Marcus Scholz

11. März 2018

So, eine kurze Nacht geschlafen und weiter ging es. Auch heute Vormittag hatte der HSV einen schnell eingeholt. Was haben die Fans vor? Gibt es nach dem zu verurteilenden Plakat gestern Nacht heute weitere Aktionen? Kommt Hollerbach mit auf den Platz, oder hat sich der letzte Vorstand Frank Wettstein mit dem neuen Aufsichtsrat bereits für eine Neubesetzung des Trainerpostens entschieden? Fragen über Fragen, die vom Wesentlichen wie immer ablenken. Und die letztlich ganz unspektakulär beantwortet werden konnten: Hollerbach war da und es blieb auch drumherum ruhig. Und für beides gilt: Noch.

Denn Fakt ist, dass die Personalie Bernd Hollerbach diskutiert wurde und weiter diskutiert wird. Zumal der Trainer, der aus sieben Spielen mit dem HSV nur zwei Punkte holen konnte, selbst den Eindruck vermittelt, angeschlagen zu sein. „Ich weiß nicht ob es eng für mich wird. Die Verantwortlichen müssen entscheiden. Ich denke, sie werden dann auf mich zu kommen“. Worte, die nicht davon zeugen, dass Vorkämpfer Hollerbach Rückendeckung verspürt, nachdem die ihm Vertrauten Jens Todt und Heribert Bruchhagen unter der Woche gehen mussten. Und auch deshalb nahm sich Hollerbach heute im Training den Mannschaftsrat (bis auf Diekmeier, der mit den Reservisten noch trainierte) zur Seite und besprach die Lage.

Der HSV ist, das muss man so erkennen, auf entscheidenden Positionen aktuell führungslos. So seltsam das auch klingt, nachdem gerade vor vier Tagen endlich wieder Entscheidungen getroffen wurden und der HSV nicht einfach „weiter so“ agiert wie zuletzt, sondern schlichtweg überfällige Personalentscheidungen anschiebt. Man kann zu Hoffmann aktuell stehen wie man will, aber er übernimmt die Verantwortung, die er angekündigt hatte. Und das ist erst einmal gut. Dennoch ist auch er jetzt unter einem zeitlichen Druck, schnellstmöglich die Position des Sportchefs, der einen Posten im Vorstand einnehmen soll, neu und stark besetzen. Und das ist tatsächlich auch alternativlos, da dieser zwingend die Position des Trainers und des Kaders für die neue Saison mittragen muss.  Und das weiß auch Hoffmann, der bereits an einer Lösung arbeitet.

Jonas Boldt aus Leverkusen wird als Hoffmanns Favorit gehandelt. Der hat zwar noch einen Vertrag in Leverkusen und die Bayer-Verantwortlichen wollen ihn partout nicht abgeben. Zudem hat Boldt selbst gesagt, dass er noch einen Vertrag habe und zudem den Plan habe, diesen auch zu erfüllen – eine Fußballerfloskel. Denn das alles heißt nichts, wenn eine Offerte kommt, die interessant ist. Und auch, wenn das bis zum Wochenende nicht abschließend zu klären ist, weiß man, dass grundsätzliche Einigkeit zwischen zwei Parteien schnell auch bestehende Verträge aushebeln kann.

Eine Übergangslösung auf der Sportchef- bzw. dann ja Sportvorstandsposition ist hingegen  auszuschließen. Das machte Hoffmann deutlich. Der Aufsichtsratsvorsitzende will diese Position maximal stark besetzen. Auch wenn es etwas dauern könnte. Anders gestaltet sich ein möglicher Trainerwechsel. Hier liefen und laufen Gespräche mit U21-Trainer Christian Titz. Und es wäre wichtig, vor der Partie am Wochenende gegen Hertha BSC Klarheit zu schaffen. Und wenn ich alles richtig deute, soll das sogar schon in den nächsten Tagen passieren. Tendenz: Der Trainer wird noch mal gewechselt. Damit hätte der HSV dann übrigens aktuell drei bezahlte Erstligatrainer. Den Neuen, Bernd Hollerbach, und nicht zu vergessen auch noch Markus Gisdol...

Wobei Christian Titz den Etat nicht zusätzlich belasten würde, da er bereits angestellt ist. Und der U21-Trainer hat sich tatsächlich in den letzten Jahren massiv empfohlen und genießt das allerhöchste Ansehen bei Bernhard Peters. Der Nachwuchschef wird in Sachen Trainerposition immer mit in die Entscheidung einbezogen und hatte Titz auch schon als Kandidaten vorgeschlagen, ehe sich Todt und Bruchhagen für Hollerbach stark machten. Und auch ich glaube, dass Titz der richtige Trainer für einen Neuaufbau sein kann. Denn Titz hat eine Idee, Fußball zu spielen und dafür eine Liste mit personellen Vorstellungen, wie er seinen Fußball spielen lassen kann. Und diese Vorstellungen sind aktuell in der Bundesligamannschaft sicher nicht umzusetzen. Immerhin setzt Titz auf Aktion statt Reaktion. Seine Mannschaften bestechen durch hohe Ballsicherheit und dominantes Spiel. Und davon ist der HSV fast soweit entfernt wie vom Klassenerhalt.

Warum ich das schreibe? Ganz einfach, weil es natürlich auch Gegenargumente gibt. Der Versuch, die sieben Punkte in den letzten acht Spielen noch aufzuholen, könnte am Ende dem HSV einen Trainer kosten, der es vielleicht wert wäre, ihn für einen tatsächlichen Neuanfang zu nehmen. Denn sollte Titz nicht den faktisch unwahrscheinlichen Turnaround schaffen und am Ende mit dem HSV absteigen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch er verbrannt wäre und gehen müsste, bevor er richtig anfangen konnte, einzuwirken.

Der HSV steckt in einer kleinen Zwickmühle. An Hollerbach glaubt man offensichtlich nicht mehr und das wissen alle. Auch die Spieler. Trotzdem will man die letzte Minimalchance nicht herschenken, sondern alles versuchen, sie zu  nutzen. Und dafür braucht man einen neuen Trainer, von dem man überzeugt ist. Eben einen wie Titz.

In diesem Sinne, morgen ist trainingsfrei, was nicht bedeutet, dass morgen nichts passiert. Bis dahin verabschiede ich mich von Euch mit einer aus meiner Sicht sehr traurigen Nachricht. Denn in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag ist Thorsten Runge – einige von Euch werden ihn kennen - nach schwerer Krankheit für immer eingeschlafen. Und das macht mich, so erwartet das auch war, sehr traurig.

Ich hatte in den letzten Wochen das Glück, den eingefleischten HSV-Fan, erleben zu dürfen, wie er seine letzten Tage versuchte, allesamt zu Feiertagen zu machen. Es war bewundernswert, wie offen Thorsten mit seinem drohenden Schicksal umgegangen ist. Und wir hatten uns verabredet, darüber intensiv zu sprechen. Dazu wird es jetzt leider nicht mehr kommen. Aber Thorsten hat mir gezeigt, wie lebenswert jeder einzelne Tag doch ist und wie schnell wir das vergessen. Ich bin sehr froh, ihn in den letzten Wochen und Monaten noch besser kennengelernt zu haben. Und ich bin sehr glücklich darüber, dass wir ihm zusammen mit dem HSV III noch einen seiner letzten großen Wünsche erfüllen konnten. Wie sehr er sich über diese an sich so banale Geste gefreut hat, das werde ich nie vergessen. Ebenso wenig wie ihn.

 

Ruhe in Frieden, Thorsten.

 

Scholle

 

 

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