Marcus Scholz

23. April 2018

Ich hätte es gern gesehen, wenn Köln gestern noch gewonnen hätte. Dann hätten sie tatsächlich noch etwas zu gewinnen am kommenden Wochenende, wenn es zum direkten Mitabstiegskandidaten nach Freiburg geht. So sind die Kölner zwar noch drei Punkte weiter hinter dem HSV nahezu sicher abgestiegen. Und das ist schade. Zum einen, weil ich in der Liga auf etliche andere Mannschaften eher verzichten könnte. Zum anderen natürlich aus den oben genannten Wettbewerbsgründen. Denn neben dem SC Freiburg müssen die Kölner, die acht Punkte Rückstand bei nur noch drei Spieltagen aufholen müssen, am letzten Spieltag auch noch zum VfL Wolfsburg. Und die Niedersachsen sollen nach Möglichkeit auch nicht mehr punkten.

Am allerwenigsten am kommenden Sonnabend gegen den HSV. Bruno Labbadia gegen den HSV als Abstiegsendspiel – sowas kann man sich nicht viel besser ausdenken. Es wird ein weiterer Krimi, bei dem es für den HSV erneut darum geht, nicht schon vorzeitig abzusteigen. Denn wie schon am Wochenende gegen teilweise schlechte Verlierer aus Freiburg, kann man auch am Sonnabend in Wolfsburg mit einer Niederlage vorzeitig endgültig absteigen – oder eben den Abstand auf einen (mindestens den) Relegationsplatz auf zwei Punkte verkürzen bei dann noch zwei ausstehenden Spielen in Frankfurt am 33. Spieltag sowie am 34. Spieltag daheim gegen Mönchengladbach.

Diese Brisanz, dieser Druck – für den HSV ist es angesichts der letzten Wochen tatsächlich ein Glücksfall. Der HSV darf tatsächlich wieder hoffen und hat dabei zumindest dieses eine Spiel selbst in der Hand. Und offenbar starke Nerven, wenn ich mir das Spiel gegen Freiburg noch mal ansehe. Wie so oft in entscheidenden Phasen funktioniert auch diesmal wieder eine ganz zentrale Position: Der Torwart. Der heißt nicht mehr Christian Mathenia sondern inzwischen Julian Pollersbeck und rettete gegen Freiburg mit mehreren Glanzparaden diese letzte Chance in Wolfsburg. „Im Fußball ist es nun einmal so, dass man als Keeper ab und zu ein paar Bälle aufs Tor bekommt. Es ist meine Aufgabe, diese dann sicher zu halten. Das ist mir gut gelungen“, so Pollersbeck, der trotz der Konkurrenzsituation ein sehr gutes Verhältnis zu seinem Vorgänger Mathenia hat. Bezeichnend dafür war auch, dass Mathenia nach Abpfiff zuerst zu Pollersbeck lief und ihn feierte. Und das, nachdem die Trainer vor Christian Titz so wirklich alles versucht haben, was man bei Torhütern gerade niocht macht: Hin- und herwechseln. Pollersbeck: „Wir haben ein gutes Verhältnis, zusammen keine leichte Phase durchgemacht, da dreimal der Torwart gewechselt wurde. Allgemein haben wir ein gutes Verhältnis in unserem Torwartteam. Wir sind schließlich zu viert. Da ist es enorm wichtig, sich zu unterstützen. Gerade jetzt für den Erfolg der Mannschaft.“

Und das ist ausnahmslos positiv. Es spricht für die Keeper!

Dabei musste sich gerade Pollersbeck lange Zeit den Vorwurf gefallen lassen, nicht die richtige Einstellung zum Job zu haben. Er patzte in den Testspielen, er ließ sich spät nachts auf Partys blicken, nachdem er beim HSV den Sprung zur Nummer eins verpasst hatte. Und er trainierte nach Meinung des Trainers Markus Gisdol nicht mit der Leidenschaft, die man von einem Toptalent mit seinem Anspruch erwartete. Und ehrlich gesagt ist Pollersbeck noch immer keiner, der über Trainingsleistungen auffällt. Im Gegenteil: Verbal sind seine Konkurrenten Mathenia und selbst Tom Mickel deutlich präsenter. Allerdings ist Pollersbeck derjenige unter den HSV-Torhütern, der am besten in das Titz-System passt, in dem der Torhüter so eine Art „Ersatzlibero“ hinter der Viererkette spielt. Er sollte es sein und war immer anspielbar – was sogar dazu führte, dass Pollersbeck gegen Freiburg drei Ballkontakte mehr als beispielsweise der Torschütze Lewis Holtby hatte...

Vor allem aber hält Pollersbeck im Spiel stark. Gegen Freiburg war der U21-Europameister der Matchwinner mit fünf gehaltenen Bällen, die allesamt gute bis sehr gute Chancen waren. Der „kicker“ wählte ihn verdientermaßen in die Elf des Tages. „Er ist vielleicht eher der Typ, der im Wettkampf funktioniert“, hatte Titz’ Vor-Vorgänger Gisdol gewitzelt, nachdem er Pollersbeck für dessen Trainingsleistungen kritisiert hatte. Und ehrlich gesagt hatte er nicht mal Unrecht. Denn bis heute deuten die Trainingsleistungen Pollersbecks – obwohl sie seit Titz deutlich besser geworden sind – nicht wirklich auf derartig gute Leistungen hin wie gegen Freiburg. ER scheint tatsächlich dieser Wettkampftyp zu sein. Nur gut, dass er das noch zeigen konnte, bevor er hier aussortiert wurde...

„Torwart und Linksaußen“ hieß es früher immer, wenn es um die berühmt-berüchtigten „Pflegefälle“ in Fußballmannschaften ging. Und diese gibt es auch heute noch. Valon Behrami und Emir Spahic waren die letzten zwei prominenten Fälle Spieler beim HSV, die sich absolut nicht unterordnen wollten. Bobby Wood hinterließ in den letzten Monaten zudem ebenso einen Eindruck wie natürlich Walace, der inzwischen ebenso wie Mergim Mavraj aussortiert bei der U21 mittrainiert. Und die Frage, ob Pollersbeck alles ernst genug nimmt, vermag ich persönlich gar nicht beantworten. Weder so noch so herum. Aber ich bin mir sicher, dass Pollersbeck eine echte Nummer eins sein kann, wenn er weiter so spielt wie zuletzt.

Und eines vermag ich Pollersbeck zu unterstellen: Er ist cool. Und er bleibt auch jetzt ruhig. „Es stehen nun noch drei Spiele auf dem Programm. Wir lassen uns von den äußeren Einflüssen nicht beirren und glauben weiter fest an uns. Wir wissen, dass es schwierig wird, aber ebenso gut wissen wir, dass noch vieles möglich ist“, sagt Pollersbeck über die letzten Spiele, in denen es immerhin darum geht, den größten Unfall der Vereinsgeschichte doch noch abzuwenden. Und er wirkt dabei nicht besonders aufgeregt. Auch die vielen Komplimente für seine Paraden am Sonnabend ließen Pollersbeck äußerlich cool. Er lässt sich also weder überschwänglich feiern, noch zu sehr runtermachen. Er ist bei sich. Konzentriert, fokussiert im richtigen Moment – wenn es um Punkte geht. Und ich hoffe, das bleibt er im selben Maße in den letzten drei Bundesligapartien dieser Saison...

Aber bevor ich Euch hier verabschiede und einen schönen Abend wünsche, noch ein Wort zum 1. FC Köln. Oder besser gesagt, zu Jonas Hector, der in der schweren Stunde des Abstiegs verkündete, seinem 1. FC Köln treu zu bleiben. Und das, obwohl er einer der begehrtesten Linksverteidiger der Liga ist. Hut ab, Herr Hector! In den heutigen Zeiten ist das alles andere als normal und ich möchte es nicht verpassen, Ihnen dazu von dieser Stelle aus zu gratulieren! Eine ganz starke Aktion und ein tolles Zeichen!

 

In diesem Sinne, morgen geht es weiter. Da wird zweimal trainiert. Um 10 und um 15 Uhr geht es auf den Platz. Bis dahin!

Scholle

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