Marcus Scholz

29. Januar 2020

Endlich geht es wieder los und alle können sich beweisen. Wie so oft ist auch in diesem Winter schwer zu sagen, wie weit der HSV ist. Testspiele geben hierbei zumeist nur sehr eingeschränkt Auskunft über den wahren Leistungsstand. Bislang zieht das Spiel gegen den 1. FC Nürnberg zu der wahrhaft ungünstigen Anstoßzeit von 20.30 Uhr auf einem Donnerstag nur wenige Zuschauer - zumindest am Durchschnitt des HSV bemessen. Knapp 40.000 Tickets gingen im Vorverkauf weg, mehr als 42.000 werden es wohl nicht. Um Euch dennoch so weit auf das Spiel einzustimmen, wie es aktuell möglich ist, haben Christian Hoch und ich uns mal um die wichtigsten Fragen und Duelle dieser Partie gekümmert. Unser ausführlicher Leistungscheck vorab: 

Die Ausgangslage

1. FC Nürnberg: So richtig weiß keine Mannschaft, wo sie zum Auftakt nach einer Winterpause steht. Auch der 1. FC Nürnberg ist von diesem Problem nicht befreit. Dennoch blicken die Verantwortlichen der „Clubberer“ auf eine solide bis gute Vorbereitung zurück. In besonderer Erinnerung: der 5:2-Erfolg zuhause gegen den Bundesliga-Primus FC Bayern München. Für zusätzlichen Rückenwind sorgt der 2:0-Erfolg gegen Dynamo Dresden am vergangenen Spieltag. Dennoch gehen die Nürnberger nach dem Abstieg als 17. in der Tabelle der zweiten Bundesliga in das Spiel gegen den HSV - eine prekäre Situation. Verlieren verboten - so lautet das Motto für Nürnberg trotz des hochkarätigen Auftaktgegners. Zudem stiften zwei Vorgeschichten in Bezug auf dieses Duell für zusätzlichen Zündstoff: der Transfer von Tim Leibold vor der Saison von Nürnberg nach Hamburg und der Protest gegen die Spielwertung aus der Hinrunde der Nürnberger in der Causa Bakery Jatta. Sportvorstand Robert Palikuca zeigt sich - anders als vor einem halben Jahr - einsichtiger, dass sich der 1. FCN moralisch fragwürdig verhalten hat. Doch die Entschuldigung an Jatta und den HSV kam zu spät, die Fans waren und sind noch immer aufgebracht.

HSV: Die 2:5-Niederlage gegen den VfB Lübeck haben aufgezeigt, dass der HSV auch mit neuem Personal nicht frei von alten Problemen ist. Konteranfälligkeit, Gegentore nach Defensivstandards - es passte beim Regionalligisten auch sonst nichts. Am allerwenigsten der zweite Anzug. Da das 1:1 gegen Seoul mäßig war (Hecking sah es besser als ich) und der Test gegen den FC Basel zumindest 45 sehr gute Minuten parat hatte,  weiß beim HSV tatsächlich niemand, wo man steht. Oder besser gesagt: Keiner weiß, ob es in der Rückrunde besser wird. Denn neben den drei Neuen, die trotz guter Ansätze erst noch integriert werden müssen, gibt es wenig Anzeichen für eine Verbesserung. Trotzdem ist die Stimmung gut und insbesondere vor dem Duell gegen den 1. FC Nürnberg wird Trainer Dieter Hecking keine Motivationsprobleme haben. Allein der damalige Protest der Nürnberger gegen Bakery Jattas Mitwirken beim HSV dürfte zum einen die Mannschaft an sich - zum anderen aber vor allem das Publikum anheizen, das ihre Mannen von den Rängen frenetisch anfeuern wird. Ergo: Die Stimmung ist sehr gut, die Vorbereitung war durchschnittlich - es ist tatsächlich alles drin.

