Marcus Scholz

10. März 2019

 

Das wird eine angenehme Arbeitswoche. Dank der Torschützen Pierre Michel Lasogga (2), Khaled Narey, Santos und auch sonst allen HSV-Profis, die das erste Mal in dieser Saison einen Sieg einfuhren, an dem es so gar nichts zu rütteln gibt. Gleich mit 4:0 wurde das so heiß erwartete Stadtderby im mit 29.546 Zuschauer restlos ausverkauften Millerntor gewonnen. „Ich hatte schon viele schöne Tage im HSV-Trikot. Aber heute war es ein ganz besonders schöner“, freite sich Lasogga nach dem Spiel und Kollege Berkay Özcan ergänzte: „Es ist unglaublich, ein Derby mit 4:0 zu gewinnen. Es war insgesamt eine starke Mannschaftsleistung“, so der Mittelfeldspieler, während Keeper Pollersbeck über den Derby-Doppeltorschützen Lasogga scherzte: „Vielleicht bauen sie ihm ja jetzt eine Statue auf der Reeperbahn...“

Es war der Ausklang eines stimmungsvollen Spiels, das kurz vor dem An+bbrich stand und seine Schatten schon weit vor dem Anpfiff selbst vorausgeworfen hatte. Zumindest bei mir. Da gab es Videos im Sekundentakt. Entweder Eigenkreationen mit dem Ziel, den FC St. Pauli ein wenig zu veralbern, oder eben Videos vom Fanmarsch der HSV-Anhänger. Wer also noch nicht in Stimmung war, der musste nur in die sozialen Netzwerke oder seinen Whattsapp-Account durchstöbern, um zu merken, wie dieses eine Spiel die Stadt elektrisiert.

 

„Verkaufe meine Seele für ein Ticket“-Schilder vor dem Stadion und ein Spielbeginn, der gleich ein echtes Feuerwerk abbrannte – allerdings in Form von Pyrotechnik auf den Tribünen Nord und Süd. Auf dem Platz überließ der Gastgeber dem HSV das Spiel, stellte sich frühestens an der Mittellinie – meistens sogar mit elf Mann in  der eigenen Hälfte - auf und lauerte auf Fehler des HSV im Spielaufbau. Und die gab es. Allerdings ohne erwähnenswerte Folgen. Die Folge: Erst nach 20 Minuten gab es die erste annähernde so zu bezeichnende Torchance, als Hunt mit einem Diagonalball Santos im Sechzehner anspielte und dessen Flankenball von einem St.-Pauli-Spieler gefährlich abgefälscht und von FC-Keeper Himmelmann per Reflex zur Ecke abgewehrt wurde (21.). Und wieder drei Minuten später steckt Mangala den Ball auf Lasogga durch, dessen flache Hereingabe aber an Freund und Feind vorbeiläuft. Es war der Auftakt der ersten guten Phase des HSV, der weiter das Kommando innehatte.

Und dann das: Ein langer Ball, völlig harmlos, wird von van Drongelen rausgeköpft, direkt vor die Füße von Alexander Meier, der den Ball volley aus 25 Metern direkt aufs Tor zieht und nur knapp verfehlt (28.). Weshalb Pollersbeck, der rausgelaufen war, sich a) nicht bemerkbar macht und weshalb b) van Drongelen den Ball nicht zurückköpft – es wird ihr Geheimnis bleiben.

Feuer war weiter drin – vor allem auf den Tribünen, was zu unzähligen Durchsagen mit der Bitte, damit aufzuhören führte. Allerdings jetzt endlich auf dem Platz. Nach einem Foul an Lasogga zirkelt Aaron Hunt den fälligen Freistoß (davon hatte er nach den Trainingseinheiten zig Stück geübt und zumeist getroffen) an die Latte und Pierre Michel Lasogga ist als erster zur Stelle. Der Angreifer, der den Freistoß rausgeholt hatte, trifft per Kopf per Abstauber zur Führung für den HSV. Die verdiente Führung – weil der HSV bis hierhin als einzige Mannschaft etwas für das Spiel getan hatte.

Allerdings musste sich das jetzt natürlich ändern. „Jetzt wird es endlich ein Fußballspiel“ war der am meisten ausgesprochene Satz bei uns auf der Pressetribüne – und auch ich hoffte darauf, dass der FC St. Pauli seine offensiven Bemühungen jetzt intensivieren würde. Aber es kam zunächst nichts. Bis zur Halbzeit zumindest passierte nicht mehr viel – abgesehen von einem bitteren Ausfall auf Seiten des HSV: Aaron Hunt, der gerade erst sein Comeback gefeiert hatte, musste unmittelbar vor dem Halbzeitpfiff erneut verletzt den Platz verlassen. Für den Kapitän kam Bakery Jatta (45.). „Muskuläre Probleme“, so die erste Diagnose bei Hunt – und es klingt nach erneuter, wochenlanger Pause.

Ohne Wechsel begann die zweite Halbzeit – und war doch gleich anders. Denn der FC St. Pauli kam schon wenige Sekunden nach Wiederanpfiff zur ersten wirklich herausgespielten Torchancen. Miyaichi (der Mann, der den HSV „killen“ wollte) zog aus 13 Metern aufs lange Eck – und zwang Pollersbeck zur Glanzparade (46.). Ein Weckruf, den der HSV einen Distanzschuss von Santos und insgesamt sieben Minuten später in der 53. Minute für sich nutzte: Mangala steckte den Ball durch die Beine von Pauli-Abwehrmann Avevor auf Özcan durch, der scheitert an Himmelmann und den Abpraller nutzt Narey zum 2:0 (53.).

