Marcus Scholz

22. Juni 2019

Es ist ein riskanter Plan, den Dieter Hecking da schmiedet. Dachte ich zunächst. Aber ehrlich gesagt ist er das gar nicht. Vielmehr macht Hecking nur das, was ihm die Situation vorschreibt, wenn er davon spricht, auf Bobby Wood setzen zu wollen. Denn der US-Amerikaner ist nunmal noch ein Jahr beim HSV unter Vertrag, kassiert dafür etwas mehr als zwei Millionen Euro. Und solang es keinen Abnehmer für den Angreifer gibt und der HSV keinen  neuen Angreifer parat hat - so lange wird Hecking auch nichts anderes machen, als zu versuchen, Wood für den HSV zu (re)aktivieren. Kurzum: Hecking macht in diesem Fall alles anders als seine Vorgänger - und damit macht er alles richtig. Er orientiert sich an den Möglichkeiten und akzeptiert Gegebenheiten. Auch die, die er nur zu gern ändern würde.

 

Es ist ein wenig so wie bei Fiete Arp in der vergangenen Saison - nur andersrum. Denn damals hat man vom Spieler den ersten Schritt (zurück) erwartet. Er sollte sich über gute Leistungen erst wieder anbieten, ehe man sich wieder mit ihm beschäftigen wollte. Und das passierte nicht. Klar, jetzt kann man sagen: Selbst Schuld, Fiete! Er hätte sich ja über bessere Trainingsleistungen - und die waren tatsächlich nicht so, dass man ihn unbedingt am Wochenende hätte aufstellen müssen! - anbieten können/müssen. Schließlich ist er Profi. Aber man hätte es auch andersrum machen können. Man hätte sich die Umstände anschauen und anfangen können, das zu machen, was man von einem Trainerteam erwarten darf: dass es Spieler besser macht.

Arbeitsauftrag: Spieler besser machen. Auch die schwierigen

Gerade so junge Leute wie Arp bedürfen dann eben doch einer intensiveren Behandlung als erfahrene Jungs. Und nicht selten sind sie sogar wert. Aktuellstes Beispiel: Luca Waldschmidt. Selbiges gilt übrigens auch für Querköpfe wie Bobby Wood einer zu sein scheint. In seiner ersten Zeit in Hamburg isolierte sich Wood schon größtenteils. Einzig Kyriakos Papadopoulos und Aaron Hunt hatten noch Zugang zu dem Angreifer, der sich ansonsten für nichts zu interessieren schien. In Hannover soll das sogar noch schlimmer gewesen  sein, wie man hört. Dort, wo Marvin Bakalorz übrigens seinen Vertrag verlängert und dementsprechend nicht nach Hamburg kommen wird, galt Wood als Gespenst. Denn obwohl er noch im Kader geführt wurde, hatte niemand irgendwas mit ihm zu tun. Wood sonderte sich schlichtweg ab.

„Die Vergangenheit kann ich nicht für mich als Maßstab nehmen“, sagt Hecking und spricht dabei Woods auch ihm bekannte schwierigen Jahre in Hamburg und Hannover an: „Für mich ist es ein Neustart mit jedem Spieler. Ich glaube, dass wir auch nicht in der Situation sind, Bobby Wood einfach beiseite zu stellen. Wir sind in einer Situation, in der die Baustelle Kader groß ist. Da hat jeder die Chance, sich in den kommenden Wochen so zu präsentieren, dass er dem Kader guttut.“ Und wer weiß, vielleicht schafft es Hecking ja tatsächlich, Wood noch mal so funktionieren zu lassen, wie er das einst für Union Berlin geschafft hat.

