Marcus Scholz

18. April 2018

Manche Dinge ändern sich einfach nicht. Vor allem beim HSV nicht – von der Ligazugehörigkeit mal abgesehen. Aber im Ernst: Wenn ich sehe, wie viel Theater jetzt schon unter der Oberfläche brodelt, dann kann ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass auch der avisierte Neustart ein holpriger wird. Warum? Ganz einfach: Die HSV AG ist derzeit unter der Führung von Interimsvorstandsboss Frank Wettstein sportlich orientierungslos. Deshalb wurde auch ein Experte wie Thomas von Heesen dazu genommen. Soll heißen: Um Frank Wettstein hat sich mit dem Direktor Sport Bernhard Peters und Trainer Christian Titz eine Gruppe gebildet, die gern in dieser Formation weitermachen würde – aber wohl nicht weitermachen soll. Denn der Aufsichtsrat rund um AR-Boss und Vereinspräsident Bernd Hoffmann hat andere Pläne. Sie wollen für den Fall eines Abstiegs komplett neu starten, also inklusive neuem Personal auf dem Vorstands-, Sportdirektor und Trainerposten.

Und genau deshalb eröffnete Frank Wettstein gestern die öffentliche Diskussion, indem er Titz’ Arbeit explizit lobte. Nach vier Punkten aus vier Spielen nicht des puren Erfolges wegen, sondern mit Auge. Es ist der Beginn eines internen Wettkampfes, wie es sie beim HSV in den letzten Jahren immer wieder gab. Und am Ende wird es höchstwahrscheinlich wieder weniger Gewinner als Verlierer geben. Vielleicht sogar mehr Verlierer, als der HSV verträgt.

Ebenfalls nicht neu ist, dass sich Klaus Michael Kühne kritisch bezüglich seines finanziellen Engagements äußert. „Aber diesmal ist es wirklich ernst“, heißt es dann immer – und vielleicht wird es auch irgendwann einmal so kommen. Allerdings wird hier in die Äußerung Kühnes, dass er sich sein Engagement aktuell ganz genau überlegt, meiner Meinung nach viel zu viel hineininterpretiert. Ich persönlich fand den Schachzug Kühnes, der immerhin aus kaufmännischer Sicht zu den einflussreichsten Hamburgern gehört, sogar sehr gut und mutig. Ein wenig anmaßend vielleicht, aber für den HSV sicher nicht von Nachteil. Denn sein Engagement für den bedeutendsten Hamburger Sportverein davon abhängig zu machen, inwieweit die Stadt sich mit einbringt – das ist den Versuch wert! Zumal dann, wenn man weiß, dass dieser HSV seit Jahren keinen anderen Investor findet und einbindet.

Dementsprechend gelassen reagierte heute auch Wettstein auf die Kühne-äußerung: „Herr Kühne ist ein wichtiger und verlässlicher Partner, für den viele Clubs den HSV beneiden. Dass Herr Kühne dem HSV keinen Freibrief erteilt, ist auf Grund der sportlichen Leistungen nicht nur wenig überraschend, sondern komplett nachvollziehbar. Alleine bedingt durch das bestehende Engagement von Herrn Kühne findet ein regelmäßiger Austausch statt.“

Ich weiß, dass Bernd Hoffmann sehr strategisch denken und planen kann. Ich weiß auch, dass Hoffmann und Kühne einen steten Austausch pflegen und Herr Kühne den neuen Aufsichtsratsboss ob seiner Fähigkeit als Geschäftsmann sehr schätzt. Trotz früherer Unstimmigkeiten im Zuge der „Anstoß Hoch 3“ – oder vielleicht gerade deswegen. Weil Hoffmann bewiesen hat, der er selbst einen Topmanager wie Kühne von einem Projekt überzeugen kann, das weniger Vorteile für Kühne selbst denn für den HSV hatte. Etwas, was im Anschluss keinem anderen Vorstandsboss mehr gelungen ist. Im Gegenteil: Seither sah sich Kühne nur noch Vorstandsvorsitzenden und Sportchefs gegenüber, denen er entweder gar nicht oder wie im Falle Beiersdorfer nach einer gewissen Zeit nicht mehr sein Geld anvertrauen wollte. Auch deshalb setzt er jetzt auf das neue Management – zusammengestellt vom Aufsichtsrat. Und der wird nun mal von Bernd Hoffmann angeführt. Von daher ist Wettsteins Appell für Titz ebenso mutig wie wahrscheinlich in ein paar Wochen verhallt. Leider. Denn ich glaube immer noch, dass der Neuanfang mit einem neuen Cheftrainer wie Titz kompatibel ist.

