Marcus Scholz

23. Mai 2019

 

Am frühen Nachmittag war er dran: Lukas Hinterseer stellte sich der medizinischen Abteilung des HSV im Athleticum des UKE (Universitätskrankenhaus Eppendorf) vor. „Medizincheck“ schimpft sich das letzte Instrument, das einen Wechsel noch verhindern kann. In diesem Fall aber ging alles glatt. Hinterseer hat keine Vorerkrankungen, die einen Wechsel für den HSV gefährlich machen können. Und deshalb unterschreibt der 28-jährige Angreifer, der vom VfL Bochum mit der Empfehlung von 18 Toren kam und als direkter Ersatz für Pierre Michel Lasogga gilt, einen Dreijahresvertrag bis 30.06.2022. Der auslaufende Vertrag Lasoggas wurde nach gescheiterten Verhandlungen letztlich auch aus sportlichen Gründen nicht verlängert. Bereits am Montag war der Angreifer verabschiedet worden.

Und wenn Ihr wissen wollt, wie Lukas Hinterseer tickt, was ihn ausmacht und warum er letztlich nach Hamburg kommt - dann hört Euch unser „MorningCall spezial“ an. Mein Kollege und VfL-Bochum-Experte Christian Alexander Hoch (ursprüngich ist er übrigens großer HSV-Fan) verrät uns alles über den neuen Angreifer des HSV:

Und während die Frage nach dem Lasogga-Nachfolger also geklärt ist, ist die Trainersuche wieder so offen wie ganz zu Beginn. Denn nachdem erst Dieter Hecking im Anschluss an das letzte Saisonspiel Borussia Mönchengladbachs angekündigt hatte, in der kommenden Saison nicht auf der Trainerbank sitzen zu wollen, ist er nun doch wieder interessiert und unterhält sich bereits mit den HSV-Verantwortlichen. Ebenso Bruno Labbadia. Der hatte der SportBild (Mittwoch-Ausgabe) zunächst avisiert, dass er beim HSV abgesagt hätte, weil er lieber nach England gehen wolle - und machte jetzt eine 180-Grad-Drehung.

Nach seiner Rückkehr von der China-Reise mit seinem Noch-Arbeitgeber VfL Wolfsburg will sich der ehemalige HSV-Trainer mit den HSV-Verantwortlichen zusammensetzen und ausdiskutieren, ob er sich den HSV tatsächlich ein drittes Mal als Trainer antun will. Und ich würde mich über Labbadia tatsächlich freuen. Denn dass er ein guter Trainer ist, steht außer Frage. Und allein der Umstand, dass er sich den HSV ein drittes Mal antuen würde, nachdem er hier bereits zweimal entlassen worden ist, spricht für seine Aussagen, dass der HSV für ihn weit mehr als ein normaler Verein ist. Dass er zudem seinen Lebensmittelpunkt in Hamburg hat, rundet das Ganze ab. Auf jeden Fall aber könnte das von den Voraussetzungen her eine schöne, weil authentische Geschichte werden. Labbadia und der HSV - aller guten Dinge sind drei…?!

Wichtiger als das ist meiner Meinung nach jedoch, dass der neue Trainer schnell gefunden und in die Kaderplanung mit eingebunden wird. Schon jetzt steht das Alibi „das war ja nicht mein Kader“ latent im Raum. Und das, obwohl der HSV schon vor Ingolstadt ahnte und auch dem Ingolstadt-Spiel wusste, dass es mit Hannes Wolf nicht in die neue Saison gehen würde. Wochenlang hat man es verpasst, den Nachfolger zu finden. Auch, weil man sich intern nicht einig war, welcher Trainertyp es werden soll.

