Marcus Scholz

21. August 2018

Maximilian Wittek von Greuther Fürth hätte Becker holen sollen. Oder dem eigenen Spieler klarmachen, dass er unter acht Millionen Euro nicht wechseln darf. Immerhin sei der HSV-Sportvorstand so über den Tisch gezogen worden. Zudem wurde ich angeschrieben, ich sollte mal überlegen, was ich schreibe, wenn ich das Transferminus (Ergebnis aus Verkaufspreis minus Einkaufspreis) als positives Urteil für eben jenen Becker nutze.

WIE BITTE??

Transferminus, weil Becker heute als Absteiger die Muss-Verkäufe nicht zum selben Mondkurs an den Mann gebracht hat, wie diese einst vielfach sorglos von seinen Vorgängern eingekauft wurden? Okay – das kann man so sehen, Muss man aber nicht. Nein, eigentlich kann man das nicht so sehen. Ehrlich gesagt funktioniert der Fußballmarkt gänzlich anders! Denn Fakt ist, dass der Profifußball keine Gnade kennt. Der Schwache wird gefressen. Und dieser HSV ist schwach. So ungern das viele von Euch hören mögen. Denn der HSV ist aktuell dabei, seine Altlasten abzuarbeiten. Er muss, wenn er die nächsten Jahre überstehen will.

Bei zu teuer eingekauften Spielern kamen immerhin auch immer wieder völlig überzogene Gehälter dazu. Und deshalb mussten einige Spieler unbedingt weg. Passend für den HSV war, dass viele von ihnen es nach dem Abstieg auch wollten. Unpassend dazukam, dass der HSV abstieg und die Geier schon die Filetstücke erkannt hatten. Der HSV wurde zum Schnäppchenmarkt und konnte sich kaum noch dagegen wehren. Nicht, weil Becker schlecht gearbeitet hat, sondern vielmehr, weil allen klar war, dass die guten Spieler nicht in die Zweite Liga gehen wollen – und dieser finanzschwache HSV sie auch gar nicht bezahlen könnte.

Und genau diese in den letzten Jahren mit außergewöhnlicher Konstanz erarbeitete Faktenlage macht den HSV in den Verhandlungen schwach. Davon auszugehen, der HSV könne einem Kostic imponieren, wenn man ihm sagt, dass er unter acht Millionen Euro nicht wechseln darf, ist ein Irrtum. Kostic ist für den HSV zu teuer. Das wissen alle. Und das macht ihn wie alle anderen für Interessenten nicht teurer. Im Gegenteil.

Unter diesen Umständen war zu keinem Zeitpunkt zu erwarten, dass Becker auch nur annähernd das Geld für die abzugebenden Spieler reinholt, das für eben jene ausgegeben worden war. Im Gegenteil. Es ging für Becker von Beginn an nur noch um Schadensbegrenzung. Einmal auf Reset drücken, auch wenn das wehtut. Und dafür bietet die Zweite Liga diesem HSV eine Chance, die man in der deutlich anspruchsvolleren Ersten Liga wahrscheinlich nicht bekommen hätte, um mal einen der ganz wenigen positiven Aspekte des Abstiegs hervorzuheben.

Ich hatte vor Monaten mal geschrieben, dass nur Kühne dem HSV diese Stärke geben könnte. Wenn er dem HSV finanzielle Sicherheit garantiert, würden die Spieler teurer, weil die anderen Vereine wüssten, dass der HSV nicht verkaufen muss. Aber von einem solchen Agreement ist der HSV aktuell weiter entfernt als von der Champions-League-Qualifikation. Trotzdem konnte Becker viele Altlasten erst einmal abgeben, hat Ablösen eingefahren und vor allem Gehälter eingespart. Er hat die Basis für einen Neuanfang gelegt, der jetzt beginnt. Nein. Der jetzt beginnen muss.