Wood ist eine tickende Zeitbombe - Hecking sucht den Zugang

Allein, darauf verlassen würde ich mich auch wieder nicht. Und damit komme ich zu dem eingangs erwähnten „riskanten Plan“ von Hecking. Denn Spieler wie Wood sind tickende Zeitbomben. Selbst wenn er jetzt funktioniert, heißt das noch nichts. Man weiß nie, wie lange man diesen Zustand konservieren kann. Kleinste Bodenwellen lassen können Wood schon komplett aus der Bahn fliegen lassen. Und ihn dann noch mal einzufangen ist in den letzten Jahren weder Bruno Labbadia, Markus Gisdol, Bernd Hollerbach und Christian Titz beim HSV, noch Andre Breitenreiter und Thomas Doll in Hannover gelungen. Hoffnung bringender Ansatz: Bei Union Berlin schaffte er in seiner letzten Zweitligasaison 17 Saisontore. In der ersten Liga waren es in drei Jahren danach nur noch zehn Treffer - insgesamt. Jetzt spielt er erstmals seit 2016 wieder Zweite Liga. „Lasst ihn doch erstmal ankommen und trainieren. Dann sehen wir weiter“, so Hecking, der in den nächsten Tagen auch ein erstes persönliches Gespräch mit Wood suchen will, um sich sein Bild zu machen.

 

Fazit: Bleibt Wood (weil man nichts für ihn finden konnte), kann Hecking immer von sich behaupten, auf ihn gesetzt zu haben. Dann können Hecking und Sportvorstand Jonas Boldt das gute, alte „Guter Bulle, böser Bulle“-Spielchen spielen. Soll heißen: Hier der Trainer, der gegen alle Widerstände auf Wood gesetzt hat - und da der böse Vorstand, der den Spieler verkaufen wollte und es ihm nicht zugetraut hat, sich in Hamburg sportlich durchzusetzen. Bestenfalls führt das Ganze sogar dazu, dass der Spieler ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Trainer aufbaut und so noch ein Stück weit besser funktioniert. Und diesen Weg hat Hecking eingeschlagen. Wäre ich Sportchef des HSV, wäre mein erster Arbeitsansatz genau der, den Hecking aktuell noch lebt: Mache alle Spieler besser. Auch die schwierigen.

Santos und van Drongelen sind wieder da. Nur wie lange noch?

Zwei extrem angenehme Zeitgenossen sind seit heute wieder dabei: Rick van Drongelen und Douglas Santos. Zusammen mit Julian Pollersbeck, der seine Rückenprobleme ausgestanden hat, trainierten die beiden heute erstmals unter Hecking auf dem Platz. Die Frage aber ist bei beiden: wie lange noch? Bei Santos ist die Gemengelage klar. Der Brasilianer möchte unbedingt erstklassig spielen, am besten international. Dafür hat er vom HSV die Zusage, bei einem passenden Angebot gehen zu können. Das hat auch van Drongelen, dem zuletzt Interesse aus den Niederlanden nachgesagt wurden, bekommen. Zwar hatte der Innenverteidiger zuletzt immer wieder betont, dass er sehr gern beim HSV bleiben würde. Allerdings sieht die neue Sportliche Leitung in ihm eine potenzielle Einnahmequelle.  Was van Drongelen selbst zu den Wechselgerüchten sagt? „Als Fußballprofi weißt du nie, was passiert. So lange ich beim HSV bin, werde ich alles geben, ob es ein Monat, ein Jahr oder noch viele Jahre sein werden. Alles ist möglich.“

Eine Antwort, die Hecking nicht besser hätte formulieren können. Auch wenn sie alles offen lässt und ich es nur schwer nachvollziehen könnte, wenn man einen jungen, talentierten Spieler wie van Drongelen (den ich noch nicht so stark sehe wie die meisten hier, der aber sicher das Potenzial zum richtig Guten  hat) abgibt und im Gegenzug einen verletzungsanfälligen Spieler wie Papadopoulos behält, dessen hilfreiche Zeit beim HSV sehr endlich ist. Aber: Auch van Drongelen macht alles richtig. Zur Mopo sagte er: „Ich trage dieses Trikot und es hat sich nie falsch angefühlt. Im Gegenteil, vom ersten Tag an hat es sich gut angefühlt.“ Ergo: Geht er, hat er bis zur letzten Sekunde den HSV geliebt. Bleibt er, hat er ja immer schon gesagt und nachgewiesen, dass er mit ganzem Herzen HSVer ist... 

In diesem Sinne, bis morgen. Da ist trainingsfrei. Bis dahin!

Scholle

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