Marcus Scholz

11. November 2019

Ich muss Euch alle vorwarnen: Heute wird es relativ langweilig. Normalerweise müsste ich den Stift weglegen und es das für heute lassen. Denn wenn es mal nichts Großes gibt, muss man auch nichts Großes daraus machen. Einfach mal einen Tag langweilig sein. Oder? Nein, das geht irgendwie nicht. Natürlich nicht. Denn irgendwie bietet der HSV immer etwas an. Auch diesmal.

Ich habe mich nach dem 1:1 in Kiel mit drei Spielern unterhalten, die dabei waren. Alle drei waren der Meinung, dass man nicht so gut gespielt hat, wie man es sich vorgenommen hatte. Zudem waren sich alle darin einig, dass es letztlich ein verdienter Punkt für den HSV war, weil man eben nicht aufgegeben hat und endlich auch mal in der Situation war, seine kämpferischen Qualitäten zeigen zu können. Vor allem aber waren sich alle drei einig, dass dieses Spiel nichts verändern würde an der bisherigen Ausrichtung. Denn das Spiel in Kiel war eines wie alle anderen vorher auch: Eines, in dem es um drei Punkte ging. Nicht mehr - nicht weniger. Und dennoch machen viele mehr aus diesem Spiel. Also zumindest die, die nicht auf dem Platz  stehen.

Anders intern. Da zweifeln die Spieler nicht. Weder an ihrer Ausrichtung – trotz der fünf Spiele in Folge auswärts ohne Sieg – noch an sich, dem Trainer, der Taktik oder sonst irgendwas. Im Gegenteil: Die Spieler, mit denen ich gesprochen habe, sprechen von Fehlern, die sie abstellen müssen. Sie sind selbstkritisch und wollen das Remis in Kiel nicht schönreden. Sie lehnen es ab, das Spiel an einem einzelnen Spieler oder einer einzelnen Aktion festzumachen. Auch nicht an Bakery Jatta, dessen ungestümes Einsteigen von Schiri Dingert maximal hart mit einer Roten Karte sanktioniert wurde. Der Gambier bekam dafür heute übrigens zwei Spiele Sperre vom DFB ausgesprochen und der HSV hat die Strafe bereits akzeptiert – womit ich das Aufregendste an diesem Tag schon beschrieben habe.  Denn ansonsten ist dieser HSV echt langweilig. Und genau das ist wahrscheinlich das Problem für viele. Denn langweilig ist das Einzige, was es irgendwie nicht geben darf. Weder in Phasen des Erfolges noch im Misserfolg. Oder?

Was für ein Blödsinn!

 

Nein, ich bin froh, dass dieser HSV gerade langweilig ist. Er hat einen Trainer, der souverän agiert. Er schützt die Spieler, pflegt selbst zu den weniger Eingesetzten einen guten Draht und bleibt unaufgeregt  auch nach schwächeren Spielen. Er sagt klar an, dass man eben noch nicht so stark ist, wie viele den HSV gern sähen – aber er zerstört die Mannschaft auch nicht, wenn sie enttäuscht.  Zudem bildet er ein außergewöhnlich eingespieltes Team mit dem Vorstand. Ergo: Selbst die Vereinspolitik, die ansonsten immer eine Bank für kleinere und größere Skandale war, liefert momentan nicht. Und wisst Ihr was? Ich genieße diese Phase. Denn ich befürchte, sie war nicht umsonst in den letzten 20 Jahren so selten in Hamburg zu Gast.

Okay, sportlich kann man immer diskutieren. Darüber, ob ein Wood, ein Jung, ein van Drongelen oder sonstwer in die Startelf gehört, ob man lieber mit einer oder zwei Spitzen spielen und wie man im Spielverlauf hätte wechseln sollen. Denn im Fußball gibt es nicht die eine Wahrheit. Alle Spiele, auch Partien wie in Kiel, Wiesbaden, ja selbst das 6:2 gegen Stuttgart im Volksparkstadion liefern immer Ansätze für Kritik. Immer! Berechtigte!  Und Fakt ist auch: Nur wer (an)erkennt, was falsch läuft, kann lernen und sich wirklich weiter entwickeln.  Wobei die Kritik bitte nicht als solche am Trainer und der Mannschaft verstanden werden soll. Vielmehr glaube ich, dass Mannschaft und Trainer aktuell hier Teilen ihres Umfeldes gegenüber sogar die Nase vorn haben...

Das Umfeld hinkt derzeit den Verantwortlichen hinterher

Es gibt hier wieder einmal die, die einen allgemein gültigen Negativtrend erkannt haben wollen. Zudem diejenigen, die alle HSV-Kritiker verteufeln. Drumherum ist es also irgendwie wie immer: Die gesunde Mitte wird weitgehend ausgespart. Wobei das durchaus in der Natur des Menschen liegt. Denn die meisten Menschen wollen lieber durch Lob ruiniert als durch Kritik gerettet werden. Fühlt sich eben einfach besser an – ist aber scheiße. Denn es sorgt für falsche Zufriedenheit und täuscht über Probleme hinweg, die alles gefährden können.