Einig sind sich die Vereinsoberen indes, dass beim HSV ein Komplettumbruch vonnöten ist. Eine komplett neue Mittelachse Sol noch verpflichtet werden. Von acht bis zehn Neuen war die Rede. Und wie jetzt herauskam, hat Sportvorstand Ralf Becker auch dem Stammkeeper Julian Pollersbeck bereits vor Wichen mitgeteilt, dass dieser sich einen neuen Verein suchen darf. Für ihn hat man mit Darmstadts Heuer Fernandes bereits einen Nachfolger auserkoren. Bei dem MSV-Keeper könnte der HSV dessen Ausstiegskalusel Aktiveiern und müsste demnach eine Million Euro Ablöse zahlen. Es soll ein Plus-Geschäft werden, so der HSV-Plan, denn für Pollersbeck erhoffen sich die Verantwortlichen deutlich mehr Ablöse. Übrigens: Dass Pollersbeck nach dem Gespräch mit Becker gleich zweimal wegen eines Infektes ausfiel - es war kein Zufall, behaupte ich. Er wusste zu diesem Zeitpunkt, was sich schon seit der Winterpause angedeutet und was hintenrum immer wieder kolportiert wurde. Seine Demontage hatte schon längst begonnen.

Leistungsfördernde Motivation á la HSV…

 

Wenn ich jetzt noch die ganzen auslaufenden und nicht verlängerten Verträge sowie die Stammspieler, die schon länger wussten, dass sie nicht über diese Saison hinaus bleiben würden, dazurechne, dann wundert es mich tatsächlich überhaupt nicht mehr, dass diese Mannschaft über Wochen ein Mentalitätsproblem hatte und demoralisiert bzw. demotiviert wirkte. Das Bild des Schreckens setzt sich vielmehr immer weiter zusammen und es wird immer deutlicher, wie kaputt das Konstrukt HSV sportlich schon seit der Winterpause war. Vor allem wird deutlich, was Bernd Hoffmann am vergangenen Dienstag meinte, als er sagte, das Sportsystem hätte versagt.

Becker hatte sich anschließend angegriffen gefühlt - und das ganz offensichtlich auch völlig zurecht. Denn Fakt ist, dass er als sportlich oberster Verantwortlicher die negative Entwicklung nicht nur unterschätzt, sondern sie letztlich sogar noch gefördert hat.   Sein Verhältnis zum Trainerstab war trotz des außergewöhnlich loyalen Auftrittes von Ehrenmann Hannes Wolf bei dessen Entlassungs-PK seit längerem angespannt, während die Mannschaft zunehmend die naturgemäß eh schon nicht allzu intensive Identifikation mit dem HSV verlor. Die Spieler hatten über Flurfunk längst mitbekommen, was sich auf Führungsebene abspielte. Zudem waren es zuletzt vor allem die, die wirklich zum HSV standen, die ihr Fett abbekamen und aussortiert wurden. Zum Beispiel Lewis Holtby, Pierre Michel Lasogga und Gotoku  Sakai.

Und genau hier setze ich heute einmal an. Denn wie oft schon haben wir uns über Spieler geärgert, die plötzlich nicht nur abfielen, sondern komplett ausfielen. Auch diese Saison war beispielsweise Fiete Arp plötzlich gar nicht mehr da. Er trainierte zwar noch mit, spielte aber überhaupt keine Rolle mehr in den Planungen von Hannes Wolf. Und anstatt hier den Mut zu haben und dem Spieler die Chancen einzuräumen, die man braucht, um sich an die Bundesliga (auch die Zweite) zu gewöhnen, wird der Spieler abgeschoben. Wie oft haben mir die Verantwortlichen - natürlich nicht zum Zitieren - beteuert, dass Arp sportlich einfach nicht reichen würde. Er sei momentan einfach keine Verstärkung, hieß es. Und das, obwohl Arp ein hochveranlagter Stürmer ist und der HSV nirgendwo mehr Probleme hatte als in der Offensive. Und dass er Herzblut für den HSV hat wie kein anderer, das hatte ich hier so oft betont, dass Ihr mich schon kritisiert habt, weil es Euch nervte…

