Marcus Scholz

11. November 2018

Die beste Nachricht vorweg: Dem gestern gestürzten Fan Thorsten geht es den Umständen entsprechend gut. Er ist schon wieder so stabil, dass er das Krankenhaus verlassen kann und morgen nach Hamburg reist, haben seine Kollegen vom gemeinsamen Fanklub „Psyko Crew 1887“ via Facebook vermeldet. Wir freuen uns sehr über diese Nachricht und wünschen Thorsten zunächst einmal eine gute Heimfahrt und natürlich weiterhin beste Genesung!

 

Auch sonst herrscht beim HSV derzeit gute Stimmung vor. Allen voran bei Sportvorstand Ralf Becker, der nach dem Trainerwechsel viel Kritik einstecken musste. Dementsprechend erleichtert ist er nach nunmehr vier Siegen aus vier Spielen unter Wolf dann auch: „Das waren gute 14 Tage. Wir freuen uns, dass wir vor der Länderspielpause noch mal nachlegen konnten. Man muss sich das Selbstvertrauen immer hart erarbeiten. Wir sind auf einem guten Weg, merken aber von Woche zu Woche, dass uns nichts geschenkt wird. Deswegen ist es so wichtig, dass man das Gefühl des Siegens in sich hat. In der einen oder anderen Situation kann das dann auch entscheidend sein. Heute waren wir nach dem 1:1 zehn, 15 Minuten etwas unsicher. Und dann kommt man aber nach der Halbzeit raus und legt direkt nach. Das ist wichtig, dass man auch mit so einem Rückschlag gut umgeht. Das sind alles Prozesse.“

 

Abschließende Worte von Sportvorstand Ralf Becker, der sichtbar glücklich war über das 3:1 in Aue und der von Trainer Hannes Wolf gleich noch ein paar warme Worte hinterhergeschickt bekam. Wie wichtig Becker für Wolfs Arbeit sei? „Extrem wichtig. Wir kennen uns schon relativ lange. Als Mitentscheidungsträger ist er maßgeblich dafür verantwortlich, dass ich jetzt hier bin. Die Verbindung zwischen Sportdirektor und Trainer ist extrem wichtig. Dass du in eine Richtung willst und gehst. Dass du wirklich zusammenarbeitest und dich gegenseitig unterstützt. Bis jetzt ist es sehr gut gelaufen. Es wird aber bestimmt auch irgendwann mal Phasen geben, wo das vielleicht anders aussieht. Ich hoffe, dass dauert noch ein bisschen. (lacht) Dann muss man eng beieinanderbleiben, weil es schon sehr wichtig ist, dass die Verbindung zwischen Trainer und Sportdirektor funktioniert.“

14 Tage hat der HSV nun Zeit, sich auf das nächste Spitzenspiel im Volksparkstadion vorzubereiten. Dann steht das Duell gegen starke Berliner an, die heute Greuther Fürth mit 4:0 vom Platz fegten und somit am FC St. Pauli vorbei auf den dritten Rang vorgestoßen sind. Ob die Länderspielpause angesichts des positiven Laufs eher unpassend kommt? Wolf verneint: „Das ist normal im Fußball, dass in einer Länderspielpause viele Spieler weg sind. Da geht es darum, es gut zu machen. Wenn man relativ viele Nationalspieler hat und andere Vereine in der Zweiten Liga nicht, dann ist das schon eine andere Situation. Deswegen finde ich es ganz gut, dass wir als nächstes Montagabend spielen. Dann haben wir schon noch ein bisschen Luft, mit allen auf das Spiel hinzuarbeiten.“

Es hätte mich auch sehr gewundert. Wolf jammert nicht und beschwert sich nicht über Dinge, die er selbst nicht ändern kann. Er versucht immer den Blick nach vorn zu richten. So auch nach dem Sieg in Aue: „Wir brauchen Punkte. Wir können nicht immer über den Mai reden, über dieses Ziel und den letzten Schritt. Wir müssen Schritt für Schritt gehen. Nach so einem Highlight am Montagabend gegen Köln hier auswärts zu gewinnen, das ist nicht selbstverständlich. Deswegen freue ich mich darüber sehr.“ Ob das auch ein Gradmesser für die Reife der Mannschaft sei? „Ja. Bis auf eine Phase in der ersten Halbzeit nach dem Gegentor war das sehr stabil. Trotzdem können wir schon noch ein paar Dinge besser machen.“

Wirklich zufrieden sein, das genehmigt sich Wolf nicht. Er freut sich über Momente, sieht aber immer die Dinge, die es noch zu verbessern gilt. „Das waren vier schöne Spiele. Und das Wichtigste neben den Siegen ist, dass die Jungs immer alle gesund sind. Wir hatten jetzt ein paar kleine Sachen gehabt, aber nichts Großes. Das heißt aber nicht, dass wir uns jetzt zurücklehnen und tagelang feiern. Aber natürlich war das ein guter Start. Darüber freuen wir uns“, so der Cheftrainer, der jetzt auch für sich mal ein paar Tage nutzen könnte, um sich in der Stadt einzuleben. Oder? „Ich bin eigentlich schon ganz gut angekommen. Da geht es zunächst mal um das Berufliche. Klar gibt es auch ein Leben drumherum. Aber nochmal: Ich war ein paar Monate zu Hause und haben den Luxus genossen. Jetzt bin ich so heiß, dass ich nicht das Gefühl habe, ich bräuchte erst mal eine Erholung. Das kann ruhig hart weitergehen. Mit denen, die dableiben, werden wir gut trainieren.“

