24. Oktober 2018
Langsam wird es anstrengend. Spieltag für Spieltag versuche ich, einen frischen Ansatz zu finden für meine Spielanalysen der HSV-Partien; einen besonderen taktischen Aspekt, einen einzigartigen Kniff, eine Veränderung im Hamburger Spiel. Doch nachdem dem Hamburger SV nun Spiel für Spiel dieselben Fehler unterlaufen, gehen mir mittlerweile die Ideen aus.
Eigentlich könnte man auch eine der vergangenen Analysen an dieser Stelle einfügen. Copy & Paste. Seit der 0:5-Niederlage verlaufen Hamburger Spiele stets nach demselben Muster: Der HSV dominiert den Ballbesitz, die Verteidiger lassen die Kugel laufen – doch nach vorne gelangt der Ball nicht. Auch gegen den VfL Bochum tat sich der HSV schwer damit, Chancen herauszuarbeiten. Ein weiteres 0:0 – das dritte aus den vergangenen vier Spielen – ist das folgerichtige Ergebnis.
VfL-Trainer Robin Dutt ging kein Risiko ein. Er hatte die vergangenen Auftritte des HSV verfolgt. Er wusste: Baut der Gegner zwei kompakte Viererketten im Mittelfeld auf, bekommt der HSV Schwierigkeiten. Dutt stellte seine Mannschaft dafür vom zuletzt praktizierten 4-1-4-1-System auf ein 4-4-1-1 um. Den Ball im Mittelfeld gewinnen, dann direkt über einen langen Ball auf Stürmer Lukas Hinterseer oder einen Pass auf die Außenstürmer kontern – das war Dutts simpler Plan.
In den ersten Minuten der Partie schien es noch, als hätte Titz neue Ideen parat, um gegen den defensiv orientierten Gegner zu Chancen zu kommen. Die grundlegende Spielanlage blieb zwar bestehen: Die beiden Innenverteidiger schoben weit nach Außen, bildeten im Aufbau eine Dreierreihe mit Torhüter Julian Pollersbeck. Dieses Dreigespann sollte im Aufbauspiel den Ball direkt in die letzte Linie spielen, am Liebsten auf die Außenstürmer. Alles beim Alten also.
Vorne jedoch gab es Veränderungen: weg vom starren 4-3-3, hin zu einem flexibleren Grundgerüst. Hee-chan Hwang und Khaled Narey tauschten als Stürmer und als Rechtsaußen immer wieder die Positionen. Auch Aaron Hunt wurde in diese Rochaden einbezogen, er ging häufig auf die Rechtsaußen-Position. Teils rückte sogar Tatsuya Itō von seinem linken Flügel in die Mitte. Diese Positionswechsel sorgten tatsächlich für einige Überraschungsmomente; für die Gegenspieler der HSV-Stürmer, aber auch für ihre Mitspieler. Selbst wenn ein Außenstürmer den Ball bekam, fehlte die anschließende Anspielstation, um die Angriffe zu veredeln.
Das Timing der Pässe auf die Außen stimmte ohnehin selten. Häufig spielte der HSV die eigenen Angreifer mit dem Rücken oder seitlich zum Tor an. Der Angreifer musste zwangsläufig das Tempo herausnehmen, um den Ball zu behaupten. Das Tempo war weg, Bochum direkt wieder mit acht Spielern hinter dem Ball. Wenn aus solchen Aktionen in der Folge Chancen entstanden, musste fast immer der Zufall nachhelfen. Abgefälschte Flanken oder missglückte Klärungsversuche der Bochumer brachten dem HSV Möglichkeiten für Fernschüsse ein. Das ist die wohl besorgniserregendste Statistik der ersten Halbzeit: Der HSV schoss zwar siebenmal auf das Tor, kein einziger Schuss erfolgte innerhalb des Strafraums. Das Spiel in der gegnerischen Hälfte bleibt die Schwachstelle des HSV.
Die Rochaden im Angriffsspiel verfolgte der HSV ohnehin nur in der Anfangsphase. Die ständigen Positionswechsel verursachten nach Ballverlusten Schwierigkeiten, der HSV kehrte nicht schnell genug in eine kompakte 4-3-3-Ordnung zurück. Nachdem die Hamburger ab der 30. Minute die Rochaden einstellten, stabilisierte sich die eigene Defensive. Bochums Konter wurden abgefangen vom (überraschend starken) Pressing der Hamburger.
Während der zweiten Halbzeit versuchte Titz, über taktische Wechsel das Spiel herumzureißen. Doch weder die Einwechslung von Stoßstürmer Pierre-Michel Lasogga noch die Umstellung auf ein 4-4-2-System brachten die erhoffte Wende. Der HSV hatte noch immer Mühe, sich gegen die engen Viererketten der Gäste durchzubeißen.
Erst in der Schlussphase gab es eine echte Sturm-und-Drang-Periode der Hamburger. Die Außenverteidiger hielt nichts mehr hinten, sodass sie im letzten Drittel aushalfen. Das befreite wiederum die Außenstürmer, die ins Zentrum ziehen konnten. Die müden Gäste zogen sich nun an den eigenen Strafraum zurück und harrten der wilden Angriffe des HSV. Doch das Glück war nicht auf Seiten der Hamburger. Es bleibt bei derselben Diagnose wie seit Wochen: Zum Toreschießen fehlen dem HSV Mechanismen, um aus dem Spielaufbau in die gegnerische Hälfte und von dort vor das Tor zu gelangen.
Mit Aufsteiger Magdeburg erwartet den HSV erneut ein defensiv aufgestellter Kontrahent. Anders als die vergangenen Gegner präferieren die Magdeburger jedoch eine Fünferkette. Das Anti-HSV-System 4-4-2/4-4-1-1 gehört eigentlich eher nicht zum Repertoire von Coach Jens Härtel. Vielleicht liegt dem HSV eine gegnerische Fünferkette ja besser. Man kann es nur hoffen, sonst geht mir irgendwann der Stoff zum Analysieren aus... Wobei wir mit Hannes Wolf nun noch nicht genau wissen, auf welche Art und Weise der HSV taktisch auftreten wird. Es bleibt also spannend.