In den Jubeltaumel auf der Nordtribüne mischte sich eine erneute Ansage, das Abbrennen von Pyro zu unterlassen – diesmal allerdings als letzte Warnung von Schiedsrichter Felix Brych, der mit Spielabbruch drohte, sofern es weiter zu Vorfällen kommen sollte und diese Warnung durch die Kapitäne an die jeweiligen Fans weitertragen ließ. Mit Erfolg, denn in der 61. Minute gab es schon den nächsten Grund, zu feiern – und es blieb pyrofrei. Aber was für ein Marmeltor!! Mangala schickte Jatta lang, der lief allen davon,  flankte flach und über Umwege gelangte der Ball zu Özcan, dessen Schussversich von Lasogga so gestoppt wird, dass dieser den Ball aus kurzer Distanz zum 3:0 einschieben kann (61.).

Die Entscheidung?

Ja. Auf der Nordtribüne sangen die Fans sich schon zum Sieger – und auch auf dem Platz spielte der HSV weiterhin souverän. Sogar richtig gut. In der Defensive stand man sicher, über die Außenverteidiger wurde nicht nur gut verteidigt, sondern es wurden auch die eigenen Angriffe eingeleitet. Und im Zentrum machten Mangala und Janjicic genau das, was sie machen sollten: Janjicic räumte das weg, was durchkam – und Mangala ließ einfach mal nichts durch, sondern eroberte Bälle und kurbelte immer im Zusammenspiel mit der Offensive auch das eigene Spiel sehr geschickt an. Es sah alles richtig gut aus, selbst jetzt nach dem 3:0, wo der HSV kurz mal ein paar Prozentpunkte runterfuhr und den FC St. Pauli etwas kommen ließ. Der HSV hatte hier alles im Griff und kam seinerseits zu guten Konterchancen. In der 76. Minute war es der schnellste Mann auf dem Platz, der das 4:0 auf dem (falschen linken) Fuß hatte: Bakery Jatta war allen davongelaufen und traf aus spitzem Winkel nur das Aluminium. Paulis Keeper Himmelmann wäre chancenlos geblieben.

 

 

Und der FC St. Pauli? Der wirkte so, als wüsste er, dass hier und heute nichts geht – außer über Alex Meier. Sobald der mal zum Abschluss kam, wurde es gefährlich. Und wie! So auch in der 79. Minute, als er aus 18 Metern einfach mal abzog und nur knapp das Tor verfehlte. Aber Meiers wenige Auftritte waren Ausnahmen – denn ansonsten lief hier für den FC St. Pauli so gar nichts zusammen. Weder auf noch neben dem Platz. „Ihr seid scheiße, wie der HSV“ schimpfte die Osttribüne zwei Minuten später gen eigene Fans auf der Nordtribüne, als diese wieder Pyro abfackelten und Brych dazu brachten, das Spiel für einige Minuten zu unterbrechen. Dabei verbrannten die Pauli-Ultras offenbar auch eine gestohlene HSV-Fahne. Was für eine sinnfreie Kacke! Oder der Versuch, das Spiel abzubrechen? Egal wie, es gelang den Fans ebenso wenig wie ihrer Mannschaft auf dem Platz, diesem Spiel noch eine neue Wendung zu geben. Im Gegenteil: In der 88. Minute setzte Santos mit seinem schönen 4:0 aus 18 Metern noch einen drauf.

Ein Kantersieg, der höchste Saisonsieg – und das ausgerechnet im so wichtigen Stadtderby. Sieben Punkte Vorsprung sind es nunmehr auf den FC Sr. Pauli. Und Tabellenplatz zwei mit drei Punkten Vorsprung auf Union Berlin. Vor allem aber war es endlich mal wieder ein gutes Spiel vom HSV. Ein Spiel, das überzeugt hat. Und eines, das Tom Mickel dazu brachte, den Gegner für dessen Gesten beim Letzten Derbysieg 2011 zu verhöhnen. Zierst trat er (wie damals Pauli-Keeper Pliquett) die Eckfahne um, um anschließend (in Anlehnung an Deniz Naki einst in Rostock) eine HSV-Fahne in den Millerntorrasen zu stecken. Alles natürlich von den mitgereisten 2800 HSV-Anhängern gefeiert, die gar nicht aufhören wollten, zu singen. Noch zehn Minuten nach Schlusspfiff wurde gesungen. „Derbysieger, Derbysieger – hey, hey...“ und „die Nummer eins der Stadt sind wir...“.

Stimmt. Und das auch völlig zurecht. Ebenso wie der freie Tag, den sich die Spieler mit diesem Sieg erspielt haben. Weiter geht es Volksparkstadion erst am Mittwoch, während ich mich hier natürlich morgen früh wieder um 7.30 Uhr mit dem MorningCall und allen Reaktionen rund um das Stadtderby bei Euch melden werde.

Bis dahin!

Scholle

 

Das Spiel im Stenogramm:

FC St. Pauli: Himmelmann - Kalla, Avevor, Hoogma, Buballa - Knoll (89. Flum), Buchtmann - Miyaichi, Allagui (62. Schneider), Neudecker (73. Sobotta) - Meier

HSV: Pollersbeck - Sakai , Bates, van Drongelen, Santos -  Janjicic - Narey, Mangala (90.+5. Jung), Hunt (45. Jatta), Özcan (81. Holtby) - Lasogga

Tore: 0:1 Lasogga (32.), 0:2 Narey (53.), 0:3 Lasogga (61.), 0:4 Douglas (90.+3.)

Zuschauer: 29.546 (ausverkauft)

Schiedsrichter: Dr. Felix Brych (München)

 

 

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