Marcus Scholz

5. April 2018

„Wir haben doch eh nichts mehr zu verlieren.“ Diesen Satz hört man beim HSV derzeit inflationär oft. Und er stimmt ja auch. Zumindest, wenn man ihn auf die aktuelle Saison bezieht, wo eigentlich niemand mehr wirklich daran glaubt, dass der Abstieg noch verhindert werden kann. Gehofft wird hier und da noch – aber der echte Glaube fehlt. Und diese Situation bietet dem neuen Trainer Christian Titz gleich mehrere Chancen: Er kann sich selbst präsentieren und für einen Vertrag als Bundesligatrainer empfehlen, klar. Aber auch er hat eigentlich nicht mehr viel zu verlieren und kann munter probieren. Schafft er das Wunder, ist er eh nahezu heilig. Schon jetzt, wo gerade einmal zwei Spiele unter seiner Ägide gespielt wurden und er dabei einen Punkt holte, wollen knapp 90 Prozent der HSV-Fans ihn als Trainer behalten. Weil Titz Fußball spielen lässt und alles aufbricht, was hier festgefahren schien.

Und Titz macht auch gegen Schalke da weiter. Zumindest deutete sich das unter der Woche an. Immer wieder probierte Titz. Hinten in der Innenverteidigung wurden neben dem gesperrten Gideon Jung auch Albin Ekdal, Stephan Ambrosius, Rick van Drongelen und Kyriakos Papadopoulos ausprobiert. Als Rechtsverteidiger durften auch Vagnoman und Diekmeier (heute) ihre Visitenkarten in den vermeintlichen A-Teams abgeben. Und Papadopoulos dürfte gegen Schalke 04 am Sonnabend wieder in der Startelf stehen. Zumindest deutet alles daraufhin. Übrigens auch die Trainingsleistungen des Griechen, der sich in jeden Angriff schmiss und parallel versuchte, das Titz’sche Aufbauspiel zu verinnerlichen. Statt langer Bälle plötzlich sicheres Passspiel – es funktionierte sogar...

Fast so gut wie die Entschuldigung des Griechen bei seinem Trainer und den Mannschaftskollegen. Nachdem er sich im Anschluss an das erste Titz-Spiel öffentlich kritisch über die Trainerentscheidungen geäußert hatte, hatte er sich in einem persönlichen Gespräch bei Titz bereits entschuldigt und die Mannschaft unter der Woche zum Essen eingeladen. Titz: „Es war eine sehr gelungene Veranstaltung. Was ich sehr bemerkenswert fand, war, dass er noch Worte an die Mannschaft gerichtet und angekündigt hat, dass er die Mannschaft bei einem Sieg gegen Schalke noch einmal einladen würde“, bekommt der Grieche nicht nur Lob vom Trainer, der mit dabei war. Auch in der Mannschaft kam Papadopoulos’ Entschuldigungsessen – passenderweise bei einem Griechen – sehr gut an.

Na dann. Sowas nennt man wohl „letztes Aufbäumen“. Und das kommt keine Millisekunde zu früh. Im Gegenteil: Gegen Schalke MUSS gewonnen werden, wenn man auch in den nächsten Wochen noch an die Minimalchance glauben können will. Dass Titz gegen Schalkes extrem spiel- und laufstarke Mannschaft wieder auf Ballbesitz setzt ist zwar nicht auszuschließen. Aber auch Titz weiß, dass Schalke noch mal ein ganz anderes Kaliber ist als Stuttgart oder auch Hertha BSC. „Es wird ein Spiel, bei dem wir unsere Zuschauer als 12. Mann benötigen. Schalke ist eine enorm laufstarke Mannschaft, die in der Defensive sehr diszipliniert spielt, die immer wieder im hohen Tempo anläuft und eine hohe Aggressivität hat. Wir müssen das annehmen. Es wird ein Abnutzungskampf werden“, kündigt Titz an und nennt schon damit das absolute Totschlagargument, Papadopoulos am Sonnabend von Beginn an aufzubieten. „Gerade da kann es ein großer Vorteil sein, wenn man immer wieder gepusht wird, den Laufweg zu machen und in die Zweikämpfe zu gehen. Wir werden einen sehr guten Tag benötigen, sehr diszipliniert spielen und über die gesamte Spieldauer hochkonzentriert sein müssen.“

Wobei, das muss man in der Bundesliga fast immer. Zumindest dann, wenn man nicht der FC Bayern ist...

Personell könnte es am Sonnabend noch mal interessant werden. Nicht, weil Papadopoulos spielt. Generell nicht, was die ersten Elf betrifft. Dafür aber taktisch. Denn Titz plant offenbar ein Wechselspiel in der Offensive. Endlich! Denn egal wen der HSV vorn bislang hinstellte, als einzige Stürmer kamen sie alle nur sehr bedingt zurecht. Filip Kostic hatte seine guten Szenen, Fiete Arp vor einigen Wochen ebenso. Aber wirklich konstant gut war keiner von ihnen. Auch Luca Waldschmidt, der gegen Stuttgart gut begann, noch nicht.

Und am allerwenigsten funktioniert Bobby Wood. Letztgenannter funktioniert sogar sportlich wie mannschaftsintern derzeit nicht. Wobei das Sportliche auch daran liegt, dass Wood schlichtweg keine einzige Spitze ist. Der US-Amerikaner funktioniert in der Nationalelf auch nur, weil er in einer Doppelspitze agiert. Selbst das reine Konterspiel ist mit Wood nicht (mehr) umsetzbar. Und deshalb plant Titz offenbar, dass sich die Angreifer vorn abwechseln. Heute im Training durfte Aaron Hunt ganz vorn ran. Dennoch glaube ich, dass das keine 90-Minuten-Lösung sein kann.

Vielmehr wird der HSV vorn rochieren. Vermute ich. Waldschmidt ist auch auf der Zehn bzw. generell im offensiven Mittelfeld einsetzbar. Im Gegensatz zu allen anderen Angreifern (Arp käme dem noch am nächsten, gehört aber auch nach ganz vorn). Daher könnten Hunt und Waldschmidt im Wechsel in die Spitze stoßen. Selbst Kostic könnte von der Außenbahn ins Zentrum rücken. Mit Hunt, Waldschmidt und Kostic hätte Titz somit gleich drei Spieler, die alle drei Positionen vorn spielen können. Eine Idee, die ich sehr interessant fände.

Apropos interessant, anbei die Pressekonferenz vom nächsten Gegner:

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird wieder unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert.

Bis dahin,

Scholle

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