 

Das größte Fragezeichen

1. FC Nürnberg: Die Mannschaft von Trainer Jens Keller befindet sich momentan in einem Zustand zwischen Zuversicht und Pessimismus. Die 0:4-Pleite zuhause gegen den HSV in der Hinserie leitete die Talfahrt der Nürnberger ein, die vor dem 19. Spieltag zum Absturz auf Relegationsplatz 16 mündete. Durch die Ergebnisse der Konkurrenz ist Nürnberg momentan sogar auf einem direkten Abstiegsrang angesiedelt. Die Frage vor dem Spiel gegen den HSV lautet also: Wie kommt der „Club“ in das Fußballjahr 2020 hinein? Ein guter Start und eine Serie zu Beginn kann für Aufbruchsstimmung sorgen und den Absteiger aus den gefährlichen Zonen befreien. Doch der Auftaktgegner, Hamburger SV, hat es gleich zum Start in sich.

HSV: Bekommt der HSV endlich seine Defensivschwäche bei Standards in den Griff und: Wer steht neben dem gesetzten Timo Letschert in der Innenverteidigung? Ohne die Eindrücke aus Lübeck wäre die Antwort wahrscheinlich sicher gewesen: Ewerton. Allerdings erlaubte sich der Brasilianer nach dem schwachen Auftritt beim Regionalligisten auch noch eine Disziplinlosigkeit, als er anschließend zu spät zum Training erschien. Zu viel für Hecking? Vieles deutet darauf hin. Zumindest trainierten zuletzt immer wieder Rick van Drongelen und Letschert in einem Team. Und damit rechnen wir auch im Spiel gegen den 1. FC Nürnberg. Zudem ist die Frage, wie schnell sich die beiden Neun in der Startelf, Schaub und Beyer, integrieren können.

 

Der Lichtblick

1.FC Nürnberg: Die Stimmung innerhalb der Mannschaft und im Umfeld ist angesichts der jüngsten Entwicklungen angestiegen, wenngleich sich dieser Zustand bei einer Pleite beim HSV ziemlich schnell wieder in Luft auflösen kann. Eine gute Vorbereitung ist noch lange kein Garant für einen guten Start, dennoch hat vor allem das 5:2 im Testspiel gegen die Bayern einen großen Schub gegeben. Alle Hoffnungen ruhen zudem auf den Schultern vom Trainer. Jens Keller genießt absolutes Vertrauen und hat in seiner Trainerkarriere zur Genüge bewiesen, dass er schwierige Situationen lösen kann. Vor dem Duell mit dem HSV strahlt er Ruhe und Zuversicht aus („Wir wollen in Hamburg punkten“), auch wenn er die anwesenden Journalisten bei der Pressekonferenz mit falschen Aussagen über den nächsten Gegner verwirrte. Personell der Lichtblick der Hinrunde ist Fabian Nürnberger. Der Hamburger Jung (spielte einst beim HSV in der Jugend) hat dank einer guten Vorbereitung Chancen auf einen Startelfplatz im defensiven Mittelfeld. „Er hatte eine tolle Vorbereitung und ist eine Option. Abwarten, ob schon am Donnerstag", sagte Keller.

HSV: Neben Louis Schaub und dem meiner Meinung aktuell formstärksten Mittelfeldspieler Jeremy Dudziak hat im Zentrum auch Adrian Fein wieder in die Spur gefunden. Der Sechser zeigte sich in den Testspielen - Lübeck ausgenommen - stark verbessert und deutete an, dass er wieder eine echte Stütze im HSV-Spiel sein kann. Ein ganz wesentlicher Faktor bim HSV-Spiel.  Tim Leibold als Linksverteidiger scheint der konstanteste Profi im Team zu sein und absolviert ebenfalls eine starke Vorbereitung. Die Überraschung dieser Winterpause ist aber ein anderer: Khaled Narey. Nachdem der HSC für seinen Aushilfsposten als Rechtsverteidiger Jordan Beyer verpflichtet, rückte Narey wieder auf die rechte Außenbahn und wusste dort mehr zu gefallen als seine Konkurrenten Martin Harnik (fiel lange aus) und Sonny Kittel (spielte nur gegen Basel gut).

