Marcus Scholz

30. September 2020

Die nächsten Tage werden nur zwei Themen haben: Wer kommt noch – und wer geht? Wobei auch klar ist, dass das eine das andere beim HSV bedingt. Soll heißen: Durch den Abgang von Julian Pollersbeck braucht der HSV auf der Torwartposition noch einen Zugang. Die Frage hier ist nur: Kommt eine neue  Nummer eins oder holt sich der HSV einen jungen, talentierten Mann? Zuletzt wurden unerschwinglich scheinende Kandidaten wie Bayerns Ersatzkeeper Alexander Nübel und Sven Ullreich genannt. Beide suchen offenbar nach einem Verein ohne Manuel Neuer vor sich – und der HSV könnte das bieten. Allerdings sind sie preislich nicht realisierbar. Und die Frage ist auch: Wäre einer der beiden auf Leihbasis sinnvoll? Ich sage: nein.

Denn  ich glaube, dass der HSV auf der Torhüterposition schnellstmöglich Ruhe schaffen muss. Daniel Heuer Fernandes ist aktuell so etwas wie eine Nummer eins auf Abruf. „Bedingungslose Rückendeckung“, wie sie Trainer Daniel Thioune vor Wochen seiner neuen Nummer eins angekündigt hatte, genießt er nicht. Dass er zuletzt sowohl gegen Düsseldorf als auch gegen Paderborn gut spielte, ist tatsächlich keine Selbstverständlichkeit. Aber selbst wenn Thiounes Ansprache hier bei Heuer Fernandes funktioniert hat, spätestens mit einer neuen Nummer eins hätte auch er Heuer Fernandes verloren. Von daher sage ich: Entweder Daniel Heuer Fernandes dauerhaft zur Nummer eins machen – oder auch ihn abgeben. Denn nicht jeder Keeper nimmt seine Rolle als Ersatz so klaglos an wie Tom Mickel.

Heuer Fernandes als Nr.1 könnte reichen

Ehrlicherweise glaube ich sogar, dass der HSV andere Baustellen im Kader hat, die vordringlicher sind als eine neue Nummer eins. Mit Moritz Heyer, Stephan Ambrosius, Toni Leistner, Amadou Onana und Klaus Gjasula hat der HSV ausreichend Defensivspieler, die über die letzte Saison fehlende Kopfballstärke verfügen. Ein Torwart, der hohe Bälle rausfaustet ist sicher nie verkehrt – aber diese Saison ist es tatsächlich zu verkraften, dass Heuer Fernandes hier seine elementare Schwäche hat. Also noch mal: Ich behaupte, dass hier endlich Tacheles gesprochen und Entscheidungen getroffen werden müssen.

Ebenso auf allen anderen Positionen. Auch auf der Position von Aaron Hunt, der gegen Paderborn ein richtig gutes Spiel machte, als er eingewechselt wurde. Er machte tatsächlich alles, was man sich in der Situation von ihm erhoffen durfte. Er brachte Ballsicherheit ins Spiel, trat zum entscheidenden Elfmeter an und beruhigte das Spiel in der Schlussphase, die man nach gefühlt einer Saison mit Wackelschlussphasen das erste Mal richtig gekonnt und schnörkellos über die Bühne brachte. Ohne dabei Gefahr zu laufen, den Sieg aus der Hand zu geben.

Problem hierbei: Diese Rolle, die wie maßgeschneidert für den 34-Jährigen scheint, will dieser nicht einnehmen. Aaron Hunt sieht sich selbst noch nicht als Backup für wichtige Phasen, sondern als Leader auf dem Platz in der Startelf. Das machte auch seine Reaktion nach dem verwandelten Elfmeter noch einmal deutlich. Dennoch bleibe ich dabei, dass sich Thioune eine Gefallen tun würde, wenn er Hunt in die Rolle des Standby-Leaders bringt. Eine Art Edel-Joker. Oder wie in Betrieben oft genannt: Ein Verantwortlicher für besondere Aufgaben. Damit könnte Hunt – wie gegen Paderborn - tatsächlich zum wichtigsten Spieler beim HSV werden. Sofern er diese Rolle annimmt. Von daher wird es auch hier nötig sein, Tacheles zu sprechen.