Sportlich war das bislang noch durchwachsen. Kiel als Dämpfer, Sandhausen souverän, und Erndtebrück als erneuter Wachrüttler. Defensiv fehlt Stabilität, offensiv ist man auf einem guten Weg. Und heute kam auch noch Aaron Hunt dazu, während Ito (Fußprellung) und Vagnoman (Einblutung Oberschenkel) ausfielen. Bei Letztgenanntem wird damit gerechnet, dass er diese Woche ausfällt, so Titz. ob er nächste Woche dabei sein kann, ist offen. Ausfallen wird auch weiterhin Matti Steinmann, bei dem heute in einer MRT-Untersuchung ein Faszieneinriss festgestellt wurde. „Matti hat noch muskuläre Probleme. Bei ihm wird es leider für das Spiel am Montag nicht reichen“, so Trainer Christian Titz heute. „Tatsuya hat eine Prellung am Oberschenkel, soll aber morgen wieder einsteigen.“

Und während Tobias Knost (Schule) und Momo Kwarteng (Belastingssteuerung) fehlten, mischte Hunt heute im Nachmittagstraining erstmals wieder mit der Mannschaft mit. „Aaron ist zurück im Training und hat in der Zeit, in der er nicht bei der Mannschaft war, sehr diszipliniert gearbeitet. Er wäre auch fit für das Spiel am Montag“, so Titz zu einem möglichen Einsatz des Kapitäns im Heimspiel gegen Bielefeld am kommenden Montag. Und heute im Training ließ Titz seinen Kapitän schon mal in der vermeintlichen A-Elf trainieren. Und die sah folgendermaßen aus: Pollersbeck – Sakai, Bates, van Drongelen, Santos – Mangala – Narey, Hunt, Holtby, Samperio – Arp. Also mit Sakai und ohne Pierre Michel Lasogga.

Wobei der Japaner ohne Knost und Vagnoman auch gar keine Konkurrenz hat und somit heute alternativlos war. Anders als Arp, den Titz offenbar vor Pierre-Michel Lasogga sieht. Oder wird es Hunt? „Er wäre auch eine Alternative für die Neun", so Titz, der schmunzelnd hinzufügte: „Es könnte auch sein,  dass wir mit zwei Spitzen spielen.“ Stimmt. Wobei die Trainingswoche eh noch zu lang ist, um heute schon ernsthafte Schlüsse auf die Startelf gegen Bielefeld zu ziehen. Wobei der HSV in dieser Woche weiterhin nach dem Rezept suchen muss, wie er defensiv stabiler wird. So, wie zuletzt gegen Kiel und in Teilen beim TuS Erndtebrück könnte sogar (Achtung, Scherz in Anspielung auf seine erfolglose Torejagd beim HSV!!) Sven Schipplock im Volksparkstadion wieder treffen.

Leo Lacroix, der  in Saint-Etinne einige private Angelegenheiten erledigen usste und später separat trainierte, wurde dafür spät geholt. Wirklich überzeugend trainiert hat er zwar noch nicht. Aber es waren ja auch erst wenige Einheiten und die Hoffnung darauf bleibt, dass sich Beckers Worte bestätigen: „Leo ist ein Spielertyp, der uns sofort helfen kann. Er kann uns mit seiner Erfahrung stabilisieren.“ Allerdings befürchte ich weiterhin, dass dem HSV trotz Lacroix der schnelle Mann in der Viererkette fehlt, wie ich es gestern und vorgestern schon beschrieben habe. Einer, der bei dem hoch stehenden HSV-System durchgerutschte Bälle und schnelle Gegenstöße unterbindet. Es wird auf jeden Fall Schwerstarbeit für Titz sein, dieses Problem kurzfristig mit Bordmitteln zu lösen.

Wobei, versuchen wir doch auch hier mal wieder das Positive zu sehen: Denn diese Konstellation hätte den großen Vorteil, dass uns viele sehr spannende Spiele bevorstehen. Mit vielen Toren – auf beiden Seiten. Unterhaltsam wäre es. Wahrscheinlich sogar spektakulär. Aber eben meiner Meinung nach auch zu unkontrollierbar, zu riskant, um dominant durch die Liga zu marschieren und dementsprechend souverän aufsteigen zu können.

Weiter geht es morgen um 14 Uhr am Volksparkstadion, ehe am Donnerstag um 11 Uhr das letzte Mal öffentlich trainiert wird.

Bis dahin!

Scholle

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