Im Fußball passiert oft so viel, dass ich am Ende einer Woche schon fast ihren Anfang vergessen habe. Also nicht aktiv vergessen. Ich erinnere mich schon noch an den Montag und das Spiel in Paderborn, in dem mein Herz mehrmals stillstand. Erst nach dem erlösenden 4:3 und dem Schlusspfiff war ich mir halbwegs sicher, dass es weiter schlagen würde. Aber es ist doch so, dass manches durch die täglichen Neuigkeiten in den Hintergrund rückt, was eben noch wichtig schien. Weil so viel passiert ist, möchte ich noch einmal die Woche mit rekapitulieren. Wobei die spannendsten Dinge dann doch am Freitag passiert sind. Damit meine ich neben den Ulreich-Meldungen auch ein Interview, das Sportvorstand Jonas Boldt der FAZ gegeben hat.
Ich muss gestehen: Ich habe nicht damit gerechnet, dass der Hamburger SV den Saisonauftakt gegen Absteiger Fortuna Düsseldorf gewinnt. Nach dem Debakel in Dresden hatte ich erwartet, dass Trainer Daniel Thioune noch lange Zeit brauchen wird, um seine Spielphilosophie umzusetzen. Doch gegen Düsseldorf griffen bereits einige Rädchen ineinander, auch wenn der HSV gerade nach der Pause offensive Präsenz vermissen ließ.
Die Coronakrise bringt es nach sich, dass die diesjährige Sommer-Transferperiode vielleicht die schleppendste aller Zeiten ist. Die späteste (denn sie endet erst Anfang Oktober) ist sie sowie schon. Allerorten agieren die Klubs äußerst vorsichtig, denn niemand kann heute mit Bestimmtheit sagen, wie lange das Ganze noch dauert. Also bleiben die Geldschatullen für größere Verpflichtungen erstmal geschlossen. Das gilt für die Big Shots der Branche genauso wie für die Kleineren.
Gestern setzte sich der HSV-Tross um Trainer, Mannschaft und Betreuer in Bewegung Richtung Österreich. Für die kommenden knapp sechs Tage im Kufsteiner Land gilt es nun, die offensichtlich noch sehr notwendige Feinjustierung (manche sprechen schon mit einem Wortspiel von “Fein-Thiouning”) hinzukriegen. Gesucht wird: der Spagat zwischen interner Demut und neuer Bescheidenheit und dem alljährlichen Auftrag, bis zum Saisonauftakt (am 11. September im DFB-Pokal gegen Dynamo Dresden) eine konkurrenzfähige Mannschaft aufzubauen. Nur darf sie nicht allzu teuer sein.
Eine neue Saison und ein neuer Trainer bringen meistens auch eine neue Spielweise. Erst recht bei einer Mannschaft wie dem HSV, die keine feste Spielweise als Vereinsidentität hat, wie Bayern München den Ballbesitz oder der FSV Mainz 05 das Konterspiel. Neue Trainer müssen mit den Trümmern des Vorgängers zurechtkommen, denn meistens geht ein Trainer ja, weil er die Mannschaft spielerisch nicht auf Kurs bekommen hat. Diesen Sommer ist das geringfügig anders.
Der HSV ist ein Verein mit einer großartigen Vergangenheit und Tradition. Aber Tradition sorgt nicht automatisch für Erfolge im Hier und Jetzt, das mussten schon viele Vereine (und Wirtschaftsunternehmen) erkennen. Am Beispiel des HSV kann man sehen, wie eine große Tradition auch lähmen kann - nämlich dann, wenn aus der Tradition ein Anspruch abgeleitet wird, der nichts mit der Realität zu tun hat. Was immer in den letzten Jahrzehnten an Ansprüchen formuliert wurde, hat nicht zu einer Kultur der Höchstleistung im Verein geführt, sondern eher zu einer der Minderleistung.
Was bereits seit dem frühen Montagmorgen durch mehrere Medien geisterte, kann Euch die Rautenperle nunmehr offiziell bestätigen: Daniel Thioune übernimmt zur neuen Saison das Traineramt von Dieter Hecking.
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