Marcus Scholz

30. November 2018

Etwas mehr als sechs Minuten hatte es gedauert - dann waren alle Fragen beantwortet. Oder besser gesagt: Es gab einfach keine Fragen mehr. Und die wohl kürzeste Pressekonferenz dieser Saison machte damit nur noch einmal deutlich, dass es vor diesem Spiel eigentlich auch nicht mehr viel zu sagen gibt. Der Tabellenführer beim Tabellenletzten - das klingt dabei auch erst einmal nach einer sehr klaren Rollenverteilung. Und doch täuscht die Situation. Denn der FC Ingolstadt galt vor der Saison nicht umsonst als eine der spielstärksten Mannschaften der Liga. Experten hatten sie unter den ersten Fünf gesehen - mit anderen Teams auf Augenhöhe und direkt hinter dem HSV und dem 1. FC Köln, die nominell immer von gesehen wurden und auch noch werden.

Auch deshalb blieb sich Wolf heute treu und warnte eindringlich, das Spiel mindestens so ernst zu nehmen wie die Topspiele gegen Köln oder zuletzt Union Berlin. „Wie hat Köln gegen Duisburg gespielt“, fragte Trainer Hannes Wolf heute in die Runde, als er auf die Tabellenkonstellation vor diesem Spiel angesprochen wurde. Antwort: Der damalige Tabellenführer verlor gegen den damaligen Tabellenletzten mit 1:2. Das wussten auch die Kollegen. Was Wolf aber viel mehr als die eigentliche Antwort interessierte war die darin enthaltene Nachricht: Man darf keinen Gegner in dieser Liga unterschätzen.

Wolf hatte dieses Stilmittel übrigens auch innerhalb der Mannschaftsbesprechung angewendet. Ob seine Spieler die Antwort wussten? Wolf lächelte nur: „Ja klar. Bei uns interessieren sich auch einige für Zweitliga-Fußball.“ Vor allem aber war die Nachricht innerhalb der Mannschaft angekommen. Lewis Holtby hatte im Anschluss an das Interview am Dienstag ausgeführt, weshalb die Stimmung innerhalb der Mannschaft so gut ist. Man hielte sich gegenseitig am Boden. Es seien sich alle Spieler klar darüber, dass es nur über harte Arbeit gehen würde. Mal mit mehr, mal mit weniger filigranem Fußball. „Aber alle wissen, dass es am Ende egal wie Spaß macht, wenn man Spiele gewinnt und sein Ziel erreicht.“

Morgen in Ingolstadt wird es zweifelsfrei nicht das Spiel werden, was viele vor der Saison erwartet hätten. Denn Ingolstadt steckt in einer schweren Krise, feuerte gerade den zweiten Trainer in dieser Saison, Alexander Nouri. Und die Gastgeber werden darauf bedacht sein, wieder etwas mehr Sicherheit und Stabilität zu demonstrieren. Denn das fehlte in den letzten Spielen und deswegen hat der FC Ingolstadt einen neuen Trainer. Genau genommen sogar zwei: Einmal U19-Coach Roberto Pätzold, der gegen den HSV interimsweise auf der Bank Platz nehmen wird und diesen im Anschluss  an den Ex-Stuttgart-, Schalke- und Union- Trainer räumen wird.

 

„Wir sind nach den gemeinsamen Gesprächen zur Überzeugung gekommen, dass unsere Mannschaft unter Jens Keller wieder in die Spur findet und erfolgreich punkten wird“, sagte Geschäftsführer Harald Gärtner, dem ich an dieser Stelle noch mal ganz herzlich zum 50. Geburtstag gratulieren möchte und der mir vorhin am Telefon sagte, dass er optimistisch sei, morgen eine stabilere FCI-Mannschaft auf dem Platz zu sehen. In dieser Saison ist Keller übrigens schon der dritte Trainer des FCI nach Stefan Leitl und Alexander Nouri. „Jetzt gilt unsere Konzentration ausschließlich dem Heimspiel gegen Hamburg, bei dem Roberto Pätzold die Mannschaft coachen wird. Danach richtet sich unsere ganze Aufmerksamkeit auf den Neustart unter der Leitung von Jens“, so Gärtner weiter. Womit wir bei der nächsten Gemeinsamkeit zwischen den Partien Köln - Duisburg und Ingolstadt - HSV sind: Auch der damalige Tabellenletzte Duisburg wechselte unmittelbar vor dem Spiel den Trainer (wobei der dann auch auf der Bank saß).