 

Andererseits hat der HSV mit Klaus Gjasula einen Spieler im Kader, der als Anker angedacht war – aktuell aber noch nicht wie gewünscht performt. Der Albaner sollte Mentalität und Führung im defensiven Mittelfeldzentrum übernehmen und hat bislang noch kein Spiel gemacht, in dem er komplett zu überzeugen wusste. Zuletzt gegen Paderborn wirkte er sogar komplett überfordert – sah das im Anschluss aber zumindest auch ein. Er entschuldigte sich bei der Mannschaft und bedankte sich zugleich bei selbiger dafür, dass sie das Spiel für ihn noch drehte.

Hunts neue Rolle frustriert ihn - hilft aber dem HSV

Eine gute Gelegenheit fürs Trainerteam, um den zweifellos elementar wichtigen Zusammenhalt in der Mannschaft zu forcieren – aber auch einer, um die Personalie Gjasula für den Moment zu hinterfragen. Denn Gjasula war nie der begnadete Passspieler, sondern der Typ für die harten Aufgaben. Musste der Gegner abgeräumt werden – war er es, der das ohne Rücksicht auf seine Gesundheit tat. Für den SC Paderborn gab es auf seiner Position in der Ersten Liga extrem viel zu tun, weil man als Underdog in jedem Spiele nahezu durchgehend unter Druck stand. Beim HSV ist das nicht annähernd so oft der Fall.

Im Gegenteil: Beim HSV wird er immer wieder in der Situation sein, das Spiel von hinten raus mitzugestalten. Es sei denn, der Trainer setzt tatsächlich nur in den Spielen auf ihn, in denen seine Kernkompetenz gefragt und vonnöten ist. Aber das wird schwer vermittelbar sein, da der als Säulenspieler gepriesene 31-Jährige dann wahrscheinlich kein Stammspieler mehr wäre. Von daher muss auch hier Tacheles gesprochen werden. Oder anders formuliert: Thioune sollte Gjasula sagen, dass er eben nicht mehr von ihm erwartet, als dieser zuletzt in Paderborn gezeigt hat. Zumindest sollte sich Gjasula nicht unnötig unter den Druck setzen, als Abräumer zum Spielmacher werden zu müssen.

 

Es ist hier zweifellos nicht anders als im kleinen Fußball, wo weniger eben manchmal auch mehr ist. Soll heißen: Schonungsloser Realismus hilft! Wenn ich einem Spieler sage, was er kann und ihn dafür lobe ist das gut. Das motiviert. Wenn ich ihm auch klar machen kann, was er nicht kann und ihn trotzdem motiviert halte – dann ist das sehr gut. Schlecht ist nur, wenn ein Spieler glaubt, Dinge machen zu können/zu müssen, die er eigentlich nicht beherrscht. Das hilft tatsächlich niemandem.

Von daher: Zeit für Tacheles beim HSV.

Apropos: In letzter Zeit wurde berichtet, dass die Telekom als Anteilseigner und/oder Namensgeber für das Volksparkstadion einsteigen soll. Meinen Infos nach ist diese Info falsch. Mit der Telekom soll tatsächlich verhandelt werden – aber auf anderer Ebene . Zudem soll sich in Sachen Namensgebung fürs Volksparkstadion weiter nichts anbahnen. Sofern nicht Klaus Michael Kühne einen völlig überraschenden Rappel bekommt und die Spendierhosen anzieht, wird es hier wohl zeitnah nichts geben.

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird um 10 und um 15 Uhr trainiert, ich bin allerdings schon um 7.30 Uhr wieder mit dem MorningCall bei Euch.

Bis dahin!

Scholle

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