Nein, der HSV agiert in Sachen Spielerbetreuung weiterhin fahrlässig, wie ich finde. Es wird schneller aussortiert als wirklich alles versucht. Okay, natürlich gibt es immer wieder auch Typen, die unverzeihliche Fehler machen und den Gesamterfolg gefährden. Die muss man aussortieren. Selbst dann, wenn sie sportlich durchaus wertvoll sein könnten. Bei Lewis Holtby wurde das nach dessen unkollegialen Verhalten vor dem Union-Berlin-Spiel gemacht. Für den Mittelfeldspieler gab es fortan kein Zurück mehr. Und diese Entscheidung ist nachvollziehbar. Dass man allerdings auch die Mannschaft mit reinzieht und öffentlich anführt, Holtbys Verhalten sei auch der Mannschaft übel aufgestoßen, das hat den Graben zwischen Führung und Mannschaft verschlechtert.Denn wie ich inzwischen weiß, hat Holtby vor dem Spiel Hannes Wolf Spielidee vor dem Spitzenspiel in Berlin kritisiert und damit ausgesprochen, was viele dachten. Zumindest gab es in der Mannschaft keine Stimmung gegen Holtby. Im Gegenteil.

Und deshalb ist dieser Totalumbruch auch deshalb unumgänglich, weil man es intern versäumt hat, die Mannschaft zusammenzuhalten. Anstatt alle Spieler intensiv  zu motivieren und zuzusehen, dass sie nie zu ihrem letzten Tag als HSV-Spieler unabhängig vom weiteren Werdegang an ihr eigenes Leistungslimit kommen, wurden viele Spieler mit frühzeitig mitgeteilten oder wenigstens zu erahnenden Entscheidungen demotiviert. „Man  kann unten nur das erwarten, was man selbst oben vorlebt“, hatte Hannes Wolf bei seinem Amtsantritt korrekt gesagt - und damit auch erklärt bzw. angeklagt, weshalb diese HSV-Mannschaft am Ende nicht mehr als Einheit auftrat.

Fakt ist auch: Unter diesen Gesichtspunkten erhält die Notwendigkeit, in Sachen Kaderzusammenstellung einen Totalumbruch durchzuziehen, einen Beigeschmack.

In diesem Sinne, bis morgen. Da melde ich mich um 7.30 wieder mit dem MorningCall bei Euch und werde Euch am Abend berichten, was sich tagsüber beim HSV Neues ergeben hat. Zudem noch  eine Ankündigung: Das nächste Q&A, als die nächste Frage-Antwort-Runde steht an. Von Freitag 12 Uhr bis Sonnabend 24 Uhr könnt Ihr mir hier im Blog unter einem extra dafür angelegten Blogbeitrag Eure Fragen stellen, die Ich Euch am Sonntag per Blogbeitrag möglichst vollumfänglich beantworten werde.

Bis morgen und Euch allen einen schönen Abend mit dem Relegationsspiele von Union beim VfB - das unfassbarerweise nicht im Free-TV sondern bei Eurosport auf Pay-TV übertragen wird.  Unfassbar…

Scholle

FAQs

 
 

Über uns

Die Rautenperle - das ist ein Team aus jungen Medienschaffenden und Sportjournalisten mit großer Affinität zum HSV. Wir sind 24/7 bei den Rothosen am Ball und produzieren frischen Content für Rautenliebhaber.

Unser Ziel ist es, moderne, unabhängige Berichterstattung und attraktiven, journalistischen Content für junge und jung gebliebene HSV-Anhänger zu bieten. Wichtig ist uns dabei, eine neue Art des Sportjournalismus zu präsentieren: dynamisch, zeitgemäß, zielgruppengerecht. Weg von verstaubten Zeitungsspalten und immergleichen Phrasen.

Die Rautenperle ist aber nicht nur ein Ort, um sich zu informieren, sondern soll auch immer ein Ort des Austausches und des Miteinanders sein. Wir wollen eurer Leidenschaft einen Platz im Netz bieten: zum Diskutieren, zum Mitfiebern, zum Mitmachen.