Lars Pegelow

20. Dezember 2018

Wie oft haben wir das in den vergangenen Jahren gehört und gesehen: Beim HSV werden die Spieler kontinuierlich schlechter. Hier in Hamburg sind alle zu schnell zufrieden. Aufblühen – das tun sie erst wieder bei einem neuen Verein. Hier will jeder nur Geld abzocken. Keiner entwickelt sich. Und: Es gibt keine Gewinner-Mentalität.

Es gab immer wieder Menschen, die dem HSV im jahrelangen Abstiegskampf prophezeit hatten: In der 2. Liga kann sich der Verein mal neu aufstellen. Das kann ein Neustart sein. Vielleicht kommt der HSV mal von seinem hohen Ross herunter, ja eigentlich zur deutschen Spitze zu gehören. So war es ja erst Anfang 2016 im HSV-Leitbild formuliert worden. Da steht: „Unser sportliches Ziel ist die Etablierung unter den fünf besten Mannschaften in Deutschland und eine ständige Teilnahme an internationalen Wettbewerben.“ An unrealistischen Haltungen wie diesen der HSV in den vergangenen Jahren zerbrochen.

Abgesehen davon, dass die 2. Liga für den HSV natürlich eine wirtschaftliche und sportliche Katastrophe ist, die auf Jahre wirken wird, deutet sich nach einer Halbserie im Unterhaus ein Mentalitäts-Wandel an. Angetrieben von der gewaltigen Unterstützung des Publikums, das im Volksparkstadion und auswärts (bis auf die Pyro-Ausfälle) auf Champions-League-Niveau agiert, tut sich etwas beim HSV: Er lernt das Siegen wieder. Nur gegen Duisburg, Sandhausen und Heidenheim – nicht mehr gegen Bremen, Hoffenheim und Leverkusen. Dennoch ist die Stabilität, die die Mannschaft von Trainer Hannes Wolf im Moment zeigt, DER Schlüssel auf dem Weg in eine bessere Zukunft.

Siege bringen nicht nur ein kurzes Durchatmen bis zur nächsten Aufgabe. Siege bestätigen, gegen Selbstvertrauen – sie wirken nach. Horst Hrubesch sagte dazu vor ein paar Wochen: „Ich habe immer gehört, aus Niederlagen lernt man am meisten. Das habe ich nie verstanden. Niederlagen machen gar keinen Sinn, wenn man genauso gut gewinnen kann.“ Kaum jemand in der HSV-Historie hat das Sieger-Gen derart vorgelebt und verinnerlicht wie der große Mittelstürmer aus den späten 70er und frühen 80er Jahren. Aktuell jedenfalls, in der abgelaufenen Hinrunde der Saison 2018/2019, hat der HSV das Siegen wieder gelernt. Insgesamt waren es 11 Dreier, darunter acht Erfolge mit nur einem Tor Unterschied. Der HSV – die Minimalisten der Liga. Einerseits. Andererseits ist es das Team mit der Sieg-Garantie geworden. Nicht umsonst haben Hannes Wolf und Sport-Vorstand Ralf Becker gebetsmühlenartig in den vergangenen Wochen wiederholt, sich die Siege nicht schlecht reden lassen zu wollen. Für Siege gibt es nun einmal keinen Ersatz.

Die Geschichte mit den knappen Siegen hat sich mittlerweile auch bei den Gegnern herumgesprochen. Während in der Vergangenheit immer viel Angst mit im Spiel war, wenn der HSV  - auch in Führung liegend – insbesondere Angst vor dem Gewinnen verkörpert hat, so laufen Dinge im Moment permanent in die richtige Richtung. Mit Ausnahme der Partie gegen Union Berlin wurde der HSV nicht bestraft für seine teilweise gezeigte Nachlässigkeit im Torabschluss. Natürlich findet das ganze lediglich auf dem fußballerischen Niveau der 2. Liga statt, doch wie der Start der Saison unter Trainer Christian Titz gezeigt hat, war das System dennoch eine teilweise wackelige Angelegenheit. Aus diesem Gefühl heraus ist der Trainerwechsel erfolgt, und ohne dass nach so einem kurzen Zeitraum eine belastbare Langzeit-Analyse eines Trainerwechsels angefertigt werden könnte, ist doch schon zu erahnen, dass das Mosaik-Steinchen Hannes Wolf die richtige Wahl gewesen sein dürfte.