 

 

Das spannendste Duell

1.FC Nürnberg: Gemeinsam mit Dynamo Dresden stellt Nürnberg derzeit die drittschwächste Defensive der zweiten Bundesliga. Der HSV hat dagegen, einen Treffer hinter Bielefeld, die zweitstärkste Offensive der Liga in seinen Reihen. Ausgerechnet im Spiel in Hamburg kehrt Christian Mathenia nach seiner Langzeitverletzung wieder ins Team  zurück. Für den EX-HSV-Profi ein Comeback mit besonderem Beigeschmack. Er ist so heiß, dass er jedes Interview vor diesem Spiel verweigerte. Keller und sein Trainerteam sind jetzt also gefordert, die HSV-Offensive nicht zur Geltung kommen zu lassen. Sollte dieses Vorhaben gelingen, kann sich der „Club“ berechtigte Chancen ausrechnen, in Hamburg für eine Überraschung zu sorgen.

HSV: Der HSV ist bislang tatsächlich immer wieder selbst sein größter Gegner. Das mangelhaft schnelle Umschaltspiel hat den HSV in der Hinrunde ebenso wie die fehlende Kopfballstärke etliche Punkte gekostet und war war eines der Kernthemen der Vorbereitung. Ergebnis: Die Probleme wurden insbesondere im letzten Test noch einmal so offenkundig, dass Hecking in einer Wutskala von 1 bis 10 nach eigener Aussage bei einer Elf lag. Zudem steht auf Nürnberger Seite mit Hanno Behrens ein Ex-HSVer auf dem Platz, den der HSV nur zu gern wieder zurückgeholt hätte.

 

 

Taktik

1.FC Nürnberg: Mathenia - Sorg, Mavropanos, Margreitter, Handwerker - Schleusener, Geis, Dovedan, Behrens, Hack - Frey

HSV: Heuer Fernandes . Beyer, Letschert, van Drongelen, Leibold - Fein - Dudziak, Schaub - Narey, Hinterseer, Jatta.

 

 

Ausblick

Jens Keller sprach davon, er wolle in Hamburg die „Aufbruchsstimmung“ mitnehmen. Ein Sieg in der Hansestadt könnte diese beflügeln und dafür sorgen, dass sich die Nürnberger schon früh in der zweiten Saisonhälfte von den unteren Plätzen verabschieden. Bei einer Pleite dürfte die Sorge vor dem Absturz in die Drittklassigkeit im Umfeld wieder zunehmen, während sich der HSV schon mal verbal präventiv gegen einen mögliche n Fehlstart zu versichern versuchte. Man müsse unbedingt die Ruhe bewahren sagte Dieter Hecking, der in einem Interview mit der MOPO zudem davon gesprochen hatte, dass ein erneuter Nichtaufstieg kein Scheitern wäre. Nachdem es intern zwischen den sportlichen Entscheiden Jonas Boldt und Michael Mutzel mit Vorstandsboss Bernd Hoffmann Ärger im Rahmen der Stürmerverpflichtung gab, sah sich Hoffmann vor dem Rückrundenstart 2020 noch einmal dazu veranlasst, auf der vereinseigenen Homepage Einheit und Zusammenhalt einzufordern. Mit anderen Worten: Die Unsicherheit unter den Verantwortlichen ist spürbar. So, wie es bei einem Klub mit großen Ambitionen zum Rückrundenstart oft ist. Schon allein dafür wäre ein positiver Start mit einem Heimsieg Gold wert.

 

In diesem Sinne, bis morgen! Da melden wir uns über unsere sozialen Kanäle wieder eine halbe Stunde vor Spielbeginn,  hier im Blog direkt nach Spielende - und natürlich morgen früh um 7.30 Uhr mit dem MorningCall. Bis dahin!

Scholle 

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