Tobias Escher

17. April 2019

 

Das Jahr 2019 verläuft gar nicht so, wie es sich der HSV erhofft hatte. Rang 10 in der Rückrunden-Tabelle, nur ein Punkt aus den letzten drei Spielen: Trainer Hannes Wolf stand vor dem Spitzenspiel gegen den 1. FC Köln bereits etwas unter Druck. In der Kritik standen vor allem seine Einwechslungen. Nur selten gelingt es dem HSV, nach der Pause stärker aufzutreten als vor dem Kabinengang. Das Torverhältnis im Jahr 2019 spricht Bände: 7:3 vor der Pause, 7:9 nach der Pause. Neun Punkte haben sie bereits in der zweiten Halbzeit verspielt. Das spricht nicht für Wolfs Qualitäten als In-Game-Coach.

Zumindest in diesem Punkt konnte Wolf mit dem Auftritt bei Spitzenreiter Köln Argumente für sich sammeln. Während seine Hamburger vor der Pause große Probleme hatten mit mutig auftretenden Kölnern, übernahmen sie in Halbzeit zwei die Kontrolle über die Partie. Wolfs Wechsel trugen ihren Teil dazu bei, dass der HSV am Ende zumindest ein 1:1 erringen konnte.

4-3-2-1 gegen flexible Kölner

Der Reihe nach: Aufgrund der Verletzung von Pierre-Michel Lasogga musste Wolf sein Team umbauen. Berkay Özcan begann überraschend als nominell einziger Stürmer. Als gelernter Mittelfeldspieler ließ sich Özcan entsprechend häufig fallen, sodass der HSV praktisch ohne Mittelstürmer spielte.

Die Offensivformation kam in den ersten Minuten ohnehin selten zum Tragen. Die Kölner übernahmen zunächst die Kontrolle. Der HSV hielt dem Kölner 5-3-2-System ein 4-3-2-1 entgegen. Auffällig: Die Außenstürmer agierten relativ tief. Sie sollten die hohen Außenverteidiger der Kölner neutralisieren. Orel Mangala und Gideon Jung rückten auf den Achter-Positionen wiederum weit vor, wodurch die 3-2-Anordnung im Mittelfeld stand.

Das 4-3-2-1 ist gut geeignet, gegnerische Angriffe durch das Zentrum zu stoppen. Zusammen mit dem Stürmer können die beiden Achter die Zuspielwege ins Mittelfeld blockieren. Durch die tieferen Außenstürmer bleibt der Passweg auf die Flügel frei und der Gegner wird nach Außen gelockt. Tatsächlich gelang es dem HSV, Kölns Mittelfeld um Nationalspieler Jonas Hector weitgehend aus dem Spiel zu nehmen.

Köln fiel allerdings nicht auf die Falle des HSV herein, die Außen freizulassen. Sie entschieden sich für eine andere Strategie: lange Bälle. Tatsächlich gehört diese Art der Spieleröffnung zu den Kölner Stärken in dieser Saison. In Jhon Córdoba und Simon Terodde haben die Kölner gleich zwei Spieler vorne, die diese langen Bälle halten und verarbeiten können. Dominick Drexler und Hector wiederum bringen die Dynamik mit, zweite Bälle zu erobern.

Taktische Aufstellung KOE-HSV

 

Köln legt Hamburger Spielaufbau lahm

Auch die Hamburger spielten recht viele lange Bälle, allerdings weitaus weniger freiwillig als die Kölner. Köln begann das Spiel mit einem äußerst aggressiven Pressing. Sie gingen dabei mannorientiert vor: Drexler nahm Hamburgs Sechser Vasilije Janjicic auf, Hector und Johannes Geis übernahmen die nach innen rückenden Gotoku Sakai und Douglas Santos.

Unter dem hohen Druck der mannorientierten Kölner konnten sich die Hamburger nur mit langen Bällen befreien. Vorne gab es jedoch keinen Akteur, der diese langen Bälle hätte verwerten können. Einzig mit schnellen Angriffen über die Flügel konnte der HSV dem Gegner einige Male zusetzen, offensiv blieben sie ansonsten blass.

