sich per Posts auf den verschiedene Kanälen klar zu Jatta positioniert und damit nach außen verdeutlicht, dass man ihre Gemeinschaft nicht beschädigen könne, egal mit welcher Geschichte. Und auch wenn Hecking die Frage hiernach verneinte, um auch in dieser Richtung dem Thema nicht zu viel Bedeutung zuzugestehen, diese Chance bietet sich dem HSV derzeit. Und der Klub nutzt sie bislang hervorragend mit seinen klaren Positionierungen pro Spieler. Und das alles so souverän, dass ein Ausschluss der ermittelnden Zeitung meiner Meinung nach eher umsouverän wäre.

Es bleibt nur die Frage: Gibt es am Ende einen, oder zwei Verlierer?

Nein, der HSV, die Mannschaft und die Fans machen derzeit sehr viel richtig. Vor allem machen alle zusammen das Beste aus einer ungewollten, für Jatta üblen Situation. Und diesen Erkenntnis, dass man in Extremsituationen so eng zusammenstehen kann, sollten alle mitnehmen. Völlig unabhängig davon, ob Jatta am Ende Daffeh heißt und bei seiner Einreise gelogen hat oder nicht. Aber, und auch das müssen alle klar sehen: Wenn Jatta Urkunden gefälscht haben sollte, um sich so bei seiner Einreise Vorteile zu verschaffen, wird er sich dem deutschen Rechtssystem genauso stellen müssen wie er selbiges vollumfänglich für sich nutzen darf, um seine persönlichen Rechte zu wahren.

 

Fazit: Ich möchte hier wirklich nicht als der Markus Merk unter den Journalisten gelten und eigene Kollegen schelten. Das steht mir nicht zu. Aber auch wenn ich mich da wiederhole, muss ich es so deutlich sagen: Die Entscheidung, die Story mit derart weitreichenden Vorwürfen ohne einen einzigen Beweis aufzuschreiben, war falsch. Sie war sogar fahrlässig und widerspricht dem, was investigativen Journalismus ausmacht. Sollten die Kollegen im Nachhinein noch Beweise für ihre Vermutungen finden, rettet sie selbst das meiner Meinung nach nicht mehr aus diesem bereits geschehenen Unrecht. Im Gegenteil: Es würde in Jatta nur noch einen weiteren Verlierer hervorbringen - nach der SportBild.

Ewerton fällt nach Hunt und Letschert aus - Steinmann wechselt

Einen Verlust musste der HSV heute auch im Geheimtraining verzeichnen: Ewerton. Der Brasilianer, der seit knapp zwei Wochen mehr oder weniger voll mittrainieren konnte, verletzte sich heute am Sprunggelenk und wird am Sonntag in Chemnitz wohl ebenso ausfallen wie Aaron Hunt (Leiste) und Timo Letschert (Außenband). Derweil wechselt Matti Steinmann nach Neuseeland:

 

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird noch einmal trainiert, ehe es nach Chemnitz geht. Zu einem Pokalspiel, das Hecking durchaus dafür nutzen kann und offenbar auch will, um dem einen oder anderen Spieler Zeit auf dem Feld zu geben, der bisher noch nicht so zum Zug gekommen ist. Das allerdings gilt nicht für die Torhüter. da legte sich Hecking bereits fest: Heuer-Fernandes ist und bleibt auch im Pokal die Nummer eins.

Bis morgen!

Scholle

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