Marcus Scholz

19. März 2019

„Der HSV steckt in der Zwickmühle“ - so titelt die BILD heute. Und die Kollegen treffen damit voll ins Schwarze. Wobei - sie hätten damit in vielen Themen ins Schwarze getroffen, denn der HSV steckt nicht nur in der Causa Klaus Michael Kühne in einer Zwickmühle, sondern fast überall. Denn nicht zuletzt die aktuelle Champions-League-Phase zeigt: Geld schießt im Fußball eben doch Tore - wenn man es richtig einsetzt. Womit wir wieder zu einer der Zwickmühlen des HSV kommen. Denn der hat kein Geld, braucht aber welches. Und derjenige, der da helfen könnte, würde dafür Anteile kaufen wollen, die der HSV (noch?) nicht verkaufen kann, weil die Mitglieder einem Anteilsverkauf über die 24,9-Prozent-Hürde auf der letzten Mitgliederversammlung im Januar ihr Veto vorgeschoben hatten. Stattdessen sollte das sogar in der Satzung verankert werden, was bislang aber aus verschiedenen Gründen noch nicht geschehen ist.

In der mit weitem Abstand härteste Zwickmühle stecken aktuell Vorstandsboss Bernd Hoffmann und seine Kollegen. Denn sie müssen den Fortbestand des HSV garantieren, ohne dabei ihr Wort gegenüber den Mitgliedern zu brechen. Und das ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Die größte Frage lautet derzeit also: Was passiert, wenn der Vorstand erwartungsgemäß den Vorstoß wagt und seine Mitglieder noch mal befragt und diese erneut gegen einen weiteren Anteilsverkauf stimmen? Ist der HSV dann, wie es aktuell suggeriert wird, zukünftig noch überlebensfähig? Immerhin reicht es dafür nicht, allein die Gehälter der dann noch Angestellten zahlen zu können.

Vielmehr muss parallel eine Mannschaft auf den Platz gestellt werden, die sportlich den eigenen Zielen entsprechend konkurrenzfähig ist. Ergo: erstligatauglich im Falle des Aufstieges und aufstiegsfähig im Falle eines Klassenverbleibs. Beide Szenarien scheinen derzeit allerdings nur schwer darstellbar. denn hierbei ruhen alle Hoffnungen auf Ralf Becker und einer Transferpolitik, wie sie beim HSV unter der Mithilfe Kühnes nicht mehr stattgefunden

Zwar hat Hoffmann erneut betont, dass man nicht auf Klaus Michael Kühnes Hilfe angewiesen sei. Aber wie mir meine Erdkundelehrer schon in einer der ersten Stunden am Gymnasium Ohmoor erklärte: Alles, wirklich alles ist eine Frage der Legende. Ohne sie zählt alles nichts, denn nur sie beschreibt exakt, in welcher Relation gewisse Einordnungen zu sehen sind. Natürlich kann der HSV auch ohne frisches Kapital bestehen. Wenn der HSV die Kosten den Einnahmen angleichen kann. Aber auf welchem finanziellen Niveau kann dieser Prozess stattfinden? Reicht es, um sich sportlich konkurrenzfähig auf dem Transfermarkt bewegen zu können?

Fragen, die keiner der Verantwortlichen endgültig beantworten kann. Und deshalb bewegen sich Hoffmann und Co. gezwungenermaßen weiterhin in dem Graubereich zwischen der Umsetzung des Mitgliedervotums und der Missachtung des selbigen: Sie halten sich schlichtweg alles offen und sagen, was sie zu diesem Zeitpunkt sagen müssen, um größere Unruhen vom Verein abzuwenden. Fakt ist: Die hundertprozentige Wahrheit sagt niemand, weil sie niemand sagen kann, ohne den HSV massiv zu gefährden.

Und deshalb wird es Wieder spitzfindig. Bis wohin kann man die Wahrheit unausgesprochen lassen, ohne damit zu lügen? Ein Beispiel: Man könne Kühnes Wunsch nicht umsetzen, sagte Hoffmann heute zum Beispiel,  weil die Satzung und das Mitgliedervotum andere Vorgaben machen würde. Und das  akzeptiere man. Klingt das für Euch, als sei alles klar? Für mich nicht. Denn diese Aussage ist längst nicht gleichbedeutend damit, dass man Kühnes nicht umsetzen wird bzw., dass man es nicht umsetzen will. Man kann es im Moment nur (noch) nicht.