Köln hatte zwar ein Plus an Ballbesitz und wirkte aufgrund des aggressiveren Pressings optisch stärker. Chancen waren auch auf ihrer Seite Mangelware. Der HSV verteidigte um den eigenen Strafraum gut. Immer wieder ließ sich Janjicic in die Abwehr fallen, um die Viererkette zu einer Fünferkette aufzustocken. So stand der HSV in der letzten Linie stabil. Und doch gingen die Kölner mit einer Führung in die Pause, dank eines Treffers nach einer Ecke (26.).

Bessere Mittelfeldbesetzung nach der Pause

Nach der Pause schraubte der HSV vor allem an der Besetzung der Mittelfeldräume. Vor der Pause hatte der HSV hier große Probleme, Überzahlen herzustellen gegen Kölns mannorientierte Spielweise. Das funktionierte nach der Pause wesentlich besser: Özcan ließ sich nun weit fallen, im Gegenzug starteten Mangala und Jung in die Tiefe. Damit konnte man die Mannorientierungen der Kölner etwas brechen.

Diese begannen mit der Führung im Rücken nach und nach, sich weiter zurückzuziehen. Aus ihrem 5-3-2-System wurde immer wieder ein tiefes 5-4-1. Nachdem der HSV die Hoheit über die Zone im Mittelfeld gewann, stellten sie ihr Pressing gänzlich ein. Sie konzentrierten sich darauf, die Hamburger Zuspielwege in den Sturm zu schließen.

Die Kölner Strategie ging auf, auch weil der HSV sein Problem einfach eine Linie weiter nach vorne verlagert hatte. Denn während nun das Mittelfeld gut besetzt war, fehlten im vorderen Drittel Anspielstationen. Mangala war hier noch der umtriebigste Akteur.

Nun schaltete sich Wolf ein. Mit der Einwechslung von Josha Vagnoman (64., für Jung) beorderte er Khaled Narey in die Sturmspitze, Vagnoman rückte nach rechts und Özcan ins Mittelfeld. Mit dieser neuen Ordnung hatte der HSV gleich mehr Tiefe im Spiel, da mit Narey und Mangala nun zwei Spieler den Weg in die Spitze suchten.

Mit der Einwechslung von Manuel Wintzheimer (81., für Sakai) stand endlich ein echter Stürmer auf dem Rasen. Narey wechselte nicht etwa zurück auf die Rechtsaußen-Position, sondern postierte sich weiterhin zentral. Özcan und der einrückende Santos dominierten weiter das Mittelfeld, sie spielten nun vermehrt Pässe hinter die Abwehr. Am Ende war es aber auch bei den Hamburgern ein Standard, der das erlösende Tor brachte (85.).

Fazit

Ein Kritikpunkt – die fehlenden Umstellungen nach der Pause – verbesserte Wolf im Spiel gegen Köln. Ein anderer bleibt: Dem HSV fehlt für einen Aufstiegskandidaten die Tiefe im eigenen Spiel und damit auch die Torgefahr. Auch in der zweiten Halbzeit gegen Köln schafften sie es viel zu selten, ihre Dominanz in Torchancen umzumünzen. Zumal die Aufholjagd in nicht unwesentlichen Teilen von Kölns fehlendem Mut befeuert wurde. Ob es die Nachwirkungen des 4:4 gegen den MSV Duisburg waren oder der hohe Respekt vor dem HSV: Die tiefe Abwehrlinie, die Köln in der zweiten Halbzeit aufbaute, lud die Hamburger in den Strafraum ein.

Die Offensivprobleme muss der HSV dringend beheben, schon vor dem nächsten Heimspiel gegen Aue. Mit 41 Gegentoren stellen die Auer die beste Defensive aller Abstiegskandidaten der Zweiten Liga. Zugleich verloren sie ihre vergangenen vier Spiele. Trainer Daniel Meyer wird versuchen, sein Team defensiv stabil aufzustellen. Seine präferierte 5-2-1-2-Formation ist dazu angetan, den HSV maximal zu nerven.

Ob sich Wolf bis dahin eine neue Offensivstrategie einfallen lässt? Jeder HSV-Fan dürfte sich wünschen, dass er auch diesen Kritikpunkt beseitigt.

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