Das Bestreben nach Sieger-Mentalität hat der HSV nicht weltexklusiv. Alle wollen das, nur einige bekommen es dauerhaft. Der HSV hatte es eigentlich nie mehr so richtig seit den Zeiten eines Huub Stevens oder Martin Jol. Anschließend ging es unter großen Turbulenzen bergab. An guten Fußballern hat es dem HSV aber auch in der Bergab-Zeit nicht gemangelt. Schaut Euch an, was Son und Kostic, was Badelj und Gregoritsch heute leisten. Der HSV pflegt derzeit ein zartes Pflänzchen, das da wächst. Man kann sich vorstellen, dass auch noch der eine oder andere Misserfolg kommen wird, und dann wird sich erweisen, wie stabil die Sieger-Mentalität schon ist. Vielleicht wird sie schon am Sonntag in Kiel auf die Probe gestellt. Zwar haben die Störche gerade gegen Arminia Bielefeld verloren, doch gegen den HSV werden sie sich mit Sicherheit wieder einiges vornehmen.

Dass der HSV im Laufe der Winter-Transferperiode eher zurückhaltend zu Werke gehen wird, ist besonders der wirtschaftlichen Situation geschuldet. So viel ist bekannt. Abgesehen davon hat Hannes Wolf Recht, wenn er sagt, dass es ja einige interne Neuzugänge geben wird. Pierre Michel Lasogga kehrt nach seiner Muskelverletzung erst im neuen Jahr zurück, wenn es bis Sonntag nicht klappt. Gideon Jung ist als fixer Punkt in der HSV-Defensive eingeplant. Nach seiner langen Knieverletzung wird er nicht auf Anhieb sein altes Top-Niveau haben. Dennoch wird er diese Mannschaft – Gesundheit vorausgesetzt – auf Dauer verstärken und weiter stabilisieren. Irgendwann sollen dann auch Kyriakos Papadopoulos und später auch Jairo eine Option werden. Die zumindest erklärte Zurückhaltung auf dem Transfermarkt hat aber auch noch einen anderen Grund. Wolf und Becker wollen den HSV-Automatismus, kleinste Schwächen mit scheinbar alternativlosen Millionen-Transfers zu beseitigen, nicht weiter unterwerfen. Wahre Schönheit kommt von innen, sagt der Volksmund. Wahre Stärke oft genau auf diese Weise!

Vor diesem Hintergrund ist der HSV dabei, seine sportlichen Hausaufgaben zu erledigen. Allerdings lebt die Profi-Mannschaft nicht im luftleeren Raum, und nur allzu oft in der Vergangenheit hat sich gezeigt, welchen Einfluss Turbulenzen anderer Art im Verein an negativer Energie freisetzen können. In diesem Bereich hat der HSV noch einige Schwachstellen – oder zumindest Baustellen. Eine ist genannt worden: die wirtschaftliche Schieflage. Die aktuelle Saison wird eine Saison der Negativ-Rekorde werden in dieser Hinsicht. Fan-Anleihe, Stadion-Name, Trikotsponsor, Anteilsverkäufe (oder auch nicht), TV-Gelder – es gibt genügend heiße finanzielle Themen beim HSV. Der Club muss hier noch einige Zeit auf der Rasierklinge tanzen, auch wenn traditionell versucht wird, die dramatischen Zahlen in einem hübschen Gewand zu präsentieren. Hier gibt es also den potentiellen Unruheherd Nummer 1.

Am 19. Januar findet die Mitgliederversammlung in Wilhelmsburg statt. Der Präsidenten-Wahlkampf wird bis dahin die eine oder andere Schlagzeile liefern – schließlich ist ja auch ereignisarme Winterpause. Im Angesicht des drohenden Untergangs hat sich der HSV auf der Versammlung im Frühjahr 2018 in einem – gelinde gesagt – uneinheitlichen Bild gezeigt. Man könnte auch sagen: Es war ein Riesen-Theater, Polemik ohne Ende, niveauarmes Gepöbel. Wie wird es diesmal? Gelingt es allen Beteiligten, angesichts einer sportlich mutmaßlich befriedigenden Situation, die ganzen Peinlichkeiten mal zu lassen? Oder gibt’s wieder Gepöbel und rückwärtsgewandte Entscheidungen? Gemeint ist hier nicht, Kritik außen vor zu lassen. Kritische Auseinandersetzung ist wichtig – auch für den HSV – aber wenn sie hinter persönlichen Interessen verschwindet, haben wir wieder das chaotische HSV-Bild, das alle so satt haben.

Im Moment gibt es ein paar Spieler, die in Hamburg besser werden. Van Drongelen, Pollersbeck, Mangala (der zuvor überwiegend nur auf der Stuttgarter Bank saß), Jatta, Narey. Hunt und Douglas Santos zeigen gute Spiele, zuletzt auch Sakai. Es kann sein, dass es doch der 2. Liga bedurfte, dass sich etwas ändert beim HSV.

Lars

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