Marcus Scholz

23. Januar 2018

Nein, der Typ Magath ist er nicht. Sagt Bernd Hollerbach zumindest. Und dennoch behaupte ich, dass ich in der Mannschaft heute fünf Spieler mindestens finden würde, die das Gegenteil behaupten würden. Denn das, was Bernd Hollerbach an seinem ersten ganzen Trainingstag machte, hatte es in sich. In Vierergruppen sollten sich die Spieler zusammentun, ehe es um die beiden unteren Trainingsplätze ging. Drei Minuten waren pro Runde erlaubt. Für eine Profi absolut machbar, wenn man bedenkt, dass die geforderte Distanz rund 1000 Meter (zwei Runden á 500 Meter) betrug. Dachten wir zumindest zunächst. Letztlich aber waren es nur 6 x 800 Meter. Allerdings werden diese 800 Meter auch für den fittesten Profi hart, wenn er davon sechs Stück nacheinander absolvieren muss. Und das hatte sich Hollerbach heute Vormittag für seine neue Mannschaft ausgedacht. „Am Dienstag kann man immer mal etwas mehr machen“, so der Trainer.

Es war die Standortbestimmung á la Bernd Hollerbach. Denn bei dieser Art von Laufeinheit sortiert sich schnell die Spreu vom Weizen. Auch heute. So wurde schnell deutlich, dass Kyriakos Papadopoulos sicher kein Langläufer mehr wird. Ebenso wie Vasilije Janjicic, der sich nur noch mit letzter Kraft ins Ziel schleppen konnte. Ein Fitnesszustand, den Hollerbach sicher nicht unbeachtet lassen wird, während er sich Papadopoulos direkt nach der Übung schnappte und ihn aufmunterte.

Der harten Laufeinheit folgten am Vormittag zwei lockere technisch orientierte Übungen mit Spaßfaktor, nachdem man schon am Morgen zusammen gefrühstückt hatte. Zudem behielt Hollerbach die Profis gleich zum Mittag an der Arena, führte Einzelgespräche und ließ die Profis vor Ort ruhen, ehe es ins Nachmittagstraining ging. Dienstags und donnerstags will der neue Cheftrainer künftig doppelt trainieren lassen. Und der Dienstag dürfte dabei den anstrengenden Part übernehmen. Denn im Gegensatz zu Markus Gisdol, der erhöhten Wert auf die wissenschaftlich begründete Belastungssteuerung legte, legt Hollerbach die Leistungsfähigkeit der Profis etwas großzügiger aus – vorsichtig formuliert. Bei Hollerbach gibt es nur einen verletzungsgrad: Bein ab oder Bein dran. Alles andere kann getrost missachtet werden.

Und das finde ich sehr sympathisch. Denn auch wenn diese Darstellung bewusst etwas übertrieben ist, da auch Hollerbach den Urteilen seiner Mannschaftsärzte vertrauen wird. Dennoch ist die Grundausrichtung klar – und das finde ich gut. Denn der Fußball verwissenschaftlicht sich. Und das Wort „Belastungssteuerung“ war zuletzt zu oft auch gleichbedeutend mit Pause machen ohne klaren Grund. Klar ist und bleibt: Fit sind die Mannschaften von Bernd Hollerbach. Und fragt man in Würzburg nach, wird das ebenso bestätigt wie in Lübeck und sogar beim kleinen VfL 93 aus Hamburg, wie Ihr am Wochenende nach dem Spiel bei „Rautenperle.tv live“ hören werdet.

Aber Hollerbach kann auch anders. Er ist heiß darauf, seinen Kritikern zu beweisen, dass er ein erstklassiger Bundesligatrainer ist. Und das sieht man auf dem Platz, auf dem er nicht wie andere Trainer seine Cotrainer machen lässt und zuschaut, sondern höchstselbst in der Mitte des Platzes die Anweisungen gibt und bei Bedarf auch vormacht, was er sehen will. Hollerbach unterbricht die Übungen immer wieder, erklärt, was falsch war. Und er lobt, wenn etwas Gutes zu sehen ist. Vor allem aber scheint dem Neuen auch Neues vorzuschweben. Heute wurde auf der einen Platzhälfte die Fünferkette ohne Ball und nur auf Zuruf der Trainer trainiert, während auf dem anderen Trainingsplatz kurz danach die Viererkette und das schnelle Umschaltspiel über die Außen mit Ball geübt wurde. Insgesamt scheint das System bei Hollerbach zumindest zu Beginn seiner Zeit hier in Hamburg großen Stellenwert einzunehmen. Mit Ball wie ohne.

