Marcus Scholz

6. September 2019

Er ist zufrieden, das ist zu sehen. Und zu hören. Dieter Hecking wusste dem Remis in Wolfsburg und dem bevorstehenden freien Wochenende viel Positives abzugewinnen. Sportlich vor allem, weil sich einige Spieler, die zuletzt weniger zum Einsatz gekommen waren,  mal wieder bzw. überhaupt einmal im Spiel präsentieren konnten. Einer von denen war auch Kyriakos Papadopoulos, der kämpferisch stark (Hecking: „Ich weiß nicht, ob man das in einem Freundschaftsspiel immer so lösen muss – aber das war okay“) spielte und sich damit für weitere Einsätze empfehlen wollte. Er machte es auch gut. „Ich bin fit, fühle mich gut – und ich will spielen. Aber leider darf ich das zu wenig“, so der Grieche eindeutig zweideutig. „Ich bin nicht sauer, so ist das Leben. So ist Fußball. Ich denke, ich bin so lange dabei, dass alle wissen, was ich kann und was nicht. Ich muss das niemandem mehr beweisen. Ich muss damit leben.“

Es wirkte so, als wolle der Innenverteidiger sagen, dass der Trainer einen großen Fehler macht, ihn nicht spielen zu lassen – aber das wiederum wäre seinerseits ein Fehler gewesen, den „Don Hecking“ so nie durchgehen lassen würde. Das weiß ein Papadopoulos - so smart ist der Grieche allemal. Dementsprechend bemühte sich Papadopoulos um moderate Formulierungen. Ob es Spaß gemacht habe, mal wieder zu grätschen und zu kämpfen? „Das will ich immer. Leider kann ich das zu selten zeigen.“ Ob er sauer sei? „Ich bin nicht sauer. Ich bin lange dabei und alle wissen, was ich kann. Ich versuche, immer das Beste zu geben “, so der Abwehrspieler, der in der Sommerpause individuell in Athen trainiert hatte, um für die Sommervorbereitung fitter zu sein.

Papadopoulos hatte sich viel vorgenommen. Er war in der Sommervorbereitung im Trainingslager sogar zwischenzeitlich Interimskapitän und wurde vom Trainerteam als „Leadertyp“ gelobt. Inzwischen ist Papadopoulos hinter Gideon Jung und Rick van Drongelen nur noch Ersatz - zudem drohen ihm in nächster Zeit die langsam genesenen Ewerton und Timo Letschert selbst diesen platz auf der Bank streitig zu machen. Wie er seine Situation auch im Hinblick auf seine Nominierungen für die Nationalmannschaft sieht? Er sei traurig, sagt der 27-Jährige. „Jeder will doch immer für sein Land spielen. Ich auch.“ Der Kontakt zur Nationalmannschaft, die am Sonntag in der EM-Quali in Athen auf die Auswahl Liechtensteins trifft, sei auch grundsätzlich da - nur eben anders. Der Manager der Nationalmannschaft wollte mich gegen Bochum hier im Stadion beobachten, aber ich habe ihm gesagt, dass er nicht kommen braucht, weil ich nicht spiele“, verrät Papadopoulos, der nach eigener Auskunft bislang noch keine Einheit verletzungsbedingt verpasst hat. Die Belastungssteuerungen gingen in der vergangenen Saison noch weit über die Verletzungspause hinaus. Diesmal habe er noch keine Einheit verletzt verpasst. Mehr könne er nicht machen und der Rest sei nicht mehr seine Entscheidung, so Papadopoulos, der insgesamt kurz abgebunden wirkte.

 

 

Auch deshalb musste Dieter Hecking ein wenig schmunzeln, als er hörte, wie sich Papadopoulos auf die Zunge beißen musste, um nicht seine komplette Enttäuschung zu formulieren. Aber der Trainer hat auch Verständnis. Er weiß, wie unzufrieden der stolze Grieche ist. „Bei Papa muss man immer überlegen, er hat ein Jahr nicht gespielt. So ein Spiel wie gestern liegt ihm dann natürlich, wenn man mehr verteidigen muss als nach vorn zu spielen. Da mussten wir nicht ganz so hoch stehen, so ein Spiel ist wie auf ihn zugeschnitten“, relativierte Hecking und schob nach: „Es ist sich nicht ausgeschlossen, dass Papa seine Einsatzminuten bekommen wird. Aber die anderen machen es in den letzten Wochen einfach auch gut. Und gerade wenn es um Schnelligkeit geht, und wir hoch pressen wollen, dann haben Gideon und Rick die Nase vorn. Weil sie schneller sind“, so Hecking deutlich.