Es werden nicht nur sportlich (hoffentlich) ein paar spannende Wochen für den HSV, ganz klar. Wobei das Spiel am Sonnabend tatsächlich ein richtiges Endspiel ist, denn es könnte im schlimmsten Fall schon den Abstieg bedeuten. Verliert der HSV und Wolfsburg und Mainz gewinnen auch, ist alles durch. „Aber so denken wir nicht, weil wir von uns überzeugt sind“, sagt Trainer Christian Titz, der auch heute nicht müde wurde, das Training zu unterbrechen, um Fehler anzumerken und Lösungen anzubieten. Pressing, offensives Spiel, Fußball von hinten raus spielend – Titz macht weiter, wo er angefangen hat. Er versucht aus der bisher spielerisch immer wieder enttäuschenden Mannschaft eine offensiv spielende, fußballerisch und technisch gute Mannschaft zu formen. Etwas, was ihm am Anfang keiner zugetraut hat, was aber inzwischen alle im neuen Spielstil des HSV erkannt haben wollen. Bei den Fans kommt es so gut an, dass bei Umfragen um die 90 Prozent für einen Verbleib von Titz votieren.

Aber das ist eben nicht entscheidend. Denn wie zu hören ist, plant der Aufsichtsrat wie oben schon geschrieben weiterhin den Umbruch in Gänze – eben auch auf der Trainerposition. Wobei Titz darauf angesprochen wurde und gelassen reagierte. „Das liegt nicht in meiner Hand, das zu entscheiden. Aber ich weiß, dass auch hier niemand etwas gegen Leistung einzuwenden hat. Und die müssen wir zeigen, um zu überzeugen. Jeden Tag – und immer mehr.“ Wer diese Leistung – das Erreichen der Relegationsspiele am 17. Und 21. Mai ist das letzte große Ziel - am Sonnabend gegen Freiburg vorantreiben soll, ist noch offen.

Durch die Gelbsperre des meiner Meinung nach besten HSV-Spielers dieser Saison, Douglas Santos, muss in der Viererkette umgebaut werden. Bei einer Übung heute stellte Titz auf Dreierkette um – im Abschlussspiel war es dann wieder eine Viererkette, in der zunächst Youngster Josha Vagnoman links begann. Zusammen mit Rechtsverteidiger Gotoku Sakai sowie den Innenverteidigern Kyriakos Papadopoulos und Gideon Jung. Davor ließ Titz zunächst Matti Steinmann als Sechser beginnen, wechselte später aber zu Albin Ekdal. Kostic, Holtby, Waldschmidt und Ito sowie Hunt als einzige Spitze komplettierten die vermeintliche A-Elf, die im Training morgen und Freitag sicher noch das eine oder andere Mal umgestellt wird. Zumal sich heute (wie in den letzten Wochen auch schon) auch Bakery Jatta in den Vordergrund zu spielen wusste. Und, erfreulich vor allem für ihn selbst: Der Dauerpatient Bjarne Thoelke ist wieder fit und im Training sogar gut.

Anders Tatsuya Ito, der im Training Probleme hat, seine Aktionen zu einem guten Ende zu bringen. Es ist wie vor und nach Schalke so oft: Zuerst wackelt der dribbelstarke Japaner drei, vier Leute aus, um am Ende den letzten Pass zu ungenau zu spielen. Ito verpasst es, seinen guten Aktionen auch die Krone aufzusetzen. Wobei, wenn er das in aller Regelmäßigkeit machen würde, wäre er sehr wahrscheinlich nicht mehr lange HSV-Spieler...

 

In diesem Sinne, bis morgen!

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