Aber wenn ich mich nicht ganz irre, ist Dieter Hecking nicht so.  Okay, er stellt sich manchmal wider besseres Wissen hin und schützt seine Mannschaft – und damit eben auch sich. Aber solange er das nur nach außen macht, um das Umfeld zu beruhigen, während er intern mit der Mannschaft alles offen anspricht – es soll mir Recht sein. Mehr als das sogar.

„Man sieht, dass wir sehr stabil sein können. Wir müssen uns von vielen Bewertungen lösen, sondern unser Ding durchziehen.“

Natürlich wäre es spektakulärer gewesen, wenn sich Hecking nach Schlusspfiff in Kiel laut auf das Thema Jatta gestürzt, den Schiri für alles verantwortlich gemacht oder einfach so etwas rumgepöbelt hätte. Hat er aber nicht. Weil er weiß, dass langfristige Erfolge nicht erreicht werden, indem man sich an dem kurzfristigen Wunsch der Öffentlichkeit orientiert. Stattdessen bedarf es eines Planes, an dem man auch gegen Widerstände von außen festhalten und den man mit aller Macht und aller kritischen Betrachtung weitergehen muss. Kurzum: Es geht um Konstanz. Wie schwer das in einem Umfeld wie Hamburg noch umzusetzen ist, dürfte aktuell klar werden. Und wenn ein zweiter Tabellenplatz am 13. Spieltag als Anzeichen für eine Krise herangezogen wird, müssen wir erkennen, dass etwas falsch läuft.

Diskussionen sind wichtig - wenn sie konstruktiv geführt werden

Ich habe seit Spielschluss alle Kommentare mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und muss zugeben, dass es hier sehr viele sehr ausgewogene Kommentatorinnen und Kommentatoren gibt. Inhaltlich darf über jeden Spieler, jede Entscheidung, jede Handlung trefflich diskutiert werden. Davon lebt der Fußball. Und deshalb sind hier ja auch Fans unterwegs – keine professionellen Fußballer, Trainer oder andere amtierende Entscheider.  Nur eines dürfen wir nicht: Glauben, dass wir den einzig richtigen Weg kennen. Das sollte keiner. Denn eines ist klar: Es gibt immer mehrere Wege, die erfolgreich sein können. Wichtig ist am Ende nur, dass alle überzeugt einen gemeinsamen Weg gehen. Deshalb gibt es den einen Entscheider, den Trainer. Hecking muss konstant alles und jeden seinem Plan unterordnen.  Auch, wenn das bedeutet, dass es zwischendurch mal mächtig langweilig für Außenstehende wird. Und das macht er.

Mir reicht bis dahin, zu beobachten, welche Schlüsse der HSV aus den bisherigen Spielen zieht. Und dabei freue ich mich weniger über Aussagen wie „Auch die anderen Mannschaften sind längst nicht so stabil, wie sie alle tun“, vom Trainer. Glücklicherweise wich er nur sehr kurz von seiner Art, ausschließlich auf sein Team zu achten, ab und fügte gleich an: „Wir fahren mit unserer Linie gut. Wir sind gut, nicht sehr gut. Es wird immer wieder Spiele geben, wo wir selber unter Druck geraten und auch verlieren können“.

Der HSV ist keine Übermannschaft - aber sie kann die Beste werden

Wie in Kiel. Kein anderes Team hat in der Nachspielzeit häufiger getroffen als der HSV, besagt beispielsweise eine Statistik. Ein Fakt, der mir zeigt, dass diese Mannschaft immer bis zur letzten Sekunde daran glaubt, das Spiel noch  drehen zu können. Soweit die positive Auslegung. Aber  die Statistik zeigt eben auch, dass die Zweite Liga sehr eng ist und dass der HSV keine Überfliegermannschaft ist, die alles im Vorbeigehen gewinnt. Denn das ist sie nicht. Noch nie gewesen. Selbst wenn das einige vielleicht (zumal nach dem 6:2 gegen den VfB) geglaubt haben mögen. Dennoch kann dieser HSV diese Saison im Vergleich zur Vorsaison zur besten Mannschaft der Zweiten Liga werden. Auch daran besteht kein Zweifel. Kurios ist eigentlich nur, dass man das offenbar überall außerhalb Hamburgs mehr glaubt, als in Hamburg selbst...

In diesem Sinne, morgen geht es wieder ganz hausbacken mit Training im Volkspark weiter. Um 15.30 Uhr wird dort öffentlich trainiert.

Scholle

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