Wie Hollerbach letztlich spielen wird am Sonnabend ist noch nicht zu erkennen, logisch. Klar scheint nur, dass er sehr viel Wert auf defensive Stabilität legt. Und dabei würde er auch auf Walace zurückgreifen, wenn der sich doch noch umentscheidet. Denn klar ist, dass der HSV das Angebot von Flamengo nicht annehmen wird. Und das teilte Sportchef Jens Todt heute auch dem Brasilianer mit. „Wir haben ihm gesagt, dass wir ihn weiterhin behalten wollen und in allen familiären Dingen unterstützen werden, wenn er unsere Hilfe braucht“, so der Sportchef heute. Allerdings hat Walace auch nach diesem Gespräch erneut seinen Wechselwunsch geäußert. Und daran soll sich meinen Informationen nach auch nichts ändern.

Ich bin gespannt, wie der HSV diese unsägliche Situation lösen wird. Walace hat einen Vertrag und verweigert sich im Training auch nicht. Aber es scheint ausgeschlossen, dass er sich in der schwierigen Phase des HSV ausreichend auf die Mannschaft fokussieren kann bzw. fokussieren will. Und leider ist sowas heutzutage möglich – siehe Dortmund und Aubameyang. Und so schwierig es für Walace auch ist, dass seine schwangere Frau in Brasilien ist und im März der Nachwuchs erwartet wird – der Mittelfeldspieler hat bislang alle Vorzüge seines Vertrages genossen, jetzt sollte er auch bereit sein, persönliche Nachteile wegzustecken und sich an seine Vereinbarung zu halten. Meine ich. Denn mich nervt die Macht der Spieler zusehends. Verträge sind tatsächlich nur noch das wert, was der Spieler daraus macht. Will er weg, verweigert er sich. Will der verein ihn loswerden, beharrt er auf seine Laufzeit und jeden einzelnen Cent. So ist es zwar – aber so darf es nicht bleiben. Allein eine Lösung scheint nicht in Sicht.

Dominik Kaiser scheint es auf jeden Fall für Bernd Hollerbach nicht zu sein. Obgleich man sich erst Ende der Woche intensiv über den Bedarf im Kader austauschen will, scheint der Mittelfeldspieler von RB Leipzig nicht mehr Priorität zu genießen. Dafür scheint sich tatsächlich in Sachen Finanzen eine neue Möglichkeit zu ergeben. Der Trainerwechsel scheint bei Klaus Michael Kühne tatsächlich Motivation erzeigt zu haben, doch noch einmal finanziell nachzuhelfen und dem HSV so Spielraum für neue Spieler zu geben. In welcher Höhe und ob überhaupt soll sich am Wochenende entscheiden. Oder besser gesagt: Das muss es auch. Denn am kommenden Mittwoch endet schon die Transferperiode dieses Winters.

Bis dahin wird sich Hollerbach allerdings mit den Spielern auseinandersetzen, die er im Kader hat. Wobei Bakery Jatta und Jonas Behounek heute separat mit dem neuen Cotrainer Matthias Kreutzer trainieren mussten, während die restlichen Kollegen ihre taktischen Übungen absolvierten und deutlich zu erkennen war, dass einige Spieler ihre Chance wittern, den neu entfachten Konkurrenzkampf für sich nutzen zu können. Und so soll es ja auch sein. Denn so kann Hollerbach entscheiden, wen er im harten Abstiegskampf gebrauchen kann und wen nicht, bevor er sich festlegt, wo man im Wintre noch nachbessern muss.

 

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird übrigens um 15 Uhr öffentlich trainiert.

 

Bis dahin!

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