Apropos Wechsel: Wenn die heutigen Trainingseindrücke nicht täuschen, steht beim HSV in der Defensive wieder ein Wechsel an. David Bates scheint wieder ins A-Team zu rücken. Zumindest ließ Wolf den Schotten heute anstelle des zuletzt schwachen Leo Lacroix in der vermeintlichen A-Elf trainieren. Die A-Elf, die auch ich so erwarte: Pollersbeck – Sakai, Bates, van Drongelen, Santos – Mangala – Narey, Hunt, Holtby, Jatta – Hwang. Parallel dazu durfte Gideon Jung erstmals auch bei Elf-gegen-Elf-Spielformen im B-Team zusammen mit Lacroix ran. Das Duell Lacroix/Bates ist aktuell noch die Wahl zwischen zwei Innenverteidigern, die beide nicht als Leistungsträger oder Stammspieler bei einem Aufstiegskandidaten zu zählen sind. Diese Wahl hat Wolf erst wieder, wenn Gideon Jung zurückkehrt. Und dessen Comeback hat der Trainer ganz eindeutig erst für das neue Jahr eingeplant.

Mit 18 Spielern reiste der HSV heute nach Ingolstadt. Es ist der Kader der Vorwoche: Pollersbeck, Sakai, Bates, van Drongelen, Santos, Mangala, Narey, Hunt, Holtby, Jatta, Hwang, Lacroix, Ito, Mickel, Moritz, Arp, Janjicic und Vagnoman. Wolf setzt auf Konstanz. Und auf Leistung. Lacroix hat gegen Köln zweifelsfrei ein gutes Spiel gemacht. Aber weder vorher noch nachher konnte er wirklich überzeugen, während Bates zumindest in den Länderspielen weiterhin aufsteigenden Tendenzen zeigte. Und sollte es tatsächlich so kommen, dass Lacroix wieder rausortiert, müsste sich der Schweizer, der gegen Union an beiden Gegentoren maßgeblich beteiligt war, ernsthaft Sorgen machen, in Hamburg auf Sicht seine Einsatzzeiten zu bekommen. Mehr noch: Dann sollten sich alle Beteiligten darüber Gedanken machen, ob es nicht vielleicht Sinn machte, sich im Winter wieder zu trennen. Sportlich machte das Sinn. Mindestens solange Jung zurückkehrt und Kyriakos Papadopoulos (wie gestern berichtet) in 2019 wieder für den HSV auflaufen soll.

Egal wie, morgen wird es gegen den FC Ingolstadt alles andere als leicht. Zumal man nicht weiß, wie der neue Trainer trainieren ließ und wie er spielen lassen wird. Anders als sonst konnte man sich nicht in vergangenen Partien über bestimmte Eigenschaften informieren. Dennoch, Hannes Wolf hat in dem Trainerwechsel sogar einen Vorteil ausgemacht: So können man sich voll auf sich und sei Spiel konzentrieren. Zu viel vom Gegner zu wissen, sei oft ein Problem, weil man sich dann zu sehr auf eben dieses fokussiert und schneller überrascht werden kann. Womit eigentlich alles zum morgigen Spiel gesagt war. Und das alles in sechs Minuten.

Ich verzichte an dieser Stelle bewusst auf Worte über die bevorstehende Präsidentenwahl, für die die Bewerbungsfrist heute Nacht abläuft. Aber das hole ich in den nächsten Tagen nach. Bis dahin zählt erst einmal nur Fußball. Ich wünsche Euch allen einen schönen Abend und uns allen morgen ein interessantes sowie vor allem erfolgreiches Spiel!

Scholle

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