Tobias Escher

28. August 2018

*** Um 20:00 Uhr senden wir unseren Rautenperlen-Talk mit HSV-Cheftrainer Christian Titz und Sportjournalist Tobias Escher. Im Anschluss an die Ausstrahlung findet ihr das VoD auf unserem YouTube-Kanal***

 

Seit seinem Amtsantritt beim Hamburger SV hat Christian Titz einem Thema besondere Bedeutung zugemessen: der Taktik. Titz hat genaue Vorstellungen, wie sein Hamburger SV spielen soll: offensiv, viel Ballbesitz, schnelle Spielzüge. Auch beim 3:0-Erfolg über Arminia Bielefeld gab es typischen Titz-Fußball zu bestaunen. Der HSV hatte über sechzig Prozent Ballbesitz, spielte 200 Pässe mehr als der Gegner und erzielte nebenbei – im Fußball nicht ganz unwichtig – drei Tore. Dennoch ist nicht alles Gold, was glänzt. Das Hamburger System hat noch mit vielen Kinderkrankheiten zu kämpfen.

Das Hamburger System

Wie funktioniert das Hamburger System? Titz lässt vor allem den Spielaufbau trainieren. Die Verteidiger sollen das Spiel aus der eigenen Hälfte aufbauen. Charakteristisch für das Aufbauspiel ist die aktive Einbindung des Torhüters: Julian Pollersbeck klebt nicht auf die Linie, sondern bewegt sich weit nach vorne. Zusammen mit den beiden Innenverteidigern bildet er im Spielaufbau eine Dreierkette.

Der Sinn hinter Pollersbecks hoher Rolle: Schaltet sich der Torhüter in den Spielaufbau ein, können andere Spieler weiter vorrücken. Sechser Orel Mangala beispielsweise, der die Innenverteidiger nicht im Aufbau unterstützen muss. Auch die Außenverteidiger können dank Pollersbeck offensiver agieren. Gerade Linksverteidiger Douglas Santos macht von dieser Möglichkeit Gebrauch. Der Brasilianer schaltet sich häufig in die Offensive ein.

Grundsätzlich will die Dreierkette um Pollersbeck den Ball so lange laufen lassen, bis sich eine Anspielmöglichkeit nach vorne ergibt. Genau in diesem Punkt hakt es beim Hamburger SV allerdings noch. Den Hamburgern fehlt die Anbindung zwischen Abwehr und Mittelfeld. Aaron Hunt und Lewis Holtby verschwanden oft hinter dem gegnerischen Mittelfeld. Bielefeld gelang es, mit ihrem kompakten 4-4-2-System Offensive und Defensive der Hamburger voneinander abzuschneiden. Der HSV spielte vieler Quer-, aber nur wenige Tiefenpässe.

Raumgewinn erzielte der HSV vor allem nach Verlagerungen. Diese sind ebenfalls fester Teil von Titz' Spielphilosophie: Mit langen Diagonalbällen von der halbrechten auf die linke Seite will der HSV das Spiel breit machen. Allgemein fokussierte der HSV gegen Bielefeld Angriffe über die linke Seite. Holtby ließ sich häufig auf die Linksverteidiger-Position fallen, um eine zusätzliche Anspielstation zu bieten. Santos rückte in diesen Situationen ins Mittelfeldzentrum. Einige Male gelang es dem HSV, über die linke Seite durchzubrechen – allerdings nicht allzu oft.

Dass der HSV die Partie in der ersten Halbzeit weitestgehend im Griff hatte, lag an der Kombination frühes Tor und gutes Ballbesitzspiel in der eigenen Hälfte. Die Hamburger gaben den Bielefeldern schlicht nicht den Ball – zumindest über weite Strecken des Spiels, denn mit einigen riskanten Abspielen brachten Rick van Drongelen und David Bates Torhüter Pollersbeck in Bedrängnis.

Defensive Schwachstellen

Probleme bekam der HSV defensiv immer dann, wenn Bielefeld schnell über die Flügel angriff. Hier sind die Hamburger aufgrund der hohen Rolle ihrer Außenverteidiger anfällig. Bielefeld versuchte, nach Ballgewinnen schnell über die Flügel zu kontern. Stürmer Fabian Klos wich immer wieder auf die rechte Seite aus, um hinter Santos zu gelangen. In den meisten dieser Situationen setzte sich jedoch die höhere individuelle Klasse der Hamburger durch.

Brenzlig wurde es vor allem in der Anfangsphase der zweiten Halbzeit. Bielefelds 4-4-2-Verbund schob einige Meter weiter nach vorne, störte die Hamburger nun früh in der eigenen Hälfte. Die Bielefelder zwangen Pollersbeck zu zahlreichen langen Bällen, die Hamburgs Mittelfeld nicht erobern konnte. Zudem ließen sich die Hamburger Angreifer von der aufrückenden Bielefelder Abwehr düpieren, sie liefen reihenweise ins Abseits.

Doch mit der Einwechslung von Vasilije Janjicic stabilisierte sich die Defensive der Hamburger etwas. Janjicic wechselte auf die Sechs, Mangala rückte eine Reihe weiter nach vorne, Hunt ging auf die Linksaußen-Position. Hunt interpretierte die Position etwas defensiver, sodass Hamburg gegen die Bielefelder Flügelangriffe besser gewappnet schien.

In der Schlussphase gewann der HSV wieder die Oberhand. Bielefeld hatte viele Körner verbrannt durch ihre intensive Arbeit gegen den Ball; immer wieder schoben sie innerhalb ihres 4-4-2-Systems von einer Seite zur anderen. Eine Balleroberung durch Mangala und ein Elfmeter von Lasogga bescherten dem Hamburger SV einen auf dem Papier recht deutlichen 3:0-Erfolg.

Fazit

Das Ergebnis ist die vielleicht beste Nachricht für den Hamburger SV an diesem Abend: Obwohl nicht alles rund lief, waren sie dem Gegner am Ende drei Tore überlegen. Die individuelle Klasse des Mittelfelds und des Angriffs kaschiert die durchaus vorhandenen Schwächen im Spielsystem von Titz. Gerade im Spielaufbau muss sich der Hamburger SV steigern; der Übergang aus der eigenen in die gegnerische Hälfte funktioniert noch nicht. Defensiv offenbarten sich auf den Flügeln so manche Lücken.

Diese Probleme wird der HSV abstellen müssen, denn auf Gegner wie Bielefeld werden die Hamburger in dieser Saison noch zuhauf treffen. Deren defensiver, flügelorientierter Stil ist in der Zweiten Liga weit verbreitet. Insofern scheint zumindest Titz' Spielphilosophie zur Zweiten Liga zu passen: Der Favorit aus Hamburg wird in nahezu jeder Partie das Spiel machen müssen. Auch am kommenden Wochenende gegen Dynamo Dresden.

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