Also alles gut, obgleich mit Rick van Drongelen (U21 Niederlande), David Bates (Schottland), Tatsuya Ito (U21 Japan), Vasilije Janjicic (U21 Schweiz)Orel Mangala (U21 Belgien) sowie der deutsche U-20-Nationalspieler Manuel Wintzheimer und die U19-Natios Fiete Arp, Jonas David und Josh Vagnoman gleich neun Spieler auf Länderspielreisen sind. Wolf deutlich: „Es sind ja auch viele Stammspieler da. Kleine Spielformationen haben wir mit denen noch gar nicht gemacht. Wir haben uns bisher immer ganz kurz auf das Spiel vorbereitet. Deswegen freue ich mich jetzt darauf, mit den Jungs zu arbeiten.“ Übrigens auch mit Hee-chan Hwang, der wegen seiner anhaltenden muskulären Probleme in Hamburg bleibt und hier gesundgepflegt werden soll. Für den Mann im Dauerstress (hatte als südkoreanischer Nationalspieler keine Sommerpause und hat voraussichtlich auch keine Winterpause) eine gute Gelegenheit, mal etwas herunterzufahren, Kräfte aufzutanken und dann bei annähernd 100 Prozent gegen Union wieder mitzumischen. Und auch wenn es Hwang, der selbst sagte, immer spielen zu wollen, eher nicht freut: Wolf und alle anderen HSVer dürfte diese Zwangspause freuen.

Apropos Freude: Die herrschte gestern bei allen auch deshalb vor, weil Bakery Jatta seinen ersten Bundesligatreffer erzielen konnte. „Das freut ich extrem für ihn, dass er sein erstes Tor gemacht hat. Er hat in den vergangenen Wochen extrem gut trainiert“, lobte ihn Wolf und Jettas Teamkollegen legten nach. Lewis Holtby: „Was mich am meisten freut ist, dass Baka heute ein Tor gemacht hat. Der Junge hat so hart gearbeitet, die letzten Spiele immer richtig gut gespielt nach den Einwechslungen, heute hat er sich belohnt, aus einem echt kranken Winkel.“

Und Pierre Michel Lasoggas Lob enthält so ungefähr alles das, was diesen Treffer so besonders macht. Denn neben der Geschichte, wie Jatta als Flüchtling zum Fußballprofi wurde, hat sich der Gambier in den letzten Monaten bei den Mitspielern ganz hoch in Kurze gebracht. Es gibt tatsächlich nicht einen, der Jatta kennt und ihm diesen Erfolg nicht von Herzen gönnt, behaupte ich. Lasogga: „Vor allem das Tor von Baka freut mich riesig, das hat er sich verdient. Er ist schon in den vergangenen Wochen immer gut reingekommen und hat Betrieb gemacht. Sein Tor war das Sahnestückchen. So etwas erarbeitet man sich. Manchmal überrascht er uns alle. Er ist ein ganz bescheidener Junge, er freut sich einfach, dass er die Chance bekommen hat Fußball zu spielen. Es macht einfach Riesenspaß mit ihm. Er ist auch ein witziges Kerlchen, manchmal auch ungewollt.“

Kurzum: Jatta ist einfach extrem beliebt - und jetzt auch endlich Bundesliga-Torschütze. Was er noch verbessern muss, wurde Trainer Wolf gefragt. Dessen Antwort überrascht nicht, wenn man Wolf kennt: „Immer alles.“ Aber Wolf, der Einzelkritiken zumeist verweigert, war sich nicht zu schade, Jatta explizit zu loben: „Ich fand alle seine Einwechslungen gut bis jetzt. Wir haben ihn in allen engen Spielen eingewechselt. Vor allem in Magdeburg war er sehr wichtig für uns. Er hat das nicht geschenkt bekommen, sondern sich erarbeitet. Davon lebt eine Mannschaft, dass die jungen Spieler Vollgas geben. Er ist sehr körperlich in seinem Spiel, aber er macht auch wenig Fehler. Heute hat er gefühlt keinen Fehler gemacht. Er spielt die richtigen Pässe. Die Kombination aus Tempo und wenig Fehlern ist Gold wert. Wenn er dann auch noch einen reinschießt, ist das sehr schön. So ein Tor macht ja auch etwas mit einem. Wir wollen das jetzt aber auch nicht zu großmachen. Er muss jetzt einfach dranbleiben. Da geht noch was.“

Jatta selbst bleibt auch in dem Moment seines ersten großen Erfolges bescheiden. Er freute sich sichtbar. Aber es schien ihm fast schon ein wenig unheimlich zu sein, was er mit diesem Treffer um sich herum auslöste. Und deshalb feierte er sich nicht selbst - das taten seine Kollegen dafür umso mehr. Jatta selbst sagte: „Es ist unglaublich. Ich bin sehr glücklich, auch über den Sieg. Ich habe lange auf diesen Moment gewartet, endlich ist es passiert. Ich habe gesehen, dass der Torhüter nicht richtig steht, dann habe ich es einfach versucht und der Ball ist reingegangen. Ich habe nur gedacht: Oooohhh.“ Ob er seinen Kollegen für seine Torpremiere jetzt einen ausgeben würde? Jatta lachte nur: „Ich bin sehr gut im Kochen, aber das werde ich dem Team nicht sagen.“ Am Ende war es schon fast nicht mehr zu erkennen, worüber sich Jatta am meisten freute - über seinen Treffer oder darüber, wie sich alle mit ihm freuten. Jatta glücklich: „Alle waren sehr glücklich über mein Tor.“

In diesem Sinne, morgen ist trainingsfrei. Ich melde mich natürlich trotzdem bei Euch. Am Morgen mit dem MorningCall und am Abend mit dem Blog.

Bis dahin!

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