Dass das Präsidium des e.V. auf der Mitgliederversammlung alles versucht hatte, das Votum (Integration der 24,9%-Hürde in die Satzung) zu verhindern, ließ schon einiges erahnen. Dass Kühne selbst jetzt sagt, dass die Gespräche mit den Verantwortlichen darauf hoffen ließen, dass die 24,9-Prozent-Hürde ausgehebelt würde, verleihen dem schwierigen Gesamtkonstrukt ihren offenbar Boch sehr biegsamen Rahmen: Denn sicher ist beim HSV - gar nichts!

Der HSV ist eine Geschichte, die fast ausschließlich aus Konjunktiven besteht: Wenn, dann… So auch heute. So auch in der Causa Kühne. Sollte die DFL die Lizenzunterlagen des HSV wie eingereicht akzeptieren und dieser die angegebene Etatplanung erfolgreich umsetzen können, kann der HSV ohne Kühne überleben. Wie er das dann kann - das hängt wiederum an den Verhandlungen mit Kühne über den Rückkauf der Risikodarlehen, über den Verkauf des Stadionnamens und der Findung eines (neuen) Hauptsponsors. Also ganz ohne Kühne geht leider nichts.

Daher stimme ich dem BILD-Artikel von heute auch zu. Denn selbst wenn alles so läuft, dass man den Investor und Mäzen bei Entscheidungen gänzlich außen vor lassen könnte - der HSV kann und wird es nicht darauf anlegen, bevor er eine sportlich belastbare Basis geschaffen hat. Und Kühne wird nicht helfen, diese Basis schnell zu schaffen, bevor er nicht seine Bedingungen umgesetzt weiß. Schlimmer noch: Kühne könnte dem HSV schon heute den Stecker ziehen, was er zwar nicht will und worauf die Verantwortlichen beim HSV ebenso wie ihre Vorgänger spekulieren.  

Aber er könnte - und damit sind wir beim Fazit der BILD-Kollegen. Denn dieser moralisch verwerfliche Poker um die Zukunft des HSV ist vielmehr der Kampf zwischen Kühnes Bedingungen und dem Votum der Mitglieder als ein Poker Kühnes mit Hoffmann, Jansen und Co. Denn Letztgenannte stehen vielmehr vor dem, was ihm ihre Vorgänger hinterlassen habe: ein existenziell vorbelastetes Erbe mit einem Mitgliedervotum on top, das sie zu achten haben und achten werden - zumindest so lange, bis gar nichts mehr geht.

Von daher ist das HSV-Konstrukt ohne Kühne erst einmal nur ein versuch. Bis dieser auf Nachhaltigkeit getestet ist, wird man Kühne weder vergrätzen noch dessen Bedingungen erfüllen. Becker wird versuchen, der finanziellen Einsparungen im Spieleretat mit findigen, günstigen Einkäufen/Verpflichtungen zu trotzen. Wie findig er sein muss, zeigte sich auch heute noch mal. Denn trotz der Ankündigung, in der Länderspielpause einige junge Talente uns Training mit einzubauen, waren es heute genau - null Nachwuchsspieler. Sie hätten sich nicht aufgedrängt, so die traurige Erklärung. Ein hartes Zeugnis für den eigenen Nachwuchs.

Dafür meldete sich Kyriakos Papadopoulos heute wieder zurück. „Alles gut“, so seine kurze Ansage nach dem Training mit sechs Feldspielern (Santos, Holtby, Lacroix, Opokou, Sakai, Narey,) und drei Torhütern (Behrens, Mickel, Pollersbeck). Probleme hat er keine (mehr). das ist schon seit ein paar Wochen klar. Ob er denn nach der Länderspielpause wieder dabei sein wird? Papadopoulos zuckt mit den Schultern. Er weiß eh, dass nicht er derjenige ist, der jetzt entscheidet, sondern der Trainer. Der Grieche selbst aber ist bereit.

In diesem Sinne, bis morgen! Da melde ich mich um 7.30 Uhr wie immer mit dem MorningCall bei Euch und werde Euch auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule oder sonstwo kompakt zusammenfassen, was es Neues in Sachen HSV gibt Am Abend bin ich dann wieder mit dem Tagesblog bei Euch und hoffe, Euch dann von einer spannenderen Einheit als heute berichten zu können. Diese findet übrigens wieder um 15.30 Uhr statt und ist erneut öffentlich.

Bis dahin, Scholle

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