Marcus Scholz

27. März 2018

Es war am Ende der, der sich während der Trainingseinheit am meisten verbale Schläge eingehandelt hatte, der das Duell für seine Mannschaft per verwandelten Elfer im Elfmeterschießen entschied: Bakery Jatta. Mit viel Dusel, aber er traf. Sehr zur Freude seiner Kollegen, die sich durch den knappen Sieg einen Bowlingabend auf Kosten ihrer gegnerischen Mannschaftskollegen verdient hatte. „Die Verlierermannschaft lädt die Gewinner auf eine Runde Bowling ein“, so Titz zum Wetteinsatz, nachdem er das gestrige Ergebnis übrigens korrigiert hatte. Denn das 2:1 war abseits, wie das Videostudium im Anschluss bestätigte. Ohne Heim- und Auswärtsmannschaft auf dem neutralen Trainingsplatz reichte heute also ein 0:0, um das Duell im Elfmeterschießen zu entscheiden. Mit genanntem Ergebnis.

Zuvor hatte Titz mal wieder eine sehr spielerisch orientierte Einheit absolvieren lassen. Schnelles Umschalten, hohes Pressing und möglichst schnelles Passspiel in die Spitze (vor allem über die Außen). Und wie viel Wert er auf fußballerische Lösung legt, hatte zuletzt seine Idee gezeigt, Walace in die Innenverteidigung zu stecken – mit bekanntem Ergebnis. Der Brasilianer verweigerte die Position, trainiert seither in der U21. Zumindest heute. Denn nachdem er am Sonntag unentschuldigt gefehlt hatte und stattdessen in Mailand weilte, muss sich Walace ob seines wiederholten Fehlverhaltens morgen bei dem Direktor Sport, Bernhard Peters, erklären. Eigentlich sollte es ein Gespräch mit Titz geben, um zu sehen, wie einsichtig Walace ist. Aber das hat sich vorerst erledigt. Walace wird weiter bei der U21 trainieren und ist damit weiterhin keine Option für den neuen HSV-Trainer, der stattdessen heute mit Albin Ekdal in der Innenverteidigung eine spielerische Lösung ausprobierte.

Und das mit Erfolg. Denn obwohl Ekdal nur gegen den HSV-Angriff verteidigen musste, demonstrierte er eine Sicherheit, die man sonst selten zu sehen bekommt. Spielerisch wie in den Zweikämpfen war Ekdal stark. Und auch Titz freute sich nach der Einheit über die Leistung des Schweden: „„Gestern bei langen Bällen hatte er noch Probleme mit dem Fußgelenk, deswegen hat er heute im ersten Teil separat trainiert“, so Titz, der Ekdal heute das erste Mal live in der Innenverteidigung spielen sah. „Es war das erste Mal, wo wir hier einen Eindruck bekommen haben.“ Ob er als Innenverteidiger in Frage kommt? Titz: „Ich will grundsätzlich nichts ausschließen. Aber wir müssen erst einmal sehen, inwieweit das bei Albin bis zum Wochenende reicht.“

 

Ein weiterer Kandidat für die Innenverteidigung ist ab morgen vielleicht wieder Kyriakos Papadopoulos, der sich nach dem Hertha-Spiel sehr kritisch über den Trainer und dessen Personalentscheidungen geäußert hatte. Und deshalb wird auch er sich vor dem Trainer verantworten müssen: „Wir sind morgen verabredet zum Gespräch“, sagt Titz, der dem Griechen die Tür nicht zuschlagen will, sondern dessen Rückkehr zur Mannschaft auch von dessen Reaktion im morgigen Gespräch abhängig macht.

Egal wie, Christian Titz ist nach langer Zeit wieder mal ein Trainer, der eine konkrete Idee hat und der mit aller Macht die entsprechenden Lösungsansätze zu finden versucht. Titz geht es dabei nicht darum, sich zu verstecken und die Null hinten mit aller Macht zu sichern. Titz bringt etwas Frisches, Neues ein. „Wir müssen die Mischung aus Mut und defensiver Disziplin finden“, so der Trainer, der mit Matti Steinmann seinen verlängerten Arm auf dem Platz hat. Den Steinmann, der 2015 nach gerade mal zwei Einsätzen bei den Profis nach Chemnitz wechselt, um von dort über den FSV Mainz II wieder zu der U21 des HSV und jetzt eben zum Profikader zu stoßen.

Gegen Hertha spielte er das erste Mal überhaupt 90 Minuten in der Bundesliga durch. Zunächst sehr stark in der ersten Hälfte, um in de zweiten Halbzeit müder geworden einige Stock- und vor allem Stellungsfehler im Spiel zu haben. Sein Manko: das fehlende Tempo. Seine Stärke: Ballsicherheit wie kaum ein anderer im Team, was angesichts dieses HSV natürlich sehr relativ ist. Aber Steinmann spielt einen ungemein sicheren Pass, sucht dabei aber auch immer wieder die Risikopässe. Solche, wie vor dem 1:0 gegen Hertha. Welche Bedeutung Steinmann für Titz hat, zeigt auch die Tatsache, dass der neue HSV-Coach dessen schärfste Konkurrenten (Walace und Ekdal) „umzuschulen“ versucht. Zumindest aber gehe ich davon aus, dass Steinmann auch in Stuttgart auf der Sechse beginnen wird.

Mit Lewis Holtby vor sich auf der Acht oder der Zehn. Dem Mann, der schon seit Jahren von Titz Einzeltraining bekam und dessen Vertrag im Sommer ausläuft. Eigentlich stand dessen Wechsel auch komplett außer Frage. Inzwischen aber gibt es sogar das Gerücht, dass Holtby (zu reduzierten Bezügen) bleiben könnte, falls Titz über den Sommer hinaus Cheftrainer der Profis bleibt. Im Training jedenfalls bemüht sich Holtby, der Wortführer in einer Mannschaft zu sein, in der sich das nur wenige trauen. Zu wenige sogar. Insofern ist dieser Versuch erst einmal lobenswert, denn es bedarf gerade im Zentrum der Führungsqualität. Allein, inwieweit er angenommen wird, ist noch offen.

Wieder dabei war heute Fiete Arp – und auch dem traut Titz eine ganze Menge zu. Er kennt ihn ja auch schon seit dessen Zeit in der U17. Und trotz dessen zuletzt sehr mäßigen Leistungen, vertraut Titz auf den umworbenen Youngster. So sehr, dass Arp hinter Aaron Hunt zum Elferschützen bestimmt wurde. Denn im Gegensatz zu seinen Vorgängern Hollerbach und Gisdol setzt Titz auf festgelegte Elferschützen. Wie er uns heute verriet, auf Hunt und Arp...

Ansonsten blieb es heute weitgehend ruhig. Morgen werden die Gesprächsrunden mir Walace und Papadopoulos bzw. die Ergebnisse selbiger noch mal für ein wenig Alarm sorgen. Wahrscheinlich. Dabei sollte es jetzt tatsächlich nur noch darum gehen, in Stuttgart zu bestehen und zu punkten. Nicht allein, um die Mini-Restchance aufrechtzuerhalten, sondern auch, um in den letzten sieben Spielen schon einen ersten großen Schritt in Richtung kommende Saison zu setzen. Und der Verein wäre gut beraten, wenn er Titz aus der Zwickmühle zwischen langfristiger Neuausrichtung und dem Druck, das Wunder doch noch zu schaffen, herausnimmt. Bernd Hoffmann hat das in dem Interview beim NDR indirekt getan, was schlau war. Denn dann kann der HSV endlich damit beginnen, den sportlichen wie personellen Neuanfang, den Titz verkörpert, umzusetzen. Einziges (größeres) Problem: Noch fehlt weiterhin die klare Zusage des neuen Sportchefs. Oder besser gesagt: des neuen Vorstands Sport. Denn das soll der bei Bayer Leverkusen noch bis 2019 unter Vertrag stehende Manager Jonas Boldt weiterhin werden.

In diesem Sinne, bis morgen. Da wird um 15 Uhr am Volksparkstadion trainiert, ehe es im Anschluss mit der ganzen Mannschaft (exklusive Walace) zum heute gewonnenen Bowlingabend geht.

Bis dahin!

Scholle

 

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