Papadopoulos' Spielstil ist bei Heckings Spielidee nicht so gefragt

Problem in dieser Konstellation: In der Zweiten Liga werden die meisten Teams tiefer stehen und den HSV eher über schnelle Gegenangriffe zu knacken versuchen, als dass sie den HSV unter Druck setzen können. Also so, wie es Papadopoulos nicht liegt. „Aber seine Art hilft in gewissen Situationen“, versucht sich Hecking diplomatisch aus der Situation zu argumentieren, die zumindest Potenzial für Ärger hat. Gut für Hecking, dafür erschwerend für Papadopoulos: Es läuft beim HSV derzeit sportlich in die richtige Richtung. Zumindest sagte das gestern nach dem Spiel Martin Harnik - und ein Kollege heute wiederholte es. Normalerweise läuft man bei Hecking in solchen Momenten Gefahr, zurechtgestutzt zu werden. Zu frühe Zufriedenheit - also alles vor dem Erreichen des Aufstieges - wird nicht geduldet. Heute allerdings schien der HSV-Trainer uns gegenüber etwas milder gestimmt. „Die Mannschaft zieht sehr gut mit. Das stimmt mich positiv. Aber es wird den Punkt geben, wenn alles ausgereizt ist und wir bei Spielern auch an Grenzen stoßen. Und dann gilt es, genau das Niveau zu halten.“

 

Ein Argument dafür, dass das möglich ist, ist eben jener harte Konkurrenzkampf, der einen Papadopoulos auf die Bank degradiert. Auch Aaron Hunt könnte Probleme bekommen, wenn Sonny Kittel weiter so performt wie in den letzten Wochen. Gestern in Wolfsburg war es auch die Einwechslung von Kittel - er kam für Hunt -, die dem HSV-Spiel neuen Schwung verlieh. Zudem war es Toptorschütze Kittel, der den Ausgleich mit einer gefühlvoll getretenen Ecke vorbereitet hatte. Dachten wir alle. „Aber ehrlich gesagt, wusste ich gar nicht, was geplant war“, gestand Debüt-Torschütze Harnik, der nach der Kittel-Ecke zum 1:1 einköpfte. Dennoch, auch wenn dieses Tor nicht vorrangig auf die individuelle Qualität Kittels oder einen einstudierten Standard zurückzuführen ist, Kittel macht einfach Spaß, weil er das Tempo ins Spiel bringt, das Hunt nach seiner Verletzungspause fehlt und das er auch sonst nicht in der Frequenz Titels auf den Platz bringt. Und das sah auch Hecking, der gestern analysierte: „Am Ende hat man gesehen, dass wir gefährlicher wurden, als wir mehr Tempo im Spiel hatten.“

Fazit: Wenn zwei Führungsspieler des HSV alters- und sportlich bedingt in die Situation kommen, von der Bank zu kommen, weil ihre jüngeren Konkurrenten ihnen den Rang ablaufen, dann läuft alles, wie es laufen soll. Und wenn wir schon beim Thema sind sich noch ein, zwei Worte zur Personalie Julian Pollersbeck. der Keeper machte ebenso wie Tom Mickel in der ersten Halbzeit nach seiner Einwechslung in den zweiten 45 Minuten einen guten Eindruck, was auch der Trainer registrierte: „Bei Tom habe ich vom ersten Tag an ein gutes Gefühl gehabt. Tolle Motivation, gestern wieder seine Aktionen gehabt“, lobte Hecking die Nummer zwei im Tor, um bei Pollersbeck nachzulegen: „Bei Polle wollten wir sehen, was in den letzten sechs Wochen passiert ist. Und er adaptiert langsam, wo wir seine Schwächen sehen. Pole arbeitet daran. Kai Rabe (der Torwarttrainer, d. Red.) bekommt das bislang richtig gut hin. Es ist nicht leicht, das Thema zu moderieren. Aber Polle merkt jetzt, dass wir ihn besser machen wollen.“ Klingt nach dem nächsten heißen Konkurrenzkampf…

in diesem Sinne, morgen und Sonntag ist trainingsfrei. Am Montag geht es mit Laktattests (nicht öffentlich) weiter. Erst am Dienstag geht es dann auch wieder auf den Platz.

 